Essen. . Noch sind die Bewahrer unter den Bischöfen in der Mehrheit – aber die Reformer werden ungeduldig. 2015 entscheidet über den künftigen Kurs.
Modernisierer gegen Bewahrer – ein Streit, der in der katholischen Kirche seit langem schwelt, beschäftigt zunehmend auch die Bischofskonferenz. Zwar bilden in dem höchsten katholischen Gremium Deutschlands die Reformer immer noch eine Minderheit. Doch die zuletzt deutlich gestiegene Zahl von Kirchenaustritten, der schleichende Tod vieler Pfarrgemeinden vor Ort sowie der schmerzliche Bedeutungsverlust der Kirche in politisch-gesellschaftlichen Debatten erhöhen den Reformdruck auch auf die konservativen Oberhirten.
Bisher scheuen die Erneuerer, zu denen etwa der Essener Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck oder der Bischof von Osnabrück, Franz-Josef Bode, zählen, die offene Konfrontation – auch angesichts der Mehrheitsverhältnisse in der Bischofskonferenz. Doch sie werden ungeduldig – und mutiger.
"Kirche darf nicht die Kirche von gestern sein"
„Ich glaube, wir Katholiken sind viel zu sehr mit uns selbst beschäftigt. Dadurch bekommen wir gar nicht mehr mit, was die Menschen um uns herum bewegt. ... Die Welt hat sich verändert und die Menschen denken und leben heute anders. Darum kann die Kirche von heute und morgen nicht mehr die Kirche von gestern sein.“ Das Zitat stammt von Klaus Pfeffer, Generalvikar des Bistums Essen. Als Verwaltungsleiter ist er Stellvertreter des Bischofs und man darf vermuten, dass er diese Aussagen im Bistums-Magazin „Bene“ nicht ohne Rücksprache mit Bischof Overbeck machte.
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Pfeffer fasst in diesen wenigen Sätzen das Dilemma zusammen. Die Institution Kirche – katholisch wie evangelisch – verliert rasant an gesellschaftlicher Bedeutung. Immer weniger Menschen können mit den biblischen Botschaften etwas anfangen, in Fragen der Moral gilt die Kirche bei der großen Mehrheit der Bevölkerung als antiquiert und wird vielfach mitleidig belächelt. Trotzdem klammert sich die Mehrzahl der Geistlichen an die alten Lehrsätze und Traditionen, die selbst viele Kirchgänger für überkommen halten. „In weiten Teilen der Bischofskonferenz wird die Entwicklung einfach ausgeblendet“, sagt resigniert ein Insider.
Kein Fortschritt beim Umgang mit Wiederverheirateten
Große Hoffnungen setzten die Erneuerer auf die Synode im Oktober in Rom, als Bischöfe aus aller Welt unter Leitung von Papst Franziskus über das Familienbild der Kirche berieten. Zwar zeigten sich viele Teilnehmer begeistert über den offenen Ton, der bei den Beratungen herrschte – in der Sache aber behielten die konservativen Kräfte am Ende die Oberhand.
In wichtigen Punkten, bei denen die Fraktion der Modernisierer auf eine Lockerung der kirchlichen Regeln gesetzt hatte, gab es keine Fortschritte. Etwa beim Umgang mit wieder verheirateten Geschiedenen. „Es gibt da eine große Kluft zwischen der Lehre der Kirche und der Lebenswirklichkeit der Gläubigen. Darauf müssen wir reagieren“, hatte zu Beginn der Synode der Osnabrücker Bischof Bode mit Blick auf das katholische Familienbild gemahnt. Auch das Zentralkomitee der deutschen Katholiken erwartete von der Bischofs-Tagung in Rom, „dass sie ihre derzeitige Verkündigung zu Fragen der Ehe und zur Sexualität grundlegend neu bedenkt“. Vergeblich.
Auch eine veränderte Haltung gegenüber Homosexuellen, für die Bischof Overbeck mit dem Dialogprozess im Ruhrbistum Maßstäbe gesetzt hat, war bei der Synode nicht durchzusetzen. „Zwei Schritte vor, einen zurück“, beschrieb Reinhard Kardinal Marx, Chef der Deutschen Bischofskonferenz, den Ablauf der Synode.
„Schleifen drehen. Vor und zurück“
Marx gilt in der Riege der Bischöfe als vorsichtiger Reformer. So überließ er es einer Mitarbeiterin, deutlicher zu werden. In der zweiten, entscheidenden Woche der Synode habe „nicht mehr die Lebenswirklichkeit der Menschen im Vordergrund gestanden, sondern eine eher bewahrende Haltung“, bilanzierte ernüchtert Ute Eberl. Die Theologin nahm als Auditorin an der Synode teil und beschreibt deren Ablauf so: „Vor und zurück, Schleifen drehen, wieder vor und zurück.“ Da könne man „schon mal ungeduldig werden“.
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2015 wird zum Jahr der Kursbestimmung für die Katholiken – Öffnung oder Weiter so. Die Reformer hoffen auf die Synode im Herbst, wenn es erneut um das zentrale Thema Familie geht. So auch der Essener Generalvikar Pfeffer, der unter anderem einen „neuen Weg“ bei der Zulassung von Wiederverheirateten zu den Sakramenten fordert. Pfeffer spricht zweifellos für viele in der katholischen Kirche, wenn er sagt: „Wenn es im nächsten Jahr heißt, alles bleibt wie es ist, dann wäre das fatal.“