Washington. . Barack Obama handelt schnell und geschmeidig. Kaum zeichnet sich in der Wahlnacht die Klatsche ab, streckt er die Hand zu den Republikanern aus. Schon am Freitag sollen die Führer der Parteien ins Weiße Haus kommen. Wie ist die Lage nach dem Wahldebakel? Welche Spielräume hat Obama? Ein Überblick.

Am Freitag gibt es viel zu besprechen im Weißen Haus. US-Präsident Barack Obama lädt den strahlenden Sieger der Kongress-Wahl ins Oval Office ein. Es werden Gespräche aus einer Position der Schwäche heraus. Obama kriegt es auf der Schlussetappe seiner zweiten Amtszeit mit einer auf Krawall gebürsteten republikanischen Mehrheit in beiden Kammern des Parlaments zu tun.

Gegen den Willen der Konservativen geht künftig fast nichts mehr. Obama reichte dem Sieger notgedrungen die Hand und rief im Namen der Demokraten zum Kompromiss auf. Erfolgsaussichten? Zurzeit dürftig.

Die Lage nach der Wahl

Die Republikaner haben ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus ausgebaut. Dort sitzen jetzt so viele „rote“ Abgeordnete wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Durch Siege in Arkansas, Montana, Colorado, West Virginia, South Dakota, Iowa und North Carolina haben die Konservativen auch die Mehrheit im Senat zurückerobert und geben dort mit mindestens 52 Stimmen den Ton an. Drei Bundesstaaten waren am Donnerstag zunächst noch offen.

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Die Ursachen

Die Republikaner haben nicht von eigener Stärke profitiert. Allgemeiner Überdruss in der Bevölkerung über die „Nichtsnutzigkeit“ (Washington Post) des parlamentarischen Betriebs in der Hauptstadt gab den Ausschlag. Sechs von zehn Wählern empfinden das Land pauschal „auf dem falschen Weg“.

Drei von zehn wollten Denkzettel verteilen. Adressat: Obama. Fehler in der Regierungspolitik des Weißen Hauses – von der Etablierung der Gesundheitsreform bis hin zu diversen Skandalen – und außenpolitische Schwächen in der Ukraine wie in Syrien machten Obama zu einer veritablen Zielscheibe.

Wie geht es jetzt weiter?

Die Republikaner können in beiden Kammern des Parlaments nach Gusto Gesetze anschieben. Wichtige Personalien stehen unter Parlamentsvorbehalt. Obama bleibt im Prinzip nur noch das präsidiale Veto. Oder das Recht der besonderen Verordnung. In beiden Fällen hat das Parlament das allerletzte Wort. Oder im Zweifel der Oberste Gerichtshof.

Die Kompromisslinien

Beide Parteien hadern mit der als zu hoch erachteten Unternehmenssteuer. Weil große US-Konzerne aus Steuergründen ihre Holdings ins Ausland (Kanada, Irland) verlagern, wächst der Reformdruck. Einigungspotenzial: hoch. Auch bei der Einschätzung, dass Straßen, Brücken, Energie-Netze und Schulen dringend modernisiert werden müssen, gibt es Übereinstimmung. Nur woher das Geld kommen soll, ist strittig.

Verhärtete Fronten

Obama wird nicht zulassen, dass seine bahnbrechende Gesundheitsreform geschreddert wird. „Obamacare“ abzuschaffen, ist jedoch gängige Wahlkampfprosa des populistischen Flügels der Republikaner. Sollte die Partei das Thema anfassen, ist Feuer programmiert. Prognose: Sie werden es, bis auf Symbolik, nicht tun.

Auch bei der Frage, wie Amerika mit zwölf Millionen illegalen Einwanderern, seinen Rekordschulden oder der umstrittenen Öl-Pipeline Keystone XL umgehen soll, ist keine Einigkeit in Sicht. Obamas Eintreten für einen gesetzlichen Mindestlohn, staatlich finanzierte Kindergärten und die radikale Reduzierung von Treibhausgas-intensiver Industrie ist den Konservativen ebenfalls ein Dorn im Auge.

Die Außenpolitik

Bei der Werbung für das in Europa umstrittene Handelsabkommen TTIP erleichtert die Wahl Obama das Tagesgeschäft. Auch die Republikaner sind dafür.

Für den Fall, dass der Präsident im Kampf gegen die IS-Milizen in Syrien und im Irak doch noch US-Bodentruppen entsenden sollte, ist die neue Gemengelage auch hilfreich. Die Konservativen sind eher zur Intervention bereit.

Umgekehrt kann der neue Kongress dem Präsidenten sehr weh tun, wenn es darum geht, einen Kompromiss mit dem Iran in der Atomfrage abzunicken und Sanktionen gegen Teheran zu lockern.

Die Schwäche der Sieger

Sechs Jahre lang haben sich die Republikaner aufs pure Verhindern verlegt und das Gestalten verlernt. Die Botschaft war: Wo Obama draufsteht, ist Widerstand Pflicht. Dafür nahm man sogar in Kauf, das Land an den Rand der Zahlungsunfähigkeit zu manövrieren.

Alle republikanischen Kandidaten, die in Schlüsselstaaten die Nase vorn hatten, haben inhaltlich wenig zu bieten. John Boehner, dem republikanischen Vorsitzenden des Repräsentantenhauses, dämmert das Problem: „Die Verantwortung, die uns das amerikanische Volk übertragen hat, macht uns demütig.“

Der wichtige Faktor Zeit

Spätestens im Sommer 2015 beginnt der Wahlkampf um die Präsidentschaft 2016. Dann setzt in Washington aller Erfahrung nach der Verstand aus. Die politischen Gräben werden tiefer, das Klima automatisch giftig.