Essen. Vor fünf Jahren lag der Sender unter der Wahrnehmungsschwelle. Jetzt hat ZDFneo Arte und einige Dritte Programme der ARD hinter sich gelassen. Das liegt daran, dass der ZDF-Ableger hochklassige ausländische Serien zeigt und wegweisende eigene Formate. Sender-Chefin Simone Emmelius hat weitere Pläne.

ZDFneo besteht seit fünf Jahren. Der junge ZDF-Ableger hat in dieser Zeit Konkurrenten wie Arte abgehängt. Dem Sender ist es zudem gelungen, wesentlich besser bei der Zielgruppe unter 50 anzukommen als das Hauptprogramm. Wieso, weshalb, warum, verrät Sender-Chefin Simone Emmelius im Gespräch mit Jürgen Overkott.

Ich gebe Ihnen die Gelegenheit zu ungebremstem Eigenlob. Fünf Jahre ZDFneo – worauf sind Sie besonders stolz?

Simone Emmelius: Besonders stolz bin ich darauf, dass es uns gelungen ist, für unsere Zielgruppe – zwischen 25 und 49 – ein verlässliches Angebot zu machen. Da gibt es immer etwas, was Zuschauer aus dieser Altersgruppe interessiert. Wir sind angetreten mit dem Anspruch, ein ergänzendes Programm zum ZDF zu machen für jüngere Zuschauer, und das ist uns gelungen.

ZDFneo ist eine feste Größe geworden.

Emmelius: Wenn Sie sich die Entwicklung der Marktanteile angucken, stellen Sie fest: Wir hatten vor fünf Jahren 0,1 Prozent, und im September 2014 sind wir bei 1,5 Prozent insgesamt und 1,1 bei den Jungen angekommen. Im Digitalmarkt sind wir sogar bei 1,9 Prozent bei Zuschauern gesamt angekommen.

Für viele kleine Sender ist die Ein-Prozent-Marke die magische Wahrnehmungsschwelle.

Emmelius: Das war das Ziel, dass ich mir zu meinem Start als Senderchefin vor zwei Jahren vorgenommen hatte. Dass wir unser aktuelles Ergebnis so schnell erreichen würden, hatten wir zu Beginn nicht zu träumen gewagt.

Warum schwirrt ein Klassiker wie „Enterprise“ durchs ZDFneo-Programm?

Machen Sie „Raumschiff Enterprise“ für die 50-Jährigen und Böhmermanns „NEO MAGAZIN“ für die 25-Jährigen?

Emmelius: (lacht) Na ja, sagen wir mal so: Sicherlich beschreiben beide Programme das obere und das untere Ende der Zielgruppen-Nutzung. Ich denke schon, dass es aber auch mit diesen Programmen gelingt, ein homogenes Angebot zu machen.

ZDFneo hat die Rolle übernommen, die eigentlich auch die Dritten Programme der ARD ausfüllen sollen: nämlich neue Ideen zu testen. Haben Sie bittere Tränen geweint, als Joko & Klaas zu ProSieben gingen?

Emmelius: (denkt nach) Bittere Tränen – das ist zu viel gesagt. Aber wir waren schon traurig, weil wir uns fachlich und menschlich sehr gut verstanden haben. Aber: Das gehört zum Geschäft. Man geht eine Wegstrecke gemeinsam, und dann können sich die Wege unter Umständen trennen. In gewisser Weise ist es ja auch eine Bestätigung für uns, solche Köpfe aufgebaut zu haben. Und wenn dann die Konkurrenz hergeht und ein dickeres Portemonnaie auspackt, nun denn ...

Okay, blicken wir nach vorne. Sie kündigen wieder etliche Eigenproduktionen an.

Emmelius: Wir sind vor fünf Jahren angetreten mit dem Anspruch, in drei Genres Marken zu setzen: Factual Entertainment ...

... das heißt ...

Emmelius: ... eine Form der unterhaltsamen Wissensvermittlung. Beispiele sind „Da wird mir übel“, „Wie werd‘ ich …?“ oder „Ziemlich starke Frauen“.

„Es hat Lernkurven gegeben“

Also das Gegenteil vom klassischen Ratgeber-Fernsehen.

Emmelius: Genau. Der zweite Bereich in unserem Programm ist Show und der dritte Fiction. Bei den Shows steht Jan Böhmermann und sein „NEO MAGAZIN“ im Mittelpunkt, zukünftig weekly und mit einem zusätzlichen Sendeplatz im ZDF, und in der Fiction liegt unser Fokus auf amerikanischen, britischen und skandinavischen Serien. Natürlich hat es in den vergangenen fünf Jahren auch Entwicklungs- und Lernkurven gegeben.

Was haben Sie gelernt?

Emmelius: Beim Factual Entertainment haben wir inzwischen ein großes Know-how aufgebaut. Das hat inzwischen sogar Einzug ins Hauptprogramm gehalten, denken Sie an „Bares für Rares“ und „Deutschlands beste Bäcker‘. Damit ist für uns die Mission erfüllt. Deshalb konzentrieren wir uns in diesem Bereich auf Social Factual, das heißt auf die großen gesellschaftspolitischen Themen unserer Zeit. Wir versuchen sie in einer auffälligen, dramaturgisch ungewöhnlichen Form zu fassen. Sie sollen Reibungsfläche, Diskussionsraum für die Zielgruppe sein – wie „Auf der Flucht“ oder „Der Rassist in uns“.

Demnächst geht „Ausgekokst – mein Drogentrip“ auf Sendung. Das ist eine vierteilige Reihe, in der der Schauspieler Rainer Meifert den Weg der Droge Kokain bis zu ihrem Ursprung verfolgt und so seine eigene Drogenkarriere reflektiert, sehr berührend und nahegehend. Im Bereich Show und Talk haben wir es mit „Kessler ist…“ geschafft, das Thema Talk ganz neu zu buchstabieren.

Ein weiteres Beispiel ist „Kuttner plus Zwei“, das durch Sarah Kuttners ungewöhnliche Gesprächsführung besticht. Und wie bereits erwähnt „NEO MAGAZIN mit Jan Böhmermann“, weekly und crossmedial verankert, gehört zu unseren großen Vorhaben für das nächste Jahr.

Die Rückkehr des Martin Semmelrogge

Und in der Fiktion?

Emmelius: Es bleibt bei den ausländischen Serien. Aber die ganz große Herausforderung ist die eigenproduzierte Fiction – wie „Diese Kaminskis – Wir legen Sie tiefer!“, neu aus unserem TVLab die „BLOCKBUSTAZ“ um den Rapper Eko Fresh und die Gefängnis-Sitcom „Der Knast“. Und nach der ersten Staffel der Sitcom „Lerchenberg“ produzieren wir gerade „Eichwald MdB“ mit dem Kleinen Fernsehspiel. Und dann gibt es noch ein ganz großes Projekt...

Ich bin gespannt auf das, was jetzt kommt ...

Emmelius: ... unsere erste Drama-Serie, die wir hoffentlich im nächsten Herbst zeigen können.

Habe ich gerade den Titel überhört?

Emmelius: (lacht) So weit sind wir noch nicht, dass wir in die Details gehen könnten.