Berlin. . Nach 13 Jahren Bundeswehreinsatz in Afghanistan und Hilfszahlungen in Milliardenhöhe hat die Bundesregierung eine zwiespältige Zwischenbilanz gezogen. So gebe es Fortschritte, etwa bei Bildung und Lebensqualität. Doch die Taliban seien weiterhin ein Machtfaktor.

Es war die bislang größte und opferreichste Mission der Bundeswehr: Der Nato-Kampfeinsatz in Afghanistan, an dem sich Deutschland mit bis zu 5350 Soldaten beteiligte, geht am 31. Dezember zu Ende. Am Mittwoch zog die Bundesregierung eine zwiespältige Zwischenbilanz des 13-jährigen Engagements am Hindukusch – und stellte die Weichen für die Beteiligung an einer neuen Ausbildungsmission in Afghanistan mit 850 Soldaten.

Das Fazit ist ernüchternd, daraus macht die Regierung keinen Hehl: Zwar listet das offizielle Zwischenfazit Fortschritte etwa bei der Demokratisierung, der Lebensqualität und der Menschenrechtslage Afghanistans auf. Das Land sei heute „in weit besserer Verfassung“ als zu Beginn der Mission 2001. Doch ebenso klar werden gravierende Misserfolge benannt.

Auch interessant

Vergeblicher Kampf gegen Drogen

Die Sicherheitslage sei angespannt und in den Rückzugsgebieten der Taliban nicht kontrollierbar, der Kampf gegen den Drogenanbau habe wenig gebracht, die wirtschaftliche Lage bleibe aller Unterstützung zum Trotz kritisch, Korruption behindere die Entwicklung. „Viel wurde erreicht, aber wir sind noch lange nicht am Ziel“, heißt es in dem Bericht, der von „erheblichen und schmerzlichen Lücken“ gegenüber den angestrebten Zielen spricht.

Als Versäumnis gilt in der Regierung inzwischen, die Taliban lange als politischen Faktor unterschätzt und erst spät an Gesprächen beteiligt zu haben. Noch immer seien sie „eine erhebliche Bedrohung“. Doch dass die Taliban nach dem Abzug der Nato das Land überrollen und wieder die Macht übernehmen könnten, sei nicht zu befürchten, versichern Regierungsexperten.

Zu hohe Erwartungen

Dafür wäre der Aufwand auch zu hoch gewesen: 3300 Soldaten der internationalen Schutztruppe kamen bei dem Einsatz ums Leben, davon 55 Bundeswehrangehörige. Die Militärmission kostete den Bund nach früheren Angaben rund acht Milliarden Euro, mit knapp drei Milliarden Euro beziffert die Regierung nun die bisher geleistete Wiederaufbauhilfe aus Deutschland.

Die internationale Unterstützung habe dazu beigetragen, dass die durchschnittliche Lebenserwartung der Afghanen von 45 auf 60 Jahre stieg und heute knapp neun Millionen Kinder und Jugendliche eine Schule besuchen – zu Beginn des Einsatzes waren es nur eine Million Schüler.

Auch interessant

Ob sich das Engagement gelohnt habe, könne aber erst in ein paar Jahren bewertet werden, heißt es in dem Bericht. Man dürfe die Mission „nicht voreilig als gescheitert abschreiben“, hat Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) vor Kurzem gewarnt. Seine Analyse lautet: „Der größte Fehler war, zu hohe Erwartungen zu wecken – und dafür zu geringen Aufwand zu treiben.“ Man habe nicht nur die Sicherheitsbedrohung ausschalten wollen, das Land sollte „im Eiltempo in eine Zukunft nach unseren Vorstellungen“ geführt werden.

Einheimische sind nun gefragt

Der Bericht bleibt bei den Schlussfolgerungen für künftige Fälle verhalten, auch wenn offenkundig ist, dass die Erfahrung in Afghanistan die deutsche Zurückhaltung bei Kampfeinsätzen wieder erhöht hat. Für die neue Anschlussmission der Bundeswehr gilt ohnehin: Die Truppe soll in Afghanistan nicht kämpfen, nur ausbilden. 850 Soldaten werden nächstes Jahr noch im Land bleiben, derzeit sind es 1500.

Sie werden Offiziere schulen, aber auch Soldaten im Umgang mit Waffen trainieren. Das Gefechtsfeld sollen sie nicht suchen. Zum Schutz stehen Kampftruppen und Hubschrauber bereit, falls die Soldaten in Kämpfe verwickelt werden. Der Bundestag soll das Mandat im Dezember beschließen.

Für die Sicherheit in Afghanistan sollen prinzipiell einheimische Kräfte sorgen. Die Deutschen werden in Masar-i-Scharif und ab 2016 nur noch in Kabul stationiert sein. 2017 soll Schluss sein. So planen es die USA. Sie stellen den Großteil der Mission mit insgesamt 12.000 Soldaten aus 20 Ländern.