Polizei sucht Helfer der Attentäter - Freundin setzt sich ab
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Paris. Paris fahndet nach Unterstützern des Terrors. Nach dem Ende der blutigen Anschläge und Geiselnahmen formiert sich eine Welle der Solidarität.
Nach dem Ende der beiden Geiselnahmen suchen französische Ermittler nach möglichen Hintermännern der drei getöteten islamistischen Attentäter. Fünf Personen seien in Polizeigewahrsam, sagte Staatsanwalt François Molins am späten Freitagabend in Paris.
Die Freundin des Mannes, der Geiseln in einem jüdischen Supermarkt genommen hatte, ist nicht auffindbar. Die 26-jährige Hayat Boumeddiene stand zunächst im Verdacht, in die Schießerei mit einer Polizistin verwickelt zu sein. Laut Medienberichten vom Sonntag befindet sie sich allerdings schon seit mehreren Tagen außer Landes.
So berichtete der französische Sender RTL, Boumeddiene sei bereits am 2. Januar über Madrid nach Istanbul geflogen und am Donnerstag an der türkisch-syrischen Grenze gesehen worden. An diesem Tag war im Süden von Paris eine Polizistin bei einer Schießerei getötet worden. Für diese Attacke wird ihr Freund Amedy Coulibaly verantwortlich gemacht, der am Freitag als Geiselnehmer in einem Geschäft im Osten von Paris von Sicherheitskräften getötet wurde. Die 26-Jährige wäre damit zum Zeitpunkt der Terroranschläge nicht mehr in Frankreich gewesen.
Die Fahnder wollen nun herausfinden, woher die Waffen der Terroristen stammten und ob die Männer Anweisungen erhielten, "aus Frankreich, dem Ausland oder dem Jemen", wie der Staatsanwalt sagte.
Al-Kaida-Ableger droht Frankreich mit weiteren Anschlägen
Die Terrorgruppe Al-Kaida auf der Arabischen Halbinsel (AQAP) hat Frankreich mit weiteren Anschlägen gedroht. Es werde neue Angriffe geben, sollte das Land nicht damit aufhören, den Islam, seine Symbole und die Muslime zu "bekämpfen", schrieb die Dschihad-Beobachtungsplattform Site. Sie berief sich auf eine per Video verbreitete Rede von Harith bin Ghasi al-Nadhari, einer der wichtigsten Glaubenshüter der Gruppe. "Einige der Söhne Frankreichs waren respektlos gegenüber Allahs Propheten", daher sei eine Gruppe von "gläubigen Soldaten Allahs" gegen sie vorgegangen und habe ihnen Respekt beigebracht.
AQAP ist einer der größten Ableger des weltweit agierenden Al-Kaida-Netzwerks. Die sunnitischen Extremisten nutzen den instabilen Jemen unter anderem als Rückzugsort und Rekrutierungsbecken. Einer der beiden mutmaßlichen Attentäter auf das Satiremagazin "Charlie Hebdo" in Paris hat nach Informationen von US-Medien ein Terror-Training im Jemen absolviert.
Solidaritätsmarsch am Sonntag in Paris
Neben einer Bilanz der Polizeieinsätze gegen die islamistischen Terroristen steht für die Regierung der große Solidaritätsmarsch am Sonntag in Paris im Vordergrund. An der Kundgebung für die Opfer des Anschlags auf das Satiremagazin "Charlie Hebdo" vom Mittwoch wollen zahlreiche europäische Regierungschefs teilnehmen, darunter auch Bundeskanzlerin Angela Merkel, Vizekanzler Sigmar Gabriel, Großbritanniens Premier David Cameron, Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy und sein italienischer Kollege Matteo Renzi. "Es ist ein wichtiges Zeichen deutsch-französischer Freundschaft, dass wir in diesen Stunden zusammenstehen", sagte Merkel in Hamburg.
Blutiges Ende der Terrorserie in Frankreich
Mit einem Doppelschlag hat die französische Polizei den tagelangen Terror im Großraum Paris beendet und drei islamistische Attentäter getötet. Die beiden Brüder Chérif (32) und Said Kouachi (34), die bei einem Anschlag auf das Satiremagazin "Charlie Hebdo" zwölf Menschen kaltblütig getötet haben sollen, starben am Freitag in einem Ort nordöstlich der Hauptstadt im Kugelhagel der Polizei. Fast zeitgleich schlugen Sondereinheiten im Osten von Paris gegen einen weiteren als Islamisten bekannten Geiselnehmer zu.
Nach einer vorläufigen Bilanz kamen bei der Geiselnahme dort vier Geiseln ums Leben; vier Menschen sollen schwerverletzt sein. Unklar war zunächst, wo die Freundin des getöteten Geiselnehmers von Paris ist. Sie soll in die Schießerei mit einer Polizistin am Donnerstag in Paris verwickelt gewesen sein.
Möglicherweise ist sie noch auf der Flucht. Sie ist in jedem Fall weiterhin zur Fahndung ausgeschrieben. Frankreichs Präsident François Hollande nannte die doppelte Geiselnahme eine "Tragödie für die Nation". Bilanz des Wahnsinns: insgesamt 20 Tote.
Terrornetzwerk im Großraum Paris vermutet
Zunächst stürmten Spezialeinheiten gegen 17 Uhr den Unterschlupf der mutmaßlichen Attentäter von "Charlie Hebdo" in Dammartin-en-Goële, etwa 40 Kilometer nordöstlich von Paris. Die Terrorverdächtigen seien getötet worden, bestätigten die Behörden. Die beiden Brüder seien schießend aus der Druckerei gerannt, in der sie sich über sieben Stunden verschanzt hatten. Die beiden hatten zuvor angekündigt, "als Märtyrer" sterben zu wollen. Ihre Geisel sei frei und unverletzt, berichteten die Sicherheitsbehörden. Zwei Polizisten sollen verletzt worden sein.
Die Hauptverdächtigen von Paris
Bei der Terrorattacke von Paris und den Geiselnahmen am Freitag spielen vier Hauptverdächtige eine wichtige Rolle.
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Wer sind die Vier?
Nach dem Anschlag auf das Satiremagazin "Charlie Hebdo" mit zwölf Toten gelten schnell zwei Brüder als Hauptverdächtige: Chérif (32) und Said Kouachi (34). Am Freitag veröffentlicht die Polizei dann noch einen Fahndungsaufruf nach einem 32-jährigen Mann und einer 26-jährigen Frau, die am Donnerstag in die Schießerei mit einer Polizistin auf einer Straße im Süden von Paris verwickelt gewesen sein sollen. Es handelt sich um Amedy Coulibaly (32) und seine Frau Hayat Boumeddiene (26). Coulibaly soll laut "Le Point" der Mörder der Polizistin sein.
Was weiß man zu den Brüdern?
Die beiden Franzosen waren den Sicherheitsbehörden schon vor dem Attentat bekannt. Sie standen laut dem US-Fernsehsender CNN auf der allgemeinen Terror-Beobachtungsliste TIDE (Terrorist Identities Datamart Environment). In dieser Liste führen die USA bekannte oder mutmaßliche internationale Terroristen. Amerikanischen Medienberichten zufolge fanden sich ihre Namen zudem auf einer sogenannten No-Fly-Liste, was ihnen Flüge in die USA verwehrte.
Chérif Kouachi
Kurz bevor sich Chérif Kouachi als damals 22 Jahre alter Hilfsarbeiter via Syrien in den Irak absetzen konnte, um dort als Dschihadist gegen die US-Truppen zu kämpfen, wurde er verhaftet. Im Jahr 2008 wurde er zu drei Jahren Haft verurteilt - davon 18 Monate auf Bewährung. Zwei Jahre später wurde sein Name im Zusammenhang mit einem Befreiungsversuch eines inhaftierten Mitglieds einer islamistischen Gruppe genannt.
Bevor Chérif Kouachi im 19. Arrondissement von Paris den religiösen Unterweisungen von Benyettou folgte, war er ein Rap-Fan, der hübschen Mädchen nachstellte. Recherchen französischer Medien zufolge bestand seine Vorbereitung auf eine geplante Reise in den Irak damals aus Jogging-Runden, die er in Paris drehte und einer kurzen Einweisung an automatischen Waffen durch einen obskuren Waffenspezialisten.
Said Kouachi
Auch Said - der ältere Bruder - ist als französischer Staatsbürger in Paris geboren. Im Zusammenhang mit den Aktivitäten seines jüngeren Bruders soll auch er 2010 im Visier der Ermittler gewesen sein. Dabei sollen sich keine Erkenntnisse ergeben haben.
Nach US-Medienberichten hat Said Kouachi ein Ausbildungslager des Terrornetzwerkes Al-Kaida durchlaufen. Er sei 2011 einige Monate bei einem Al-Kaida-Ableger im Jemen im bewaffneten Kampf ausgebildet worden, berichteten der Fernsehsender CNN und die "New York Times". Dass der 34-Jährige eine Terrorausbildung absolviert habe, sei auch auf den Videos der "Charlie Hebdo"-Attacke zu erkennen, schrieb die "New York Times" unter Berufung auf einen hochrangigen US-Regierungsvertreter.
Am Freitag verschanzten sich die beiden mutmaßlichen "Charlie-Hebdo"-Attentäter in dem ländlichen Ort Dammartin-en-Goële in einer Druckerei und nahmen mindestens eine Geisel.
Wie hängen die vier Verdächtigen zusammen?
Während dieser Geschehnisse in Dammartin-en-Goële stürmt ein Mann in Paris einen Supermarkt für koschere Lebensmittel und nimmt mehrere Geiseln. Es wird vermutet, dass es sich dabei um den Mann handelt, der am Donnerstag in Paris die Polizistin erschossen hatte - den 32-jährigen Amedy Coulibaly. Französische Medien berichteten, der Mann habe beim Betreten des Geschäfts gerufen: "Ihr wisst, wer ich bin."
Berichten zufolge soll er die Attentäter von "Charlie Hebdo" gut gekannt und - wie sie - einen islamistischen Hintergrund haben. Alle drei Männer seien aus derselben Pariser Dschihad-Gruppe, berichteten mehrere französische Medien. Als die Polizei am späten Nachmittag beide Geiselnahmen beendet, werden die drei Islamisten getötet.
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Nur wenig später griff die Polizei auch bei der zweiten Geiselnahme in einem jüdischen Lebensmittelladen im Osten von Paris zu. Der Geiselnehmer Amedy Coulibaly (32) sei getötet worden. Der Mann, der am Donnerstag im Süden von Paris bereits eine Polizistin getötet haben soll, soll auch mehrere Geiseln erschossen haben. Die Agentur AFP berichtete, es habe an diesem Tatort einschließlich Coulibaly fünf Tote gegeben. Unklar blieb zunächst, ob auch ein möglicher Komplize oder eine vierte Geisel getötet wurde. Der Täter soll die Attentäter von "Charlie Hebdo" gut gekannt und wie sie einen islamistischen Hintergrund haben. Die Polizei geht nun der Vermutung nach, es könne sich um ein größeres Terrornetzwerk im Großraum Paris handeln.
Täter sollen sich bei ihrem Vorgehen eng abgestimmt haben
Augenzeugen berichteten, es habe bei der Erstürmung des Geschäfts laute Explosionen gegeben. Zahlreiche Geiseln rannten aus dem Laden und brachten sich in Sicherheit, als die Polizei das Geschäft stürmte. Auch hier soll ein Beamter verletzt worden sein.
Die drei Attentäter haben sich nach einem Bericht des französischen Fernsehsenders BFMTV bei ihren Taten eng abgestimmt. Der Sender strahlte Originaltöne von Telefongesprächen aus, die er vor den Zugriffen der Polizei mit den Terroristen geführt hatte. In einem Gespräch sagt Coulibaly, er habe sich mit den Brüdern Chérif und Said Kouachi abgesprochen.
Mann hatte sich in Druckerei versteckt und informierte die Fahnder
Die beiden mutmaßlichen "Charlie-Hebdo"-Attentäter hatten seit dem Morgen eine Geisel in ihrer Gewalt und sich mit Kalaschnikows bewaffnet verschanzt. Sondereinheiten der Polizei und Militärkräfte belagerten sieben Stunden die Druckerei in einem Industriegebiet des ländlichen Orts Dammartin-en-Goële. Der Flughafen Paris Charles-de-Gaulle, der nur wenige Kilometer von Dammartin-en-Goële entfernt ist, sperrte die beiden nördlichen Landebahnen.
Geiselnahme in Paris
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Bei dem Überfall der beiden mutmaßlichen Attentäter auf die Druckerei konnte sich ein Mann in einem Karton verstecken und per Telefon die Fahnder informieren. Die beiden Terroristen, die sich in einem anderen Teil des Industriegebäudes aufhielten, hätten den Mann nicht entdeckt, der inzwischen als Held gefeiert werde, berichtete der TV-Sender BFMTV am Freitagabend. Der Mann habe die Polizei detailreich über die Örtlichkeit informiert.
Jagd auf die Attentäter
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Die Geiselnahme in dem jüdischen Geschäft legte weite Teile des Viertels Porte de Vincennes lahm. Schüler in dem Gebiet mussten in den Gebäuden bleiben. "Die ganze Schule ist in Panik", berichtete ein Schüler. Die Attacke auf den Laden hat auch die Ängste der jüdischen Gemeinde in der Stadt erheblich verstärkt. "Es war noch nie so in Frankreich. Wir fühlen uns wie im Krieg, alle haben große Angst", sagte der 54-jährige Maurice.
Einer der Attentäter war offenbar im Terrortrainingslager
Die Brüder Kouachi sollen am Mittwoch schwarz vermummt die Redaktion des Satiremagazins im Herzen der französischen Hauptstadt gestürmt und mit Sturmgewehren um sich geschossen haben. Unter den zwölf Todesopfern waren acht Journalisten von "Charlie Hebdo" und ein weiterer Kollege, der unter anderem für den Radiosender France Inter arbeitete. "Charlie Hebdo" war mehrfach wegen Mohammed-Karikaturen angefeindet worden.
Einer der beiden Attentäter soll auch im vergangenen Jahr in Syrien gewesen sein. Zudem sollen sie Kontakt Al-Kaida im Jemen gehabt haben. Said Kouachi soll in einem Terrortrainingslager im Jemen gewesen sein.
Suche nach Hintermännern
Nach dem Ende der beiden Geiselnahmen suchen französische Ermittler nach möglichen Hintermännern der drei getöteten islamistischen Attentäter. Fünf Personen seien in Polizeigewahrsam, sagte Staatsanwalt François Molins am späten Freitagabend in Paris.
Die Fahnder wollen herausfinden, woher die Waffen der Terroristen stammten und ob die Männer Anweisungen erhielten, "aus Frankreich, dem Ausland oder dem Jemen", wie der Staatsanwalt sagte.
Merkel reist nach Paris
Zu einem Solidaritätsmarsch für die Opfer des Anschlags auf "Charlie Hebdo" wollen am Sonntag zahlreiche europäische Regierungschefs in die französische Hauptstadt kommen. Neben EU-Kommissionspräsident Jean Claude Juncker, EU-Ratspräsident Donald Tusk und der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini sagten auch Bundeskanzlerin Angela Merkel, Großbritanniens Premier David Cameron, Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy, sein italienischer Kollege Matteo Renzi und Belgiens Premier Charles Michel ihre Teilnahme zu. "Es ist ein wichtiges Zeichen deutsch-französischer Freundschaft, dass wir in diesen Stunden zusammenstehen", sagte Merkel am Abend in Hamburg. (dpa)
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