Essen. Die Anschläge von Paris sind Wasser auf die Mühlen der Pegida – da sind sich Experten und Islamverbände einig. Jetzt brauche es eines: Zusammenhalt.
Der Religionssoziologe Prof. Rauf Ceylan von der Uni Osnabrück sieht in den Anschlägen auf das Satire-Magazin "Charlie Hebdo" in Paris eine große Gefahr für das christliche-muslimische Zusammenleben in Deutschland: "Die Pegida-Bewegung wird aus den Anschlägen politisches Kapital schlagen und sie instrumentalisieren." Beide extremen Gruppierungen – Islamisten und Pegida – schaukelten sich gegenseitig hoch und spielten sich die Bälle zu. Die Gruppen hätten viel gemeinsam, so Ceylan: "Beide gehen von einem Kampf der Kulturen aus. Die einen halten ein Zusammenleben mit den anderen für unmöglich."
Das sei ein gefährliches Gemisch, so Ceylan: Religiöse Extremisten auf der einen Seite, Pegida auf der anderen Seite – und die Mehrheit der muslimischen Bevölkerung in Deutschland stehe dazwischen. Jetzt sei es an Medien und Politik, die Konfliktlinien aufzubrechen, fordert der Religionssoziologe. "Nur so lässt sich eine Eskalation verhindern. Wenn sich aber ein Politiker hinstellt und sagt, er könne die Ängste der Pegida-Demonstranten nachvollziehen, dann ist das ein fatales Signal. Jetzt müssen alle demokratischen Kräfte an einem Strang ziehen – denn das ist nur der Anfang."
"Gewalt nicht mit Gewalt beantworten"
Auch Ditib-Vize Dr. Bekir Alboğa fürchtet eine Spirale der Gewalt: "Jetzt sind die Muslime und Moscheen in Frankreich Oper von Übergriffen. So etwas darf nicht sein. Gewalt darf man nicht mit Gewalt beantworten, denn eine Gewaltspirale schadet uns allen nachhaltig. Sie verletzt uns tiefer als der terroristische Akt selbst." Es spalte die Gesellschaft, wenn friedliebende Muslime unter Generalverdacht gestellt würden, so Alboğa. Es reiße tiefe Wunden – aber es gebe nun mal "keine Alternative zum Dialog."
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Die einzig richtige Haltung gegen Terrorismus, so Alboğa, seien "eine gemeinsame Stimme, gesellschaftlicher Zusammenhalt und die Ächtung von Gewalt und Terrorismus – aus welcher geistigen Haltung und Verblendung heraus dies auch geschehen mag, gegen wen auch immer sie sich richtet!" Meinungsvielfalt und Meinungsfreiheit seien ein wichtiges Gut in jeder Religion und Demokratie. "Das sind Grundpfeiler der zwischenmenschlichen Interaktion."
Auch die anderen großen muslimischen Verbände in Deutschland verurteilen das Attentat auf "Charlie Hebdo" in Paris.
Alevitische Gemeinde: "Satire muss Spiegel vorhalten"
Die Alevitische Gemeinde Deutschland meint, der Anschlag lasse sich durch keine Weltanschauung rechtfertigen. In einer Mitteilung schreibt der Verband: "Satire muss uns als Gesellschaft immer wieder auch einen Spiegel vors Gesicht halten dürfen, um Missstände, Probleme und Herausforderungen in unserer Mitte, die wir angehen müssen, anzuprangern. Als Demokratinnen und Demokraten, als Menschen, als Gesellschaft, müssen wir diesen beißenden Spott und diese Überspitzungen aushalten können. Mehr noch: Wir sollten uns selbst immer wieder die Frage stellen, ob sich nicht im Kern dieser Satire ein Ansatzpunkt finden lässt, damit wir uns individuell und als Gesellschaft immer wieder neu aufstellen können.
"Charlie Hebdo" nahm in seiner Satire nie ein Blatt vor den Mund und dabei religiöse Fanatiker, Politiker, Unternehmer und Rechtsextreme – gleich welcher Couleur – mit immer gleich spitzer Feder aufs Korn. Obwohl das Satiremagazin seit dem Abdruck der Mohammed-Karikaturen des dänischen Karikaturisten Kurt Westergaard immer wieder bedroht und angegriffen wurde und einzelne Mitarbeiter wie der gestern ebenfalls getötete Zeichner Stéphane Charbonnier („Charb“) unter Polizeischutz standen, ließ sich das Magazin nie mundtot machen. Diesem mutigen Einsatz für die Verteidigung der freien Meinungsäußerung und der journalistischen Freiheit gebührt unser vollster Respekt! Jeder von uns, der diese Werte teilt, ist heute und für die Zukunft ein Charlie Hebdo! Unser herzlichstes Beileid gilt den Angehörigen der Getöteten, die bis zuletzt diesen Werten und Überzeugungen treu geblieben sind."
Liberal-Islamischer Bund: "Meinungsfreiheit ist ein hoher Wert"
Der Liberal-Islamische Bund (LIB) distanzierte sich vehement von den Attentätern aus Paris: "Ganz gleich, welchen Hintergrund dieses Verbrechen hat: So kann niemand das mit irgendeiner Ideologie oder Religion rechtfertigen. Die Meinungsfreiheit ist ein hoher Wert, den auch wir als Musliminnen und Muslime hoch schätzen und nicht beeinträchtigt wissen wollen. Unsere Gedanken gelten den Opfern und den Hinterbliebenen."
Ditib: "Niederträchtig und absolut inakzeptabel"
Die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (DITIB) verurteilt den Anschlag "aufs Schärfste". In einer öffentlichen Mitteilung heißt es: "Diesen Terroranschlag [...] bewerten wir als Angriff auf die Menschheit. Dies ist niederträchtig und absolut inakzeptabel. Unser aller Schöpfer gebietet die Achtung seiner vielfältigen Schöpfung. Die Unverletzlichkeit des Menschen, seiner Würde und seiner Integrität sind darin zentral. Wir teilen den Schmerz der Menschen in Frankreich und der Angehörigen derer, die bei diesem terroristischen Angriff ihre Leben verloren haben."
Zentralrat der Muslime: "Muslimische Prinzipien in den Dreck gezogen"
Der Zentralrat der Muslime in Deutschland ist erschüttert von diesem "abscheulichen Terroranschlag": "Wir sind schockiert über das Massaker [...] und trauern mit den Hinterbliebenen. Es gibt in keiner Religion und keiner Weltanschauung auch nur einen Bruchteil einer Rechtfertigung für solche Taten. Dies ist ein feindlicher und menschenverachtender Akt gegen unsere freie Gesellschaft. Durch diese Tat wurde nicht unser Prophet gerächt, sondern unser Glaube wurde verraten und unsere muslimischen Prinzipien in den Dreck gezogen. Es ist zu befürchten, dass der Anschlag neues Wasser auf die Mühlen von Extremisten jeglicher Couleur sein wird. Wir rufen alle dazu auf, dem perfiden Plan der Extremisten nicht auf dem Leim zu gehen, die die Gesellschaft spalten, Hass und Zwietracht zwischen den Religionen schüren und die überwältigende Mehrheit der friedlichen Gläubigen zu Paria der Gesellschaft machen wollen.“