Washington. Sie starb so, wie sie sterben wollte. Im Reinen mit sich selbst. Die 29-Jährige Brittany Maynard hat ihrem unheilbaren Krebsleiden ein Ende gesetzt, indem sie sich das Leben genommen hat. Tausende Menschen nahmen Anteil an ihrem Schicksal. Die Debatte für Sterbehilfe hat sie für immer verändert.

Brittany Maynard starb so, wie sie es vor vier Wochen in einem millionenfach angeklickten Internet-Video angekündigt hatte. Im Reinen mit sich und ihren Liebsten. In Frieden. Und nach ihren eigenen Regeln. „Heute ist der Tag, den ich gewählt habe, um angesichts meiner unheilbaren Krankheit in Würde dahinzuscheiden“, schrieb Maynard am Samstag auf ihrer Facebook-Seite. Umgeben von Ehemann Dan, Mutter Debbie, Stiefvater Gary, einer Freundin und leiser Musik nahm die wegen eines aggressiven Gehirntumors zuletzt immer öfter mit schlaganfallähnlichen Krämpfen kämpfende Frau danach in ihrem Haus in Portland/Oregon eine Überdosis Beruhigungsmittel und schlief nach 15 Minuten für immer ein. Für Maynard der einzige Weg, um ihr Leiden zu verkürzen und die persönliche Autonomie zu wahren. Für andere ein Tabubruch.

In Sozialen Netzwerken nahmen weltweit Tausende Anteil an dem öffentlichsten Freitod der letzten Jahre. Meist getragen von Respekt vor der emotional bewegenden Begründung ihrer in dem US-Westküsten-Bundesstaat gesetzlich geschützten Entscheidung. Eine Kontroverse über das Vermächtnis der gebürtigen Kalifornierin, die erst vor wenigen Tagen mit dem Grand Canyon ihren letzten Sehnsuchtsort besucht hatte, wird das nicht verhindern.

Auch interessant

Maynard hat ein jüngeres Publikum erreicht

„Durch ihr Alter, ihre aufgeweckte Art und ihr Aussehen verändert sie die Debatte über Sterbehilfe“, sagt der New Yorker Medizin-Ethiker Arthur Caplan. Maynard wäre in zwei Wochen 30 geworden. Der Altersdurchschnitt der rund 1200 Todkranken, die in Oregon das seit 1997 gültige „Death with Dignity“-Gesetz (Tod in Würde) in Anspruch genommen haben, liegt bei 71. Knapp 750 machten von den tödlichen Pillen (Pentobarbital) Gebrauch, die erst nach Begutachtung von zwei Ärzten verschrieben werden dürfen. Der Rest nahm Abstand oder starb eines natürlichen Todes.

Wie sich Brittany Maynard öffentlich auf ihr Recht berufen hat, einen selbstbestimmten Tod wachsenden Qualen vorzuziehen, erreicht laut Caplan ein jüngeres Publikum, das, sei es Homo-Ehe oder Marihuana-Legalisierung, liberalere Ansichten hege. Und nun versucht sein könnte, den „ärztlichen assistierten Freitod“ landesweit hoffähig zu machen. Bisher haben allein Oregon, Washington State, Vermont, Montana und New Mexiko entsprechende Gesetze. Sieben weitere Bundesstaaten denken darüber nach. Laut Umfragen ist die die Hälfte der Amerikaner dafür, unheilbar Kranken Verfügungsgewalt über den Zeitpunkt ihres Todes zu geben.

Sterbehilfe ist für viele Ärzte ein Alptraum

Für viele Ärzte ein Alptraum. Rund 70 Prozent der 1700 befragten Mediziner, die das „New England of Medicine“ um ihre Meinung bat, halten legalisierte Sterbehilfe mit ihrem „Auftrag zum Heilen“ aus Prinzip für unvereinbar. Der Palliativ-Arzt Ira Byock fordert mehr Hospize, bezahlbare Schmerztherapien und eine bessere Sterbebegleitung. Eine Tonlage, in die Vertreter der großen Kirchen einstimmen. Sie fürchten einen Dammbruch.

Bei ihnen fiel auf, dass niemand Brittany Maynard direkt kritisierte. Obwohl die Akademikerin massiv für eine Ausweitung der Tod-in-Würde-Gesetzgebung warb. Als Blitzableiter dienten die Lobby-Gruppe "Compassion & Choices" (Mitgefühl und Wahlmöglichkeiten), die Sterbehilfe propagiert, und die Medien generell. Beiden wird vorgeworfen, Maynards Schicksal ausgebeutet zu haben. Brittany Maynard sah das völlig anders. Ihre letzten Worte waren Abschied und Auftrag zugleich. „Auf Wiedersehen, Welt. Verbreitet positive Energie und reicht es weiter!“