Köln. Vulgär, vulgärer, Kebekus. Das Publikum liebt sie dafür – sogar die Zuschauer aus der Abteilung Perlenkette. Die kölsche Comedienne Carolin Kebekus gibt Gas. Dafür erhielt sie jetzt den Comedypreis, den sie obendrein moderieren durfte. Was da abgeht, ist am Samstag zu besichtigen.
Es gibt wenige Frauen, die sich trauen, so vulgär zu sein. Carolin Kebekus lässt Wörter aus ihrem glutrot geschminkten Mund entweichen, die sogar die Mannschaft am Herrenstammtisch blass aussehen lässt. Ja, sie ist ein böses Mädchen. Ja, sie sagt verdorbene Dinge, für die sie von Millionen vor allem junger Leute geliebt wird. Ihre Vorstellungen sind rappelvoll. Soeben wurde das Ausnahmetalent mit dem „Deutschen Comedy Preis“ geadelt, den sie auch moderiert: Am heutigen Samstag um 22.15 Uhr überträgt RTL die Preisverleihung an die Ausgezeichneten der Szene.
Frauen in der Comedy-Szene sind immer noch eine Rarität. Mirja Boes, Gerburg Jahnke – freche Mäuler sind auch ihr Handwerkszeug. Doch die Krönung der Zoten kommt nicht von Cindy aus Marzahn, sondern von einer Frau, der man das auf den ersten Blick nicht zutraut.
Mancher vergisst, dass es Satire ist
Caroline Kebekus sieht aus wie ein braves Mädchen. Alles an ihr ist alles andere als obszön. Wie der Schein trügt: Keine fokussiert so sehr in Richtung Schamgrenze. Das Publikum läuft richtig heiß dabei. Dass es sich um eine Persiflage, um Satire handelt, vergisst mancher schon mal gerne bei den süffigen Pointen.
Beim Comedy-Festival jüngst in Moers gab es kein Halten mehr. Selbst Frauen mit konservativen Perlenketten weinten Tränen vor Lachen. Ob irgendeine die auf den Unterleib abzielende Komik anstößig finden könnte: „Nein!“, sagen gleich mehrere Frauen in der Pause empört. „Die geht ja nie unter die Gürtellinie!“ Da fragt man sich schon, wo bei manchen die Gürtellinie anfängt.
Sie knöpft sich unsere sexualisierte Welt vor...
Männer und Frauen, Alt und Jung sind dem „Pussy-Terror“ mit Wonne verfallen. Nicht alle, aber manche lieben diese Frau aber auch deshalb, weil keine andere so sehr gängige Sehgewohnheiten entlarvt: „Dschungelcamp“ und Busen-Shows. Kebekus ist nicht nur diese seltene Sphinx aus Schlampe und Prinzessin, sondern auch eine Künstlerin, die sich unsere alltägliche sexualisierte Welt vorknöpft. Sie ist die Antwort auf Bushido – Muschido. Noch Fragen?
Gut, es gibt auch noch ein anderes Pflaster, wo sie sich gerne mit Worten austobt, das ist ihre so geliebte Heimat Köln. „Wenn ich in einer Stadt Kotze sehe, kriege ich sofort Heimatgefühle, weil ich dann an Köln denken muss.“ Ihr Humor ist originell, vor allem aber deftig. Wenn ihre Kodderschnauze warm gelaufen ist, wird keiner mehr verschont, kein Mann, keine Frau, kein Salatesser, Vegetarier, Veganer – und selbst Helene Fischer nicht.
...und Helene Fischer
„Helene Fischer. Überall ist Helene Fischer!“ Wenn sie diese Nummer bringt, wenn sie von ihrem Sommerurlaub erzählt, ist sie in Höchstform: „Ich war froh, dass wir Weltmeister geworden sind. Aber Helene Fischer hat mir alles wieder kaputt gemacht. Überall ‚Atemlos‘. In meinem Urlaub lief überall dieses Scheiß-Lied.“
Dieser Angriff auf die Schlagersängerin hat mehr Provokationspotenzial als das ganze Schweinigeln vorher. Als Kebekus ins Mikro brüllt: „Ich dachte, Schlager hören nur Alte und Kaputte. Aber es war voller junger Menschen. Die hatten ihr ganzes Leben noch vor sich …“ – da musste mancher in der Halle schlucken.
Perfekt und persönlich
Aber böse ist ihr keiner im Publikum. Dafür ist Frau Kebekus auch zu gut. Sie hat ein gutes Gespür für den Rhythmus, sie geht auf ihr Publikum ein. Ihre Show ist perfekt und dazu auch noch persönlich.
Doch auf einem anderen Gebiet hatte sie sich Feinde gemacht. Nach ihrem Satire-Video „Dunk dem Herrn“, ein zotiger Jesus-Rap, wurde sie sogar bedroht. „Ich wünsche keinem, dass fundamentale Christen hinter ihm her sind“, sagt sie im Interview. 100 Anzeigen gegen das kirchenkritische Video gingen bei der Polizei ein. Doch die Kölner Staatsanwaltschaft lehnte die Einleitung von Ermittlungen ab: Kunstfreiheit.
Caroline Kebekus liebt es, Grenzen zu überschreiten. Ja, sie ist ein böses Mädchen. Und dafür hat sie den großen Applaus verdient.