Frankfurt/Main. Studien haben gezeigt, dass unsere liebsten Haustiere, Hund und Katze, ihr Spiegelbild nicht erkennen, darin Artgenossen sehen. Besitzen sie keine Selbstwahrnehmung? Psychologieprofessor Helmut Prior erklärt, wie sich die Vierbeiner selbst wahrnehmen und was es mit dem Spiegeltest auf sich hat.
"Ich sollte mal wieder zum Friseur gehen!" - Beim Blick in den Spiegel wissen wir: Das bin ich und so sehe ich aus. Doch bei den engsten tierischen Freunden des Menschen ist das nicht der Fall: Hund und Katze halten das eigene Spiegelbild anfangs oft für einen Artgenossen, beginnen es dann aber meist schnell zu ignorieren.
Studien haben allerdings gezeigt, dass dies nicht generell für Tiere gilt: Manche Arten erkennen sich durchaus selbst im Spiegel, ähnlich wie der Mensch. Doch warum versagen ausgerechnet unsere cleveren Haustiere beim Spiegeltest - ist das der Beweis, dass sie kein Ich-Bewusstsein besitzen?
"Das Bestehen des Spiegeltests gilt zwar als starker Hinweis für das höhere Bewusstsein eines Lebewesens. Das Nichtbestehen beweist aber noch lange nicht das Gegenteil", sagt Helmut Prior vom Institut für Psychologie der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt/Main. "Für Hund und Katze ist dieser Test möglicherweise einfach ungeeignet, weil ein Spiegel nicht zu ihrer Wahrnehmung der Welt passt."
Prior hat selbst 2008 gemeinsam mit Wissenschaftlern der Ruhr-Universität Bochum der kleinen Gemeinde von Tieren, die sich selbst im Spiegel erkennen können, einen neuen Vertreter hinzugefügt: die Elster. Die Forscher hatten die Vögel mit farbigen Punkten am Hals markiert, so dass sie den Tupfer nicht selbst erkennen konnten, und sie dann vor einen Spiegel gesetzt.
Elster versuchten einen Fleck am Hals gezielt zu entfernen
Nachdem sich die cleveren Tiere an das Spiegelbild gewöhnt hatten, versuchten einige, den Fleck mit den Krallen gezielt zu entfernen. Sie mussten also begriffen haben: Diese Elster im Spiegel bin ich und ich habe am Hals einen komischen Fleck. Ähnliche Tests hatten zuvor bereits Menschenaffen, Elefanten und Delfine bestanden. Der Mensch meistert den Spiegeltest übrigens ab einem Alter von etwa eineinhalb Jahren.
Warum andere Arten beim Spiegeltest versagen, darüber lässt sich Prior zufolge nur spekulieren. Auffällig sei allerdings, dass es sich bei den Tieren, die sich selbst im Spiegel erkennen können, um Spezies handelt, die sich sehr intensiv am Verhalten ihrer Artgenossen oder anderer Wesen in ihrer Umwelt orientieren. "Vermutlich haben sie deshalb auch eine Vorstellung von Identitäten einschließlich der eigenen", sagt Prior.
Ein Spiegelbild ist lautlos und riecht nicht
"Zumindest der Hund mit seinem hoch entwickelten Sozialverhalten wäre in diesem Zusammenhang eigentlich ebenfalls ein guter Kandidat für den Erfolg beim Spiegeltest gewesen", ergänzt er. Doch möglicherweise passe das Testsystem einfach nicht zu dem Vierbeiner. Die Lebewesen, die den Spiegeltest bestehen, verlassen sich bei dieser Fähigkeit auf den Sehsinn als primäre Informationsquelle.
"Dass Hunde den Spiegeltest nicht bestehen, könnte daran liegen, dass sie die eigene Identität und die anderer vor allem am Geruch- oder Hörsinn festmachen", sagt Prior. Konkret: Ein Spiegelbild riecht nicht und erzeugt auch keine eigenen Töne, also passt es möglicherweise nicht in die Erlebniswelt des Hundes und wird deshalb ignoriert.
Die meisten Hunde- aber auch Katzenhalter brauchen allerdings keinen Spiegeltest, um zu der Überzeugung zu gelangen, dass ihr tierischer Freund eine selbstbewusste Persönlichkeit ist. "Ob Spiegeltest hin oder her - was in einem Tier wirklich vorgeht und ob dies dem ähnelt, was der Mensch empfindet, bleibt letztendlich ein Mysterium", sagt Prior. (dapd)