Berlin/Essen. . Experten erwarten in NRW noch zahlreiche Pegida-Märsche. Eine Massenbewegung wie in Sachsen werde es aber nicht geben.

Zwar wurden in Dresden wegen akuter Terrorgefahr alle öffentlichen Demos zunächst abgesagt – Forscher rechnen indes damit, dass es auch in Städten des Ruhrgebiets zu weiteren Pegida-Märschen kommen wird. Der Bielefelder Konflikt- und Gewaltforscher Andreas Zick warnt: „Auch hier gibt es gewaltbereite Rechtsextreme, Hooligans, Islamgegner und Unzufriedene.“ Ein Funke genüge – ein Moscheekonflikt, ein Streit um ein Asylbewerberheim – dann könne eine Stadt in NRW viele Pegida-Sympathisanten auf die Straße bringen.

„Das wird im Westen keine Massenbewegung“

Auch der Berliner Protestforscher Dieter Rucht glaubt, dass es vielerorts im Westen Demonstrationen geben wird, sagt aber: „Das wird keine Massenbewegung.“ Zehntausende wie in Dresden seien nicht zu erwarten. Selbst in Sachsen werde sich Pegida nicht auf Dauer halten können: „Es wird sich ausdünnen, wie letztlich alle diese Protestbewegungen.“ Derzeit sorgten die Medien für zusätzliche Neugier und Aufmerksamkeit. „Aber das hält nicht ewig an.“

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In NRW kommt noch etwas hinzu: An Rhein und Ruhr stößt Pegida auf Menschen, die seit Jahrzehnten Erfahrungen mit Zuwanderern haben. „Sie gehören zum Alltag, zur Nachbarschaft. Die tägliche Erfahrung macht es schwerer den Leuten einzureden, dass Migranten angeblich nur Probleme machen“, sagt Rucht. Auch sein Bielefelder Kollege erinnert daran, dass Zuwanderung seit Gründung der Bundesrepublik zu Deutschland gehöre. Gerade das Ruhrgebiet habe gute Erfahrungen gemacht.

„Wir stehen an einem Scheideweg“

Dennoch: Durch die Gesellschaft geht ein Riss. Knapp 50 Prozent befürworten zwar die wachsende Vielfalt im Land. Doch zugleich fordert jeder Dritte mehr Mut zu einem stärkeren Nationalgefühl und schließt dabei Eingewanderte aus. Die Unzufriedenheit mit dem demokratischen System, die Ablehnung des Fremden, Verlustängste und Islamfeindlichkeit - all dies war bereits vor der Pegida-Bewegung „hinter den Gardinen“ vorhanden, sagt Zick. „Aber jetzt gibt es dafür ein Forum und ein Verhaltensangebot“, das es den Bürgern leicht mache, ihren Unmut auf die Straße zu tragen. In einer von der Essener Stiftung Mercator geförderten Studie untersuchte er die Vorurteile gegen Minderheiten.

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„Wir stehen an einem Scheideweg“, ist Zick überzeugt. „Welches Gesellschaftsbild wünschen wir? Wie offen und pluralistisch soll Deutschland in Zukunft sein?“ Die Sehnsucht nach einem völkisch-homogenen Nationalstaat, die bei Pegida erkennbar werde, oder eine nach dem Nützlichkeitsprinzip geregelte Einwanderungspolitik entspreche nicht dem Grundgesetz.

Wer geht zu Pegida?

Das Problem: Bislang fällt es Forschern schwer, die Anliegen der Pegida-Demonstranten überhaupt solide zu ermitteln. Forscher der TU-Dresden hatten 400 Mitläufer befragt und sprechen jetzt vom „typischen“ Pegida-Demonstranten: Männlich, berufstätig, gebildet, konfessionslos, 48 Jahre alt. Sein Hauptmotiv: Groll gegen „die da oben“. Erst an dritter Stelle kämen Vorbehalte gegen Zuwanderer.

Protestforscher Rucht kritisiert die Studie deutlich: „Die Forscher sagen ja selbst: Zwei Drittel der Angesprochenen haben gar nicht geantwortet. Es kann gut sein, dass das genau diejenigen waren, die politisch weit rechts stehen, das aber nicht dokumentieren wollten. Käme man an den harten Kern der Märsche heran, hätte man womöglich völlig andere Antworten.“

Auch Rucht hat am letzten Montag in Dresden versucht, ein seriöses Meinungsbild zu erstellen - vergeblich. „Wir haben einige hundert Handzettel verteilt, mit dem Aufruf, sich an einer Online-Umfrage zu beteiligen. 123 Leute haben mitgemacht. Das ist enttäuschend.“

Tausende bei Anti-Pegida-Demos

Licht aus für Pegida – Licht an für den Protest für ein tolerantes Deutschland: ...
Licht aus für Pegida – Licht an für den Protest für ein tolerantes Deutschland: ... © dpa
In Düsseldorf haben am Montagabend (12.1.) mehr als 5000 Gegner...
In Düsseldorf haben am Montagabend (12.1.) mehr als 5000 Gegner... © dpa
... der Anti-Islam-Bewegung Pegida und dessen lokalem Ableger Dügida...
... der Anti-Islam-Bewegung Pegida und dessen lokalem Ableger Dügida... © dpa
... demonstriert. Den 5000 Demonstranten standen nur etwa...
... demonstriert. Den 5000 Demonstranten standen nur etwa... © dpa
... 350 Teilnehmer der
... 350 Teilnehmer der "Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" gegenüber. © dpa
Wie schon bei der Demo in Köln vor einer Woche wurde auch in Düsseldorf...
Wie schon bei der Demo in Köln vor einer Woche wurde auch in Düsseldorf... © dpa
... an vielen Gebäuden das Licht ausgeschaltet. Auch das Jan-Wellem-Denkmal und...
... an vielen Gebäuden das Licht ausgeschaltet. Auch das Jan-Wellem-Denkmal und... © dpa
... das Alte Rathaus in der Altstadt blieben dunkel.
... das Alte Rathaus in der Altstadt blieben dunkel. © dpa
Gegen-Demonstrant und Cellist Thomas Beckmann baute sich vor den Anhängern der Anti-Islam-Bewegung auf und spielte.
Gegen-Demonstrant und Cellist Thomas Beckmann baute sich vor den Anhängern der Anti-Islam-Bewegung auf und spielte. © dpa
Mehr als 5000 Pegida-Gegner haben am Montag (12.1.) in Düsseldorf demonstriert. Ihnen standen 350 Pegida-Anhänger gegenüber.
Mehr als 5000 Pegida-Gegner haben am Montag (12.1.) in Düsseldorf demonstriert. Ihnen standen 350 Pegida-Anhänger gegenüber. © dpa
Mehr als 5000 Pegida-Gegner haben am Montag (12.1.) in Düsseldorf demonstriert. Ihnen standen 350 Pegida-Anhänger gegenüber.
Mehr als 5000 Pegida-Gegner haben am Montag (12.1.) in Düsseldorf demonstriert. Ihnen standen 350 Pegida-Anhänger gegenüber. © dpa
Mehr als 5000 Pegida-Gegner haben am Montag (12.1.) in Düsseldorf demonstriert. Ihnen standen 350 Pegida-Anhänger gegenüber.
Mehr als 5000 Pegida-Gegner haben am Montag (12.1.) in Düsseldorf demonstriert. Ihnen standen 350 Pegida-Anhänger gegenüber. © dpa
Bei der Pegida-Demo in Dresden kehrten sich die Relationen um: ...
Bei der Pegida-Demo in Dresden kehrten sich die Relationen um: ... © dpa
7000 Gegendemonstranten standen...
7000 Gegendemonstranten standen... © dpa
...25.000 Pegida-Unterstützern gegenüber. Allerdings waren am Samstag schon...
...25.000 Pegida-Unterstützern gegenüber. Allerdings waren am Samstag schon... © dpa
... 35.000 Dresdner für Toleranz und gegen Fremdenhass auf die Straße gegangen. Mit Besen...
... 35.000 Dresdner für Toleranz und gegen Fremdenhass auf die Straße gegangen. Mit Besen... © Getty Images
... fegten die Teilnehmer symbolisch die Fremdenfeindlichkeit aus ihrer Stadt.
... fegten die Teilnehmer symbolisch die Fremdenfeindlichkeit aus ihrer Stadt. © Getty Images
Auch in Dresden demonstrierten Montag (12.1.) tausende Menschen für und gegen die Pegida.
Auch in Dresden demonstrierten Montag (12.1.) tausende Menschen für und gegen die Pegida. © imago/epd
Auch in Dresden demonstrierten Montag (12.1.) tausende Menschen für und gegen die Pegida.
Auch in Dresden demonstrierten Montag (12.1.) tausende Menschen für und gegen die Pegida. © imago/Christian Thiel
Auch in Dresden demonstrierten Montag (12.1.) tausende Menschen für und gegen die Pegida.
Auch in Dresden demonstrierten Montag (12.1.) tausende Menschen für und gegen die Pegida. © dpa
In München gingen 20.000 Menschen gegen Fremdenhass auf die Straße.
In München gingen 20.000 Menschen gegen Fremdenhass auf die Straße. © imago/Michael Westermann
In München gingen 20.000 Menschen gegen Fremdenhass auf die Straße.
In München gingen 20.000 Menschen gegen Fremdenhass auf die Straße. © imago/Michael Westermann
In München gingen 20.000 Menschen gegen Fremdenhass auf die Straße.
In München gingen 20.000 Menschen gegen Fremdenhass auf die Straße. © imago/Michael Westermann
30.000 Pegida-Gegner gingen in Leipzig auf die Straße – und rund 3000 Pegida-Anhänger.
30.000 Pegida-Gegner gingen in Leipzig auf die Straße – und rund 3000 Pegida-Anhänger. © dpa
30.000 Pegida-Gegner gingen in Leipzig auf die Straße – und rund 3000 Pegida-Anhänger.
30.000 Pegida-Gegner gingen in Leipzig auf die Straße – und rund 3000 Pegida-Anhänger. © dpa
30.000 Pegida-Gegner gingen in Leipzig auf die Straße – und rund 3000 Pegida-Anhänger.
30.000 Pegida-Gegner gingen in Leipzig auf die Straße – und rund 3000 Pegida-Anhänger. © dpa
30.000 Pegida-Gegner gingen in Leipzig auf die Straße – und rund 3000 Pegida-Anhänger.
30.000 Pegida-Gegner gingen in Leipzig auf die Straße – und rund 3000 Pegida-Anhänger. © dpa
30.000 Pegida-Gegner gingen in Leipzig auf die Straße – und rund 3000 Pegida-Anhänger.
30.000 Pegida-Gegner gingen in Leipzig auf die Straße – und rund 3000 Pegida-Anhänger. © dpa
In Saarbrücken traten 9000 Saarländer für mehr Toleranz ein und standen 200 Pegida-Protestanten gegenüber.
In Saarbrücken traten 9000 Saarländer für mehr Toleranz ein und standen 200 Pegida-Protestanten gegenüber. © dpa
In Saarbrücken traten 9000 Saarländer für mehr Toleranz ein und standen 200 Pegida-Protestanten gegenüber.
In Saarbrücken traten 9000 Saarländer für mehr Toleranz ein und standen 200 Pegida-Protestanten gegenüber. © dpa
In Saarbrücken traten 9000 Saarländer für mehr Toleranz ein und standen 200 Pegida-Protestanten gegenüber.
In Saarbrücken traten 9000 Saarländer für mehr Toleranz ein und standen 200 Pegida-Protestanten gegenüber. © dpa
In Rostock demonstrierten 2000 Pegida-Gegner. Die Pegida-Demo selbst wurde abgesagt.
In Rostock demonstrierten 2000 Pegida-Gegner. Die Pegida-Demo selbst wurde abgesagt. © dpa
In Rostock demonstrierten 2000 Pegida-Gegner. Die Pegida-Demo selbst wurde abgesagt.
In Rostock demonstrierten 2000 Pegida-Gegner. Die Pegida-Demo selbst wurde abgesagt. © imago/BildFunkMV
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Prominente gegen Pegida

"Die Drahtzieher dieser Demos sind Rechtsextreme, die von Islam- und Ausländerfeindlichkeit getrieben werden. Wer dort hingeht, muss sich im Klaren sein, welchen Rattenfängern er eine Bühne bietet", schreibt NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) auf ihrer Facebook-Seite. Dem Kölner Stadt-Anzeiger sagte sie: "Gegen Engstirnigkeit, Ausgrenzung und Fremdenfeindlichkeit müssen wir Zeichen von Weltoffenheit und Toleranz stellen." Wer sich von der Politik nicht richtig vertreten fühle, sei aufgerufen, selbst mitzumachen. © Volker Hartmann/WAZ FotoPool
Auch Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) kritisiert die Pegida-Initiatoren scharf:
Auch Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) kritisiert die Pegida-Initiatoren scharf: "Nicht wenige der Organisatoren sind verurteilte Kriminelle, Neonazis und Antisemiten. Anständige Leute laufen solchen Typen nicht hinterher." © picture alliance / dpa
Grünen-Chef Cem Özdemir lehnt einen Dialog mit den Demonstranten der islamfeindlichen Pegida-Bewegung entschieden ab.
Grünen-Chef Cem Özdemir lehnt einen Dialog mit den Demonstranten der islamfeindlichen Pegida-Bewegung entschieden ab. "Wir sind eine Exportnation, und dazu gehört auch Weltoffenheit und Toleranz." Das dürfe aber nicht verwechselt werden mit Beliebigkeit. Es dürfe keine Toleranz gegenüber Intoleranz geben - dies gelte für Islamisten wie für Rechtsradikale: "Auch ich fürchte mich vor dem Islamismus. Aber Fanatismus kann nicht mit anderem Fanatismus bekämpft werden", sagte Özdemir. (dpa) © dpa
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte bereits in ihrer Neujahrsansprache die Bürger aufgerufen, sich den Pegida-Kundgebungen nicht anzuschließen. Zu oft sei
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte bereits in ihrer Neujahrsansprache die Bürger aufgerufen, sich den Pegida-Kundgebungen nicht anzuschließen. Zu oft sei "Kälte, ja sogar Hass" in den Herzen der Organisatoren. © dpa
Der Grüne-Bundestagsabgeordnete Volker Beck schreibt auf seiner Facebook-Seite:
Der Grüne-Bundestagsabgeordnete Volker Beck schreibt auf seiner Facebook-Seite: "Köln hat sich heute als Stadt der Weltoffenheit & Vielfalt gezeigt, in der dumpfer Rassismus keinen Platz mehr hat. Ich bin stolz auf die vielen tausend Kölner*innen, die sich stundenlang in der Kälte ‪#‎kögida‬ entgegengestellt haben. Am Ende liefen wir und nicht die Pegiden über die Deutzer Brücke zum Heumarkt." © dpa
Der nordrhein-westfälische CDU-Vorsitzende Armin Laschet hält es hingegen für unnötig, der islamkritischen Pegida zu viel Aufmerksamkeit zu schenken. In nordrhein-westfälischen Städten habe sie bislang nur wenige Hundert Demonstranten mobilisiert, sagte er der Nachrichtenagentur dpa.
Der nordrhein-westfälische CDU-Vorsitzende Armin Laschet hält es hingegen für unnötig, der islamkritischen Pegida zu viel Aufmerksamkeit zu schenken. In nordrhein-westfälischen Städten habe sie bislang nur wenige Hundert Demonstranten mobilisiert, sagte er der Nachrichtenagentur dpa. "Darum muss man keinen so großen Hype machen." Eine größere außerparlamentarische Opposition am rechten Rand sehe er mit Pegida nicht kommen. Man dürfe aber auch nicht leichtfertig alle, die etwa in Dresden zu Tausenden auf die Straße gingen, als "Nazis in Nadelstreifen" abstempeln, kritisierte Laschet. Es sei schwierig, aus der Ferne zu erklären, womit diese Menschen unzufrieden seien. Prinzipiell müsse die Politik jedem zuhören und Sorgen ernst nehmen. © dpa
Vor den ersten Kundgebungen der Pegida-Bewegung im neuen Jahr hatte der frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche, Nikolaus Schneider, Christen vor einer Teilnahme gewarnt.
Vor den ersten Kundgebungen der Pegida-Bewegung im neuen Jahr hatte der frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche, Nikolaus Schneider, Christen vor einer Teilnahme gewarnt. "Wir können nicht das Abendland verteidigen, indem wir den Islam als Feind ausrufen", sagte der im November aus dem Amt geschiedene Schneider der "Rheinischen Post" am Montag. Christinnen und Christen hätten auf diesen Kundgebungen nichts zu suchen. Schneider warnte die Politik davor, Forderungen der Pegida-Protestler aufzunehmen: "Hier müssen wir widersprechen und deutlich sagen, dass das Unsinn ist." (dpa) © dpa
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