Essen. . Aldi, Lidl, Rewe und Tchibo werden von Greenpeace stark kritisiert. Nach Auffassung der Umweltschützer achten die Verbrauchermärkte zu wenig auf den Schadstoffgehalt der von ihnen verkauften Kinderbekleidung. Tests hätten gezeigt, dass in mehr als der Hälfte der geprüften Produkte umwelt- und gesundheitsschädliche Chemikalien steckten.

Nach Auffassung der Umweltschutzorganisation Greenpeace achten die Handelsriesen Aldi, Lidl, Rewe und Tchibo zu wenig auf den Schadstoffgehalt in der von ihnen verkauften Kinderbekleidung. Laut einem nicht repräsentativen Test von 26 Kleidungsstücken, Schuhen und Gummistiefeln seien in mehr als der Hälfte der Produkte umwelt- und gesundheitsschädliche Chemikalien oberhalb von Vergleichs- und Vorsorgewerten festgestellt worden, teilte Greenpeace gestern mit.

Welche Chemikalien sind bei den Proben gefunden worden?

In Kinderschuhen – laut Greenpeace die am meisten belasteten Produkte – fanden die Labore die Chemikalien Dimethylformamid (DMF), 2-Phenyl-2-propanol (2PP) und Acetophenon. Die Schuhe von Aldi-Süd (Booties „Alive“) und -Nord („Walkx Kids“) enthielten eine besonders hohe Konzentration. DMF gilt als giftig, fortpflanzungsgefährdend und gesundheitsschädlich bei Hautkontakt. 2PP und Acetophenon können Allergien auslösen, Haut und Augen reizen. In Kindergummistiefeln fanden die Tester Weichmacher, sogenannte polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK). Im Tchibo-Pünktchen-Regenstiefel, so berichtet die Wochenzeitschrift „Zeit“, seien drei der krebserregenden PAK nachgewiesen worden.

Wie gefährlich sind die nachgewiesenen Schadstoffanteile?

Eine eindeutige Antwort fällt schwer. Die DMF-Gehalte in den Kinderschuhen lagen mitunter bei 194 oder sogar 200 Milligramm pro Kilogramm (mg/kg). Das Ökosiegel „Blauer Engel“ empfiehlt maximal 10. Sieben von 14 Schuhen, drei davon von Lidl, enthielten zudem im Vergleich zu anderen Produkten einen hohen 2PP-Anteil.

Für PAK gibt es erst ab Dezember 2015 einen EU-weiten Grenzwert: 1 mg/kg für Produkte aus Gummi, 0,5 für Kinderprodukte mit Hautkontakt. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), so berichtet die „Zeit“, hält diesen Grenzwert aber für überhöht und empfiehlt 0,2 Milligramm – einen Wert, den die Tchibo-Stiefel überschritten.

Das BfR geht trotzdem nicht von einer „akuten Gesundheitsgefährdung“ aus, schränkt allerdings ein, dass für viele der Chemikalien Untersuchungen über Langzeitfolgen fehlten. Das Umweltbundesamt formulierte es gegenüber der „Zeit“ anders: Die nachgewiesenen Stoffe hätten allesamt in Kinderbekleidung nichts zu suchen.

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Was sagen die kritisierten Unternehmen Aldi, Lidl, Rewe und Tchibo?

Auf Anfrage der „Zeit“ wiesen Aldi, Lidl, Rewe und Tchibo die Kritik zurück. Die gesetzlichen Anforderungen seien eingehalten worden. Und auch die firmeninternen Obergrenzen für Chemikalien, die es bei fehlenden gesetzlichen Grenzwerten gebe, seien nicht überschritten worden. Tchibo habe die von den Laboren in den Gummistiefeln nachgewiesenen Weichmacher in eigenen Tests nicht feststellen können. Rewe schränkte ein: Spuren von PAK seien bei den heute üblichen Produktionsmethoden nicht vollständig zu vermeiden.

Gibt es Gütesiegel, die Verbrauchern beim Kauf giftfreier Bekleidung und Schuhe helfen?

Greenpeace muss zugeben: Orientierung fällt schwer. Mittlerweile gebe es weltweit etwa 120 Siegel für Ökokleidung. Davon sei allenfalls „eine Handvoll“ glaubwürdig. Am besten schnitten der Globale Organic Textile Standard (GOTS) und IVN Best ab, beide gelten aber nur für Naturfasern. Für Kunstfasern gelte das Bluesign-Siegel als am fortschrittlichsten, perfekt aber sei auch das nicht. „Es fehlt ein Standard, der umfassend alle gefährlichen Substanzen regelt, mit Prüfmethoden hinterlegt und ausreichend strenge Grenzwerte festlegt“, kritisiert Greenpeace.

Gibt es für Verbraucher überhaupt eine verlässliche Orientierung?

Das Bundesinstitut für Risikobewertung rät, der Nase zu vertrauen. Starker Geruch von Kleidung weise auf eine geringe Qualität und den Einsatz von Chemikalien hin. Greenpeace empfiehlt den Verzicht auf Kleidungsstücke mit Hinweisen wie „separat waschen“ und „vor dem Tragen waschen“. Die Farbstoffe dieser Textilien hafteten schlecht und könnten von der Haut aufgenommen werden. Auch Hinweise wie „bügelfrei“ oder „knitterarm“ seien sichere Hinweise auf den Einsatz chemischer Substanzen.