Düsseldorf/Essen. . Sie sind unsichtbar, können den Körper durchdringen und sollen vor allem bösartige Zellen gezielt vernichten: Strahlen werden in modernen Therapien sehr dosiert eingesetzt und kommen besonders im Kampf gegen Krebs zum Einsatz. Allerdings hilft die Therapie auch bei harmloseren Erkrankungen.
Man sieht sie nicht und spürt sie ebenso wenig – das ist es, was die Strahlen so unheimlich machen kann. Dabei hat nach der Entdeckung der Röntgenstrahlen im Jahr 1895 die Behandlung von Tumoren mit ihnen begonnen. Experten geben einen Überblick über die moderne Strahlentherapie.
Weshalb nutzt Strahlung der Gesundheit?
„Vor allem ist sie eine scharfe Waffe zum Einsatz gegen Krebs“, sagt Professor Martin Stuschke, Direktor der Klinik für Strahlentherapie an der Essener Uni-Klinik. Einmal geht es darum, Tumore so schrumpfen zu lassen, dass sie besser durch eine Operation entfernt werden können. Zum anderen ist es möglich, die Reste eines operierten Tumors, die noch im Körper geblieben sind, durch Strahlung zu vernichten. Drittens können einige Tumoren, die nicht oder nur unter Verlust wichtiger Körperfunktionen operierbar sind, mit der Strahlentherapie, meist in Kombination mit einer Chemotherapie, kontrolliert werden.
Werden unterschiedliche Arten von Strahlen eingesetzt?
Die von Wilhelm Conrad Röntgen entdeckten Strahlen gelten weiterhin als geeigneter Standard. Allerdings werden sie nicht mehr in der gleichen Energie wie früher eingesetzt, sondern mithilfe von modernen Geräten – so genannten Linearbeschleunigern – sehr gezielt ausgerichtet. Die Strahlentherapie mit geladenen Teilchen (Protonen und Carbon-Ionen) ist laut Martin Stuschke für einige Tumortypen wie Tumoren im Kindesalter oder Schädelbasistumoren geeignet.
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Wie wirken Strahlen?
„Röntgenstrahlen können Zellen schädigen und abtöten“, sagt Dr. Sadat Khonsari, Leiter der Medizinischen Physik in der Klinik für Strahlentherapie und Radiologische Onkologie am Düsseldorfer Marien Hospital. Dies geschieht durch gezielte Veränderungen im Erbgut der Zellen, die während oder nach der Zellteilung zum Absterben führen. Ein Effekt, der auch gesunde Zellen betrifft – die aber laut dem Experten in vielen Organen eine geringere Zellteilung haben als Tumorzellen. Letztere vertragen weitaus weniger Röntgenstrahlen. Das Ziel einer Bestrahlungsplanung ist es nach Khonsaris Worten, eine ausreichend hohe Strahlenmenge an den Tumor abzugeben, um optimale Heilungschancen zu erreichen – und dabei das umgebende gesunde Gewebe so gut es geht zu schonen. Auf diese Weise können Organe wie etwa der Kehlkopf erhalten bleiben, die früher häufig entfernt werden mussten.
Hilft die Therapie auch bei „harmlosen“ Erkrankungen?
Es gibt auch gutartige Erkrankungen wie etwa der Fersensporn (ein Auswuchs am Knochen der Ferse) oder entzündliche Gelenkschmerzen, die auf eine Behandlung mithilfe von Strahlen ansprechen können. „Das gilt vor allem für ältere Patienten, bei denen Medikamente und orthopädische Hilfsmittel nichts ausrichten konnten“, sagt Martin Stuschke. Es gehe darum, die Zellen des Immunsystems an den betroffenen Stellen zu unterdrücken, damit Schwellungen und Reizungen abnehmen.
Was ist der Unterschied?
„Für die Behandlung gutartiger Erkrankungen nutzen wir höchstens 25 Prozent der Strahlendosis, die bei einer Krebserkrankung verwendet wird“, sagt Sabine Hunger, Oberärztin an der Klinik für Strahlentherapie des Marien Hospitals Düsseldorf. Auch ist die Anzahl der Bestrahlungen geringer – meist ist die Behandlung in zwei bis drei Wochen abgeschlossen. Der Zeitaufwand pro Tag beträgt etwa eine Viertelstunde.
Wie läuft die Therapie bei Krebs ab?
„Rund 90 Prozent unserer Patienten kommen ambulant“, sagt Professor Karl-Axel Hartmann, Chefarzt der Klinik für Strahlentherapie und Radiologische Onkologie am Marien Hospital. In der Regel gibt es über sechs bis acht Wochen hinweg jeden Werktag einen Bestrahlungstermin, der maximal eine halbe Stunde dauert. Über das Wochenende können sich Haut und Schleimhäute erholen. Hartmann: „In bestimmten Fällen wird die Strahlentherapie durch eine Chemotherapie begleitet.“ Anschließend folgt entweder die Entfernung des geschrumpften Tumors oder die Mediziner kontrollieren, ob sie erfolgreich gegen die Reste des bereits entfernten Tumors vorgegangen sind. Hartmann: „Unser Ziel ist eine Heilung durch eine einmalige Strahlentherapie, doch wir können nicht garantieren, dass nicht noch einmal Tumore entstehen.“ Dies sei heutzutage häufiger der Fall, weil Krebspatienten dank moderner Behandlungen länger überleben. Die schonende Bestrahlung durch den Linearbeschleuniger macht es laut den Experten jedoch möglich, wiederholt zu behandeln, wenn es durch einen Rückfall nötig werden sollte. Ob das der Fall ist, wird bei regelmäßigen Kontrollen vom behandelnden Arzt festgestellt.
Was müssen Patienten außerdem beachten?
„Sich vielseitig, nicht einseitig ernähren und sich so bewegen, wie es der Körper signalisiert“, rät Oberärztin Sabine Hunger und beruhigt: „Man kann ein ziemlich normales Leben führen.“ Extreme Hautreaktionen aufgrund der Strahlen könnten vorkommen – in diesem Fall sollten sich Patienten mit ihrem Arzt über die passende Pflege unterhalten. Der Essener Experte Martin Stuschke empfiehlt: „Nicht in die Sauna gehen und keine Kleidung tragen, die sich an der empfindlichen Haut reibt.“ Besser als ein Bad sei eine Dusche, die die bestrahlten Stellen schone.