Düsseldorf. Neue Töne gab es am Mittwoch im NRW-Landtag von Ralf Jäger. Der Innenminister räumte ein, dass die Einsatzstrategie der Polizei bei den Hooligan-Krawallen doch kein Erfolg gewesen ist. In der nächsten Zeit werden rund 100 Strafverfahren gegen Gewalttäter eingeleitet.

Nach massiver öffentlicher Kritik hat NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) erstmals Zweifel an der Einsatzstrategie der Polizei bei den Kölner Hooligan-Krawallen geäußert. „Die verletzten Beamten, die erschreckenden Bilder der Krawalle – das war für uns kein Erfolg“, räumte Jäger am Mittwoch im Düsseldorfer Landtag ein.

Deshalb habe er vollstes Verständnis für das Entsetzen und die Empörung der Bürger. Jäger rückte damit von seinen umstrittenen bisherigen Äußerungen ab, das Polizeikonzept habe „funktioniert“. Bei den Krawallen waren 49 Polizisten verletzt und zahlreiche Geschäfte geplündert worden.

Der als „Schlagzeilen-Jäger“ bekannt gewordene Innenminister steht seit Wochen unter massivem Druck. Erst die Misshandlungen von Flüchtlingen durch Sicherheitskräfte in NRW-Asylheimen, dann die Ausschreitungen von 4500 Hooligans und Rechtsextremen in Köln.

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CDU-Fraktionschef Armin Laschet betonte, „die größte Demonstration von Rechtsradikalen seit vielen Jahren“ habe dem Bild von NRW nachhaltig geschadet. Der Innenminister konzentriere sich mehr auf die Selbstverteidigung als die Verteidigung des Rechtsstaats. Nach Vorwürfen über zuwenig Beamte vor Ort, nutzte Jäger am Mittwoch die Kölner Polizei als Schutzschild: „Der Polizeiführer hat versichert, das er bereits Tage zuvor von der Teilnahme bis zu 4000 Hooligans ausgegangen ist.“

100 Strafverfahren gegen Gewalttäter erwartet

Jäger erwartet in der nächsten Zeit mehrere 100 Strafverfahren gegen Gewalttäter. Allerdings sei das Ausmaß der Exzesse in Köln nicht vorhersehbar gewesen. Auch vorherige Abfragen bei deutschen Sicherheitsdiensten hätten nicht auf überraschende Gewaltausbrüche hingedeutet.

Aus den Reihen der Polizei hatte es aber Hinweise gegeben, dass die 1300 Polizisten hoffnungslos unterlegen waren, der Einsatz schlecht vorbereitet und die Zahl der Hooligans unterschätzt wurde, während der Minister Probleme mit „Jägerlatein“ schönrede.

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Der FDP-Abgeordnete Marc Lürbke kritisierte, dass Täter ohne Aufnahme der Personalien „freies Geleit“ erhielten, Stühle vor Kneipen und Fahrradständen nicht weggeräumt und Geschäfte geplündert wurden. CDU-Experte Theo Kruse nannte Jäger „ein Sicherheitsrisiko Nr.1“. Der Ruf der Stadt Köln sei beschädigt worden, klagte der CDU-Politiker Werner Lohn.

Jäger warnt vor "neuen Gefahr" für die gesamte Gesellschaft 

Der Innenminister warnte vor einer „neuen Gefahr“ für die gesamte Gesellschaft in Deutschland. Ein Mob aus gewaltbereiten Hooligans fernab von Fußballstadien mit rassistischen Rechtsextremisten und allgemeinen Straftätern sei neu.

Die neue Formation werde durch Islamfeindlichkeit, Fremdenfeindlichkeit und Gewaltbereitschaft zusammen gehalten, sagte Jäger. Es müsse verhindert werden, dass die rechtsextreme Szene diese Formation für ihre Zwecke nutzen könne. Die Innenministerkonferenz plant deshalb länderübergreifende Maßnahmen zur Analyse dieses Phänomens.

Für den FDP-Rechtsexperten Robert Orth war der 26.Oktober in Köln „einer der schwärzesten Tage in der Innenpolitik in NRW“. Falls der Minister sich von der politischen Verantwortung für Skandale wie im Flüchtlingsheim Burbach und die Krawalle in Köln befreien wolle, sei dies möglich, keilte Orth. „Es gibt keine Mindestverweildauer für Minister.“ CDU-Fraktionschef Laschet appellierte an Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD), den Innenminister nicht länger zu decken.

Die Opposition hatte vor allem bemängelt, dass NRW im Vorfeld der Krawalle nicht alle Mittel des Rechtsstaats für Verbote und Auflagen der Demo genutzt habe. Stattdessen habe der Minister den Polizei-Einsatz im Nachhinein noch als Erfolg verkauft. Von dieser Position ist der vom Jäger zum Gejagten gewordene Innenminister gestern deutlich abgerückt.

Berlin gibt 30 Millionen für die Prävention

Bundesfamilienministerin Manu­ela Schwesig (SPD) kündigte gestern in Berlin neue Anstrengungen an, um junge Menschen vor dem Abrutschen in extremistische Milieus zu bewahren – seien es Neo­nazis, Hooligans oder Salafisten. Das Ministerium stellt dafür 30,5 Millionen Euro pro Jahr zur Ver­fügung. Ein Drittel davon fließt in Modellprojekte.

Im Kampf gegen politisch motivierte Ausschreitungen von Hooligans wie zuletzt in Köln, hofft Schwesig auf ein breites Bündnis und sieht auch die Fußballvereine in der Pflicht. Oft personell nur schlecht ausgestattete Fanprojekte hätten zwar gute Kontakte in die Fanszene, die Sozialarbeiter vor Ort könnten die schwierige Arbeit aber nicht allein leisten. „Sie haben ­direkten Anschluss an die Fans, können aber nicht auch noch die gesamte Ausstiegsberatung durchführen“, so die Ministerin. Eine bessere Vernetzung verschiedener Angebote sei hier ein wichtiger Schritt.

Insgesamt fließen rund 20 Millionen Euro der Schwesig-Initiative in bereits bestehende Maßnahmen. Schwerpunkt ist der Kampf gegen extremistischen Salafismus. „Gerade im Bereich des Salafismus haben wir noch wenig Erfahrung. Nur durch Modellprojekte können wir sie sammeln und geeignete Maßnahmen finden“, so die Ministerin.

Die Rolle rückwärts von Jäger - die Zitate im Vergleich 

NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) hat sich zu den Krawallen in Köln vom 26.10. binnen kurzer Zeit völlig unterschiedlich geäußert:

Am 27.10. im ZDF-Morgenmagazin: "Die Lageeinschätzung war ziemlich präzise." Am Mittwoch im Landtag: "Mit dieser massiven Gewalt haben die Sicherheitsbehörden und hat auch das Polizeipräsidium Köln nicht gerechnet."

Am 27.10. im ZDF-Morgenmagazin: "Das Polizeikonzept hat funktioniert." Am Mittwoch im Landtag: "Das war für uns kein Erfolg." (dpa)