Dresden. . Der bayerische Landesbischof Bedford-Strohm ist neuer Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland und Repräsentant der 23,4 Millionen Protestanten. Vorgänger Nikolaus Schneider hatte das Amt niedergelegt, um seine kranke Frau zu pflegen. Der neue Spitzenmann will Impulsgeber sein.
Er ist talkshow-tauglich, kann sich gut in Szene setzen und aus dem Stand heraus druckreif reden: Heinrich Bedford-Strohm (54) ist das neue Gesicht der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Das Kirchenparlament wählte gestern in Dresden den bayerischen Landesbischof mit großer Mehrheit zum neuen Ratsvorsitzenden und Nachfolger von Nikolaus Schneider.
Schneider war aufgrund der schweren Erkrankung seiner Frau ein Jahr vor Ablauf seiner Amtszeit zurückgetreten.
Bedford-Strohm kündigte nach seiner Wahl an, er werde die Kirche aktiv in die politische Debatte einbringen: „Wir wollen öffentliche Kirche sein. Wir wollen uns in den öffentlichen Diskurs einmischen.“
Pflicht der Kirche zur Mitgestaltung
Man wolle sich nicht aufspielen „als die besseren politischen Kommentatoren, sondern aus einer klaren geistigen Motivation heraus zu den Fragen unserer Zeit reden“. Bei den großen ethischen Debatten stehe die Kirche in der Pflicht zur Mitgestaltung, befand der neue Mann an der Spitze der Protestanten.
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„Wir sind jetzt in der heißen Phase der Vorbereitung auf das Reformationsjubiläum“, sagte Bedford-Strohm. Es solle ein Fest mit einem ökumenischen und internationalen Horizont werden: „Dass wir dabei auch der Wunden gedenken, die die Kirchenspaltung geschlagen hat, steht dazu in keiner Weise im Widerspruch. Ich möchte, dass wir uns an dem freuen, was uns die reformatorische Tradition geschenkt hat.“ Das Jahr 2017 könne eine große ökumenische Chance bieten.
Liberal, weltoffen, kommunikativ
Der neue EKD-Chef erinnert in manchem an Wolfgang Huber, einen seiner Vorgänger, bei dem er 1992 an der Universität Heidelberg promovierte. Er steht für einen liberalen, weltoffenen, kommunikativen und ökumenischen Kurs. Von München aus will er zusammen mit dem Vorsitzenden der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, dem Münchner Kardinal Reinhard Marx, die Zusammenarbeit der christlichen Konfessionen vorantreiben. Die Chancen dafür stehen nicht schlecht. Bedford-Strohm versteht sich gut mit Marx. Beide waren Professor für christliche Soziallehre bzw. Sozialethik. Beide bewundern Papst Franziskus, der überkommene kirchliche Strukturen umwälzt und für soziale Gerechtigkeit kämpft. Gut möglich, dass beide nun gemeinsam den Papst zur 500-Jahr-Feier der Reformation 2017 nach Deutschland einladen.
Wenn der neue EKD-Chef über Franziskus spricht, dann leuchten seine Augen. Er traut ihm noch viele Überraschungen zu - und weiß zugleich: Das Amt des Papstes als Oberhaupt der katholischen Kirche mit höchster Rechtsgewalt ist das größte Hindernis für eine Wiedervereinigung der Kirchen. Bedford-Strohm erinnert aber daran, dass Jorge Mario Bergoglio selber mal - ganz im Sinne der EKD - von einer "versöhnten Verschiedenheit" als Ziel gesprochen hat.
Für Flüchtlinge und Energiewende
Immer wieder schaltete sich Bedford-Strohm in politische Debatten ein. Zum Schutz der Iraker vor den IS-Terrorgruppen sprach er sich für einen internationalen Militäreinsatz aus. Angesichts wachsender Flüchtlingszahlen forderte er mehr Tempo bei der Umwandlung leerstehender Kasernen. Auch bei der Energiewende sieht er großen Handlungsbedarf: Er vermisst einen „grundlegenden ökologischen Wandel, den wir in der Wirtschaft brauchen“.
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Bedford-Strohm ist seit 25 Jahren mit der Psychotherapeutin Deborah Bedford-Strohm aus Boston (USA) verheiratet. Sie haben drei Söhne. Eine nicht ganz, aber doch eher traditionelle Familie. Dennoch verteidigt der gebürtige Memminger die umstrittene "Orientierungshilfe" der EKD, die Patchwork-Familien und homosexuelle Partnerschaften aufgewertet hatte. Die katholische Kirche habe auf ihrer jüngsten Bischofssynode zum Thema Ehe und Familie im Grunde das nachgeholt, was die EKD bereits 2013 formuliert habe, meint er.
Bedford-Strohm, der am 30. März 1960 in einer Pfarrersfamilie zur Welt kam, studierte Theologie in Erlangen, Heidelberg und Berkeley (USA). Bis 2004 arbeitete er als Pfarrer in Coburg (Oberfranken). In seiner Habilitationsschrift untersuchte er den "sozialen Zusammenhalt in der modernen Gesellschaft". Kein Wunder also, dass er die sozialen Netzwerke schätzt: Schon seit Jahren postet er seine Fotos, Termine und Gedanken auf Facebook. In seiner Freizeit spielt er Fußball, Geige und tanzt gerne. Doch dafür wird er nun kaum noch Zeit haben. (mit dpa)