Moskau. . Ein Zugunglück in der Metro stürzte den Verkehr in der Millionenmetropole Moskau am Dienstag ins Chaos. 22 Menschen sterben, mehr als 150 werden verletzt. Hat die wegen ihrer Schönheit auch bei Touristen beliebte U-Bahn ein Sicherheitsproblem? Drei Waggons entgleisten.

Mitten im Berufsverkehr und bei Tempo 70 entgleisen in der Moskauer Metro in einem Tunnel kurz vor der Station "Slawjanski Boulevard" mehrere Waggons. Ein Wagen verkeilt sich, die hinteren Abteile prallen mit voller Wucht darauf. Zu Dutzenden stürzen Passagiere, fallen in den voll besetzten Wagen aufeinander, erdrücken andere.

Die russische Hauptstadt erlebt am Dienstag das schwerste Unglück in der fast 80-jährigen Geschichte der Metro. Die gilt zwar trotz ihres Renovierungsbedarfs eigentlich als zuverlässiges Verkehrsmittel. Doch die Bilder von den Leichensäcken lassen Zweifel aufkommen an der Sicherheit von Moskaus wichtigstem Verkehrsmittel.

Behörde schließt Anschlag auf Metro aus

Moskaus Metro ist ein ausgeklügeltes Kreislaufsystem für das Leben in der größten europäischen Stadt mit weit mehr als zwölf Millionen Menschen. Die Verletzten, die sich an die Erdoberfläche gerettet haben und auf Hilfe warten, wecken bei den Hauptstädtern schlimmste Erinnerungen.

Viele denken an frühere Terroranschläge, bei denen Selbstmordattentäter in der Metro Sprengsätze zündeten und Passagiere in den Tod rissen. Deshalb reist bei vielen Moskauern traditionell die Angst mit. Doch diesmal ist es anders. Einen Anschlag schließt der Sprecher der nationalen Ermittlungsbehörde, Wladimir Markin, rasch aus. Es gehe hier um technische Ursachen.

"Wir ziehen die Version in Betracht, dass ein Waggon nicht intakt war - sowie alle anderen Möglichkeiten", sagt er. Demnach könnte es einen Defekt am Fahrgestell oder an den Gleisen oder Weichen gegeben haben. Die Behörden meinen aber, dass letztlich auch technische Unglücksursachen stets auf menschliche Fehler zurückzuführen seien.

Zug wurde laut Zeugen "regelrecht auseinandergerissen"

"Nach dem Abschluss der Ermittlungen wird es nicht nur Entlassungen geben, sondern auch Strafverfahren gegen die Schuldigen", kündigt Bürgermeister Sergej Sobjanin an. Für ihn kommt die Katastrophe zur Unzeit - am 14. September soll ein neues Stadtparlament gewählt werden. Der politische Kampf um Moskau ist in vollem Gange. Noch nie hat es ein derartiges Unglück in der Hauptstadt gegeben.

"Der Zug bremste extrem, wurde regelrecht auseinandergerissen, ein Waggon verkeilt sich. Viele Leute wurden verletzt, viele eingeklemmt", sagt ein Augenzeuge im Staatsfernsehen. "Es gab einen solchen Ruck. Das Licht ging aus. Wir waren eingeschlossen. Ich dachte, das ist das Ende", sagt ein Überlebender im TV-Sender Rossija-24.

Die meisten Menschen sterben Ermittlern zufolge im ersten Waggon, als der Zug 200 Meter von der Haltestelle verunglückt. Die Überlebenden retten sich durch die dunklen Tunnelgänge mit dicken Kabeln. 1000 Gerettete sind es letztlich.

"Was für ein Albtraum!"

Hunderttausende kommen wegen des Unfalls an diesem heißen Tag, an dem in der nicht klimatisierten Metro ohnehin alle schwitzen, zu spät zur Arbeit. Überall stauen sich in der auch sonst überfüllten U-Bahn die Menschen. Es ist wie immer ein Wunder, dass keine Panik ausbricht.

Der Unglücksort "Slawjanski Boulevard" liegt an einer der wichtigsten Straßen von den Schlafvierteln Moskaus in die Innenstadt - auch für Regierungsfahrzeuge. Wegen der Krankenwagen und Rettungshubschrauber, die Verletzte in Kliniken bringen sollen, kommt es in der schon bei Normalverkehr von Riesenstaus geplagten Stadt zum Chaos.

"Kakoj Koschmar!" - Was für ein Albtraum! - ist immer wieder zu hören von Auto- und Metrofahrern. Die Stadt setzt zwar Busse als Ersatzverkehr ein, zu Hunderten warten viele an den Haltestellen. Entspannen dürfte sich die Lage aber zunächst nicht, weil die blaue Linie wohl noch bis Donnerstag geschlossen bleibt. (dpa)