Washington. Die 29-jährige Amerikanerin Brittany Maynard leidet an einem unheilbaren Gehirntumor. Ihr Kampf um ein Ende in Würde beeindruckt selbst erbitterte Gegner der Sterbehilfe. Am 1. November will die Kalifornierin ihr Leiden beenden. “Ich will nicht sterben“, sagt sie. “Aber ich sterbe.“ Und das wolle sie nach ihren eigenen Regeln tun.

Wenn ihr Ehemann Dan nicht in zwei Wochen Geburtstag hätte, würde sie es wahrscheinlich schon früher tun. Brittany Maynard klagte zuletzt immer öfter über starke Schmerzen im Kopf und lähmende Krampfanfälle, die selbst die stärksten Medikamente nicht mehr wirksam zu lindern vermochten.

Am 1. November will die Kalifornierin ihr von einem unheilbaren Gehirn-Tumor verursachtes Leiden beenden. Mit einem ärztlich verschriebenen Mittel, das die Atmung unterbindet. Am Bett werden Dan sitzen, ihre Mutter Debbie, der Stiefvater und ein guter Freund, der Arzt ist.

Wie die erst 29-Jährige ihren angekündigten Tod in einem millionenfach angeklickten Youtube-Video erklärt und dafür wirbt, aussichtslos Kranken überall in Amerika das verbriefte Recht auf ein selbstgewähltes Lebensende zu geben, beeindruckt selbst erbitterte Gegner der Sterbehilfe, die in den USA verboten ist. „Ich bin keine Selbstmörderin“, sagt Maynard, die bis vor kurzem in San Francisco zuhause war. „Ich will nicht sterben. Aber ich sterbe. Und ich möchte nach meinen eigenen Regeln sterben.“

Das Arsenal der Qualen

Zwei Jahre nach ihrer Hochzeit diagnostizierten die Ärzte bei ihr im Januar eine tödliche Geschwulst im Gehirn. Schweregrad 2. Nach einer Operation würde sie noch maximal zehn Jahre zu leben haben, erklärten die Mediziner. Und irrten total. Im April war der „Glioblastoma multiforme“ auf Stufe 4 angewachsen. Lebenserwartung: sechs Monate. Das Arsenal der Qualen, das ihr für die Schluss-Etappe selbst bei optimaler Betreuung vorhergesagt wurde, löste den Moment aus, als es Maynard und ihre Familie gen Norden zog. Nach Oregon.

Der Küsten-Bundesstaat praktiziert anders als Kalifornien seit 1997 das progressivste Gesetz in den USA, wenn es um die letzten Fragen geht. Der „Death with Dignity Act“ (Tod mit Würde) erlaubt unheilbar Kranken, sich vom Arzt ein Medikament verschreiben zu lassen, mit dem sie sich selbst das Leben nehmen können. Die Vergabe ist an strenge Kriterien gebunden. Der Patient muss volljährig und urteilsfähig sein, seinen Wohnsitz in Oregon haben und an einer Krankheit leiden, die nach der Begutachtung von zwei Fach-Ärzten innerhalb von einem halben Jahr zum Tod führt.

Palliativ-Mediziner loben weltweit das Prozedere

Der Patient muss seinen Todeswunsch in einem Abstand von zwei Wochen zweimal mündlich und einmal schriftlich vorbringen. Außerdem ist der behandelnde Arzt verpflichtet, den Kranken ausführlich über sämtliche schmerzlindernden Behandlungs-Optionen aufzuklären. Das Modell hat in Montana, New Mexico, Vermont und Washington Nachahmer gefunden. In weiteren sieben Bundesstaaten hängen Gesetzentwürfe im Verfahren.

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Palliativ-Mediziner weltweit loben das Prozedere, weil es keinem exzessiven Gebrauch des „assistierten Suizids“ Vorschub leiste. Von 1997 bis 2013 haben in Oregon, einem Staat mit 3,9 Millionen Einwohnern, 1173 Menschen die finalen Rezepte bekommen. 752 haben das Medikament genommen. Die anderen starben eines natürlichen Todes. Ihnen genügte, so eine Untersuchung der Gesundheitsbehörde, „die Gewissheit, einem als unwürdig empfundenen Tod entgehen zu können“.

Letztes Ziel: der Grand Canyon

Brittany Maynard teilt die Einschätzung: „Ich kann euch die Erleichterung gar nicht beschreiben, dass ich nicht den Tod erleiden muss, den der Tumor mir bereiten würde.“ Ihr junges Alter und die „durchdachte Argumentation“ („The Oregonian“), die um den Begriff der Selbstbestimmung kreist, hat Dutzende Kommentare in den Zeitungen ausgelöst. Das Wort „Respekt“ ist oft zu lesen.

Bis 1. November will Brittany Maynard ihre Tage „auf dieser schönen Erde“ mit ihrer Familie verbringen. Und in der Natur. Ihr letztes Ziel: der Grand Canyon.

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