Rüthen/Neuhaus. . Viele Patienten können keine Schmerzmittel vertragen. Hanf ist für sie eine Alternative, aber extrem teuer. Ute Köhler ist eine von sechs Betroffenen, die deshalb in den Hungerstreik getreten sind. Sie kämpft für die Erlaubnis zum Eigenanbau. Denn bis die Krankenkassen zahlen, dauert es noch.

Ute Köhler hat seit drei Tagen nichts mehr gegessen. „Ich gehe viel spazieren, ich trinke viel Tee, dann bemerke ich den Hunger nicht so. Aber ich spüre, dass mir die Kraft ausgeht.“ Ute Köhler (60) ist eine von sechs Betroffenen in Deutschland, die in den Hungerstreik getreten sind. Sie kämpft für die Freigabe von Cannabis (Hanf) für Schmerzpatienten. „Ob die Kranken es selbst anbauen oder noch besser aus der Apotheke kriegen, ist egal.“

Seit ihrer Unterleibskrebs-Operation vor 15 Jahren wird sie von unfassbaren Schmerzen geplagt. „Die Strahlentherapie hat so massive Nebenwirkungen gehabt, dass ich vor Schmerzen verrückt wurde.“ Klassische Schmerzmedikamente konnte sie nicht vertragen, weil sie sich durch die Krebsmedikamente eine Leberentzündung eingefangen hatte.

Es war wie eine Erlösung

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„Ich war am Ende. Ich lag apathisch auf der Schmerzstation, konnte nicht mehr essen und trinken und konnte kein Wort mehr sagen. Bis mir der Arzt dann das Cannabis-Medikament gab.“ Die erste Reaktion wird sie nie vergessen: „Ich musste lachen!“ Ziemlich bekifft war sie also.

Das mit dem Lachen ließ nach, das mit den Schmerzen auch. „Es war wie eine Erlösung“, sagt sie. Doch sehr schnell wurden die Tropfen nicht mehr von der Krankenkasse bezahlt. Ute Köhlers Kampf durch die Instanzen begann. „Ich habe alle angeschrieben. Die AOK. Die Politiker. 14 Jahre lang bin ich als Kämpferin unterwegs, doch es hat nichts gebracht.“ Sie hat für ihren Kampf inzwischen das Bundesverdienstkreuz erhalten. „Doch das hilft mir auch nicht.“ Zwar hat sie noch Glück. Sie hat über eine Klinik Hilfe bekommen, man unterstützt sie finanziell. Denn das Cannabis-Mittel kostet zwischen 700 und 900 Euro – pro Monat. „Ich zittere vor Angst, weil sich der Sponsor ja jederzeit zurückziehen kann. Dann weiß ich nicht mehr, wie es weitergehen soll. Und so geht es ja Zigtausenden Betroffenen.“

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Dr. Franjo Grotenhermen, der als Hausarzt in Rüthen arbeitet und als Cannabis-Experte sogar die Weltgesundheits-Organisation berät, sagt, dass „Millionen Menschen in Deutschland unter chronischen Schmerzen leiden“. Migräne, Krebs, Rheuma, Arthrosen. ­Viele könnten Schmerzmittel nicht vertragen, sie müssten sich ständig erbrechen. Deshalb galt das Urteil im Juli ja auch als Sensation: Ein Kölner Gericht erlaubte chronisch Kranken, Cannabis zur Eigentherapie anzubauen. Nun will das Bundesinstitut für Arzneimittel- und Medizinprodukte (BfArM) in Berufung gehen. Begründung: Wer Cannabis zu Hause anbaut, könne die Reinheit nicht garantieren.

Eigenanbau als Notlösung

„Die Leute gehen sehr sorgsam mit dem Anbau um“, sagt Grotenhermen. Es seien eben keine Pestizide oder andere Verunreinigungen zu finden. Der Eigenanbau, so Grotenhermen, „ist aber eine Notlösung. Es geht kein Weg an der Apotheke vorbei“. Grotenhermen ist Vorsitzender der „Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin“, die auf ihre Not aufmerksam machen will. Hungerstreik war das letzte Mittel, weil viele Patienten ohnehin schon extrem schwach seien.