New York. Ohne Angabe von Gründen entschied in den USA eine Geschworenen-Jury, den Tod eines Schwarzen bei einem Polizeieinsatz nicht vor Gericht zu bringen.
Für Barack Obama war ein Ausweg, um nicht wirklich Flagge zeigen zu müssen. Nach Ferguson, wo bis zuletzt strittig blieb, was Zeugen bei der tödlichen Konfrontation zwischen dem 18-jährigen Schwarzen Michael Brown und dem weißen Polizisten Darren Wilson wirklich gesehen hatten, propagierte Amerikas Präsident die Anschaffung von 50 000 „Bodycams“. Mini-Kameras, die am Revers von Polizisten befestigt werden. Damit prekäre Begegnungen mit dem Bürger eindeutig gefilmt werden können. In New York hatten Tausende Demonstranten für derlei technische Nachrüstungsvorschläge aus dem Weißen Haus am Mittwochabend nur Hohn und Spott über.
Kurz zuvor hatte eine Geschworenen-Jury ohne Angabe von Gründen entschieden, dass der auf einem Video dokumentierte und von einem Polizisten herbeigeführte Erstickungstod des 43-jährigen Schwarzen Eric Garner nicht vor Gericht landet. Überall in der Millionen-Metropole und in vielen anderen Städten der USA kam es spontan zu lautstarken Protesten, Verkehrsbehinderungen und Wutausbrüchen. Allein in New York wurden 83 Menschen festgenommen.
Sechsfacher Vater besserte mit Zigarettenverkauf Familienkasse auf
Mit seinen 1,90 Meter und 159 Kilogramm war Eric Garner eine feste Größe am Tompkinsville Park in Staten Island. Regelmäßig versuchte der sechsfache Vater dort mit dem Verkauf von Zigaretten, Stückpreis 50 Cent, die Familienkasse aufzubessern. Verbotenerweise. Im „Big Apple“, wo die Schachtel 14 Dollar und mehr kostet, will allein der Fiskus an der Sucht verdienen.
Am 17. Juli war „Big E.“ zwar in seinem Kiez, aber nicht bei der Arbeit, als er auf Officer Daniel Pantaleo und dessen Kollegen traf. „Lasst mich doch in Ruhe, ich mach‘ hier nun mein Ding“, konnte Garner noch sagen. Dann waren die „Cops“ schon über ihm, rangen ihn brutal nieder. Allen voran: Officer Pantaleo. Obwohl das Handbuch der New Yorker Polizei seit 20 Jahren den „chokehold“ verbietet, nahm er Garner in den Schwitzkasten. Auf einem Video hörte man das Opfer mehrfach keuchen: „Ich kriege keine Luft“. Als die Beamten von dem leblosen Körper abließen und den Notarzt riefen, war es bereits zu spät. Garner starb kurz danach im Krankenhaus. Er hatte Herzprobleme und Asthma.
Bei der „Klarheit der Indizien“ erwartete selbst das Recht und Ordnung stets verteidigende Boulevard-Blatt New York Daily News zumindest einen Prozess gegen Pantaleo. Dass er ausbleibt, hält das Blatt für ein „schwerwiegendes Fehlurteil". Die New York Times spricht sogar von „bösartiger Polizeiarbeit“ und fordert ein Berufsverbot für Pantaleo.
Jury legt nicht offen, wie es zum Vor-Urteil kam
Wie die Jury zu ihrem Vor-Urteil gekommen ist, wollte der zuständige Staatsanwalt Daniel Donovan nicht erklären. Garners Stiefvater empörte sich über die Geheimniskrämerei: „Das ist die Lizenz zum Töten eines schwarzen Mannes.“ Pantaleo bedauerte den tödlichen Ausgang. Er habe niemandem wehtun wollen, soll er in der geheimen Anhörung vor der Jury gesagt haben. Garners Witwe Esaw nahm die Entschuldigung nicht an: „Ich werde für Gerechtigkeit kämpfen, solange ich atmen kann.“
Ihre Hoffnungen ruhen auf Washington. Justizminister Eric Holder lässt untersuchen, ob die Bürgerrechte Garners verletzt wurden. Falls ja, kann die Regierung den Polizisten anklagen. New Yorks Bürgermeister Bill de Blasio ließ Sympathie dafür durchblicken. „Das Ergebnis von heute ist eines, das viele in unserer Stadt nicht wollten“, kommentierte er den Spruch der Jury. De Blasio ist mit einer schwarzen Schriftstellerin verheiratet, seine Kinder Chiara und Dante sind dunkelhäutig. Neues Vertrauen herzustellen zwischen Bevölkerung und Polizei, war sein Wahlversprechen. Heute herrschen Zwietracht und Hass.
Für den schwarzen Bürgerrechtler Al Sharpton ein „landesweites Problem“, das eine Hauptstadt-Antwort erfordere. Nächster Halt: 13. Dezember. Washington. Groß-Demonstration.