Offenbach. Durch Wallernhausen in der Wetterau rauscht eine gewaltige Flutwelle, im Wiesbadener Kurhaus läuft der Keller voll. Hessen erlebt, was Klimawandel bedeuten kann. Die Regenmassen folgen auf ein deutlich zu trockenes erstes Halbjahr. Unter dem Strich also alles normal?

Immer wieder Sturzbäche von oben, die Kanäle können das Wasser nicht fassen. Noch Tage nach den schweren Güssen wird in Hessen aufgeräumt. Eine Woche lang jeden Tag Gewitter mit Regenmassen über Mittelhessen - das ist auch für Meteorologen nicht alltäglich. Und es könnte ein Vorgeschmack auf die Zukunft sein.

Sehr viel Niederschlag in wenigen Tagen - für die Wetterexperten zunächst ein Einzelereignis, aber möglicherweise auch eine Folge des Klimawandels. Klimaforscher sehen deutliche Hinweise dafür. "Das passt ins Bild", sagt Peter Hoffmann vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Allerdings sei die Datenbasis noch zu gering, um solche Einzelereignisse eindeutig direkt dem Klimawandel zuzuordnen.

"Die Extreme werden wahrscheinlicher"

Fest stehe aber nach Berechnungen der Klimamodelle, dass extreme Wetterereignisse - dazu gehörten neben Starkniederschlägen auch lange Trockenperioden wie in diesem Frühjahr - in Zukunft häufiger auftreten werden. "Beide Extreme werden wahrscheinlicher." Grund: Großwetterlagen werden stabiler, das heißt, bestimmte Wetterlagen halten sich länger, wie in der vergangenen Woche die Tiefdruckrinne über der Mitte Deutschlands, die ständig neue starke Regenfälle zur Folge hatte.

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"Dieser Trend wird sich fortsetzen", sagt Hoffmann, "da der CO2-Ausstoß, der durch das Verbrennen von Kohle und Öl entsteht, stetig zunimmt. Der Treibhaus-Effekt führt bei zunehmender Erwärmung zu einem Anstieg der Risiken."

Ohne Wind vermischen sich die Luftmassen nicht

Geschuldet waren die ständigen schweren Regenfälle einer Luftmassengrenze quer über Deutschland, die sich über Tage nicht von der Stelle bewegte, wie Meteorologen des Deutschen Wetterdienstes (DWD) erläutern. Es gab einfach keinen Wind, der die feucht-warme Luft aus dem Norden mit der kühl-warmen als dem Süden hätte vermischen und die Gegensätze auflösen können.

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Zusätzlich bildete sich eine sogenannte Tiefdruckrinne, in der sich die feucht-warme Luft sammelte, nach oben stieg, kondensierte und als Regenschauer wieder zur Erde fiel. Entlang der Luftmassengrenze entwickelten sich auf der nördlichen, warmen Seite immer wieder heftige Gewitter mit Starkregen.

Bis zu 154 Liter pro Quadratmeter in sechs Tagen

Die Güsse trafen Mittel- und Osthessen schwer. Im osthessischen Bad Hersfeld kamen so innerhalb von sechs Tagen (vom 8. bis zum 13. Juli) gut 154 Liter Regen pro Quadratmeter zusammen - das ist mehr als doppelt so viel wie durchschnittlich im ganzen Monat, der für Hessen bei 73 Litern pro Quadratmeter liegt. In Wiesbaden ermittelte der DWD in der gleichen Zeit 121 Liter pro Quadratmeter.

Und doch könnte es am Jahresende in der Wetterbilanz heißen: "Niederschläge normal". Das erste halbe Jahr war nämlich viel zu trocken. Von Januar bis Juni fielen in Hessen nach der DWD-Statistik 290 Liter Regen pro Quadratmeter, 100 Liter weniger als im langjährigen Mittel der Jahre 1961 bis 1990. Frühjahrstrockenheit und Sommerregen seien Ausschläge, die sich in der Jahresbilanz ausgleichen könnten, meinen die Meteorologen. (dpa)