Berlin. . Die Bahn will Wirtschaftsgeschichte schreiben: 1,76 Milliarden klagt der Konzern bei Fluggesellschaften ein, die sie mit Luftfrachttarifen betrogen haben sollen. Das Bundesunternehmen setzt auf Abschreckung.
Ein Briefumschlag reicht da nicht: 50 Umzugskisten voller Dokumente wird die Deutsche Bahn an diesem Montag am Kölner Landgericht abladen. In dem Lastwagen der Frachttochter DB Schenker: Eine umfassende Klageschrift und Tausende weiterer Dokumente. Die Bahn will gegen etliche Fluggesellschaften vor Gericht ziehen. Sie will Wiedergutmachung von einem der "größten Kartelle in der Wirtschaftsgeschichte", wie der Konzern mutmaßt.
Allein von der Lufthansa und zehn weiteren Airlines will das Bundesunternehmen 1,76 Milliarden Euro Schadenersatz. Die Bahn bestätigte am Sonntag entsprechende Informationen der "Wirtschaftswoche". Weitere Verfahren sollen die Einnahmen auf mehr als zwei Milliarden Euro treiben. Es ist nicht der erste Fall, in dem die Bahn Kartellsünder zur Kasse bittet. Aber in dieser Größenordnung hat sie es bisher nicht versucht.
Als sich die Fluggesellschaften sich zur Preisabsprache trafen sollen sie das intern als "Kaffeerunde" getarnt haben. Die Airlines sollen sich über Kerosinzuschläge wegen rasant steigender Ölpreise und Sicherheitszuschläge nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 verständigt haben.
Die Airlines hätten Schenker für Frachtflüge zu viel berechnet
Ziel soll es gewesen sein, einheitliche Preise für die Luftfracht anzubieten. Damit haben sie nach Meinung der Bahn von 1999 bis 2006 die Bahn-Tochter Schenker als Luftfrachtspediteur geschädigt. Der Vorwurf: Die Lufthansa und andere Airlines hätten Schenker für Frachtflüge zu viel berechnet.
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Die Absender der 50 Umzugskartons sitzen in der gläsernen Bahnzentrale in Berlin. Eine Sondereinheit von sechs Juristen kämpft seit einem guten Jahr unter dem internen Kürzel CRK4 um Schadenersatz für Kartelle. Mehr als 60 Kartelle hat CRK4 im Blick, in knapp jedem dritten Fall dringt die Bahn schon auf Schadenersatz: eine Milliarde Euro insgesamt, mit Zinsen möglicherweise zwei - und das ohne das Cargo-Kartell.
Das Bußgeld geht in den Staatshaushalt
Viele andere deutsche Unternehmen überlassen die Ermittlungen allein dem Bundeskartellamt - das Bußgeld geht dann aber in den Staatshaushalt. "Geschädigte Unternehmen haben davon nichts", erklärte Tilman Makatsch, der leitende Bahn-Kartellermittler kürzlich im Interview der Deutschen Presse-Agentur. Das soll ein Ende haben. Denn die Bahn wird immer wieder Opfer von Preisabsprachen - sei es bei Bahnsteigkanten, Rolltreppen, Kaffee für Speisewagen oder durch überhöhte Gebühren von Kreditkartenanbietern.
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Damals hatte die Lufthansa selbst das Kartell auffliegen lassen. Wegen der Kronzeugenregel sei die Airline weltweit von allen Bußgeldern freigesprochen worden, sagte ein Unternehmens-Sprecher am Sonntag.
Doch die Fluggesellschaft ahnte, dass das Kapitel dennoch nicht geschlossen war. So fand man noch im Geschäftsbericht 2013 auf Seite 185 das Kapitel: "Risiko aus erfolgreicher Durchsetzung zivilrechtlicher Schadensersatzansprüche in einem laufenden Kartellverfahren." Der Konzern weist darin vorsorglich auf ein Gutachten hin, wonach bei Kunden - also auch bei Schenker - kein Schaden durch das Kartell entstanden sei. Und selbst wenn dem doch so sei, so heißt es weiter, müsse geprüft werden, ob der Schaden nicht über höhere Preise an die Endkunden weitergeleitet wurde.
Viel zu tun also für die Kölner Richter. Ob das Verfahren überhaupt bis zum Urteil kommt, ist offen. Die Bahn setzte bislang auf Vergleiche. Acht Fälle brachten ihr nach eigenen Angaben einen dreistelligen Millionenbetrag ein. Ein lohnendes Geschäft, wie Makatsch betont. "Das Verhältnis Aufwand-Ertrag ist mindestens eins zu zehn." (dpa)