Düsseldorf. Arnold Plickert, NRW-Chef der Gewerkschaft der Polizei, mahnt die Politik, sich besser um minderjährige Flüchtlinge zu kümmern, damit sie Halt finden.

Minderjährige, alleinreisende Flüchtlinge brauchen mehr Hilfe. Sonst drohen einige, in die Kriminalität abzurutschen, sagt der Landeschef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Arnold Plickert.

Für viele Pegida-Demonstranten sind Ausländer kriminell. Spricht etwas für diese Annahme?

Arnold Plickert: Es ist absurd zu sagen, Ausländer sind kriminell und üben Gewalt aus. Zur Analyse gehört aber: Die Politik macht einen Kardinalfehler, wenn sie nicht den Mut aufbringt, die Probleme offen zu benennen.

Welche Probleme meinen Sie?

Plickert: Dass es Auffälligkeiten gibt. Wir haben in NRW einen Migrantenanteil von zehn bis zwölf Prozent in der Bevölkerung. Nach der Polizeilichen Kriminalstatistik aber liegt ihr Anteil bei den Straftaten bei 20 Prozent. Den Unterschied kann man nicht wegdiskutieren.

‚Ausländer raus’ kann doch keine Konsequenz sein?

Plickert: Nein, überhaupt nicht. Wir sind auf mehr Zuwanderung angewiesen. 60 Prozent der Menschen, die zu uns kommen, sind gut gebildet. Sie sind bereit, den deutschen Arbeitsmarkt zu nutzen. Sie werden sich an unsere Gesetze halten. Da sind aber auch Armutszuwanderer oder die, die vor Krieg und Gewalt geflohen sind. Was mache ich mit Menschen, die schlimmste Dinge erlebt haben, die vielleicht die Polizei aus der Heimat her als brutalen Gegner kennen? Um denen zu helfen, brauchen wir Ressourcen, Räumlichkeiten, Gesprächsangebote. Gute Integration ist entscheidend, um sie nicht in die Kriminalität abgleiten zu lassen. Das haben wir Jahre verschlafen.

Was bereitet Ihnen am meisten Sorgen?

Plickert: Wir haben aktuell ein großes Problem. Die Zahl unbegleiteter Kinder und Jugendliche, die nach Deutschland, kommen steigt seit zwei, drei Jahren sprunghaft an. Offiziell sind es 2013 mehr als 6500 gewesen. Sie haben oft keine Pässe und Papiere. Wir wissen nicht mal, wie alt sie sind. Sie haben Krieg erlebt oder in Erinnerung, wie Freunde, Verwandte oder Eltern vergewaltigt oder getötet wurden.

Aber ihnen wird doch geholfen.

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Plickert: Na ja. Ihr erster Kontakt hier ist das Jugendamt, das personell auch nicht besser ausgestattet ist als die Polizei. Von dort schickt man sie in die Erstaufnahmen Dortmund, Köln oder Ostwestfalen. Sie wechseln von Heim zu Heim, werden meldemäßig nicht weiter erfasst...

... und laufen Gefahr, schnell in den kriminellen Sog zu geraten?

Plickert: Nicht die, die in einen geregelten Schulbetrieb eingegliedert werden können. Aber viele driften in Gruppen ab, die schon in Kontakt mit Kriminalität gekommen sind. Da sind Kinder bei, die 30 oder 40 Raubdelikte im Jahr begehen. Einige sind gerade 13 Jahre alt, also nicht strafmündig. Sie müssen entlassen werden. Andere sind von libanesischen Großfamilien gesteuert, wie in Essen. Solche Strukturen bieten Boden für Straftaten.

Können Sie Zahlen nennen?

Plickert: Dass die Zahl der Laden- und Taschendiebstähle 2014 in NRW um zehn Prozent angestiegen ist, hat nicht ursächlich mit wachsender Ausländerkriminalität zu tun, geht aber zum Teil auf steigende Asylzahlen zurück. Auf den Ringen, der Partymeile in Köln, wo seit einiger Zeit viele afrikanische Gruppen sind, werden inzwischen 1000 Handys im Monat gestohlen.

Die Polizei kommt dagegen an?

Plickert: Das ist in manchen Stadtvierteln mit Problemhäusern und Verwahrlosung schwierig. Dort treten Jugendbanden auf, die klar machen: Hier haben wir das Sagen, hier gilt kein deutsches Recht. In Aachen ist eine Festnahme gescheitert, weil unsere Kollegen bedroht wurden. Sie konnten nur fliehen. In Dortmund wurde unseren Kolleginnen sogar der Zugang zu einer überfallenen älteren Dame versperrt.