Köln. . Früher galt der WDR bei der Unterhaltung als führend. Heute haben WDR-Shows eher den Ruf, hausbacken zu sein. Das soll sich ändern. Dabei setzt Siegmund Grewenig, Unterhaltungschef des Senders, auf eine Show-Idee, in die er großes Vertrauen hat.

Die WDR-Unterhaltung gilt weithin als hausbacken. Das soll sich jetzt ändern. Was genau, verriet Unterhaltungschef Siegmund Grewenig im Gespräch mit Jürgen Overkott.

Ich sehe auf Ihrem Schreibtisch die Maus mit Deutschland-Blumenschmuck. Ist sie aufs Finale vorbereitet?

Grewenig: Aber ja. Sie weiß auf alles eine Antwort.

Dann kennt sie sicher schon das Ergebnis.

Grewenig: Ja, aber sie ist diskret.

1:0 für Sie. Apropos Fußball. Selbst ein Schnarch-Kick wie Holland gegen Argentinien hat 20 Millionen Zuschauer. Kann die Unterhaltung einpacken?

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Grewenig: Nein, eine Fußball WM ist ein Mega-Ereignis. Sie können auch nicht Weihnachten mit einem normalen Samstag vergleichen. Aber in der Tat, der Fußball folgt demselben Prinzip wie die Unterhaltung: Er bietet einen Stoff, der die Massen bannt und liefert Gesprächswert durch Emotionen. Fußball ist beste Unterhaltung. Wenn nicht gerade Niederlande–Argentinien spielt. Aber auf klassische Unterhaltung verzichten? Das kann man nicht. Unterhaltung bedient etwas anderes als Fußball. Denn Unterhaltung ist ja nicht nur große Show, sondern sie hat viele Facetten.

Der Unterschied zwischen Fußball und Unterhaltung

Nämlich?

Grewenig: Denken Sie an Sitcoms und Kabarett, Zeichentrick und Puppenspiel, ja auch an Talkshows. Dazu kommt die regionale Unterhaltung. Fußball wird abgefilmt, bei der Unterhaltung gehen wir zunächst von einem leeren Blatt aus. Sie ist eine Schöpfung, und sie bedient andere Gefühle als Fußball, sie kann Aktualität beispielsweise satirisch überhöhen, so dass das Publikum lachen kann. Sie kann Alltag komisch erzählen, sie kann Informationen spannend aufbereiten.

Wären Sie Fernsehrichter Alexander Hold, würde ich sagen: Einspruch, Euer Ehren! Dem WDR gelingt das nur bei Traditionsformaten. Auf junge Zuschauer wirkt die WDR-Unterhaltung doch eher wie der Club der toten Dichter.

Grewenig: Unser Publikum ist im WDR-Fernsehen im Schnitt 64. Wir wollen natürlich nicht nur in der für die Privatsender werberelevanten Gruppe der 14- bis 49-Jährigen punkten, sondern alle Zuschauer erreichen. Und auch wenn unser Zuschauerschnitt bei 64 Jahren liegt, ist unser Ziel, noch mehr 40- bis 60-Jährige zu gewinnen.

Jürgen von der Lippe ist ein Vorbild für junge Comedians

Und die 14- bis 29-Jährigen?

Grewenig: Sie sind mehr im Netz unterwegs. Aber an dieser Stelle gibt es ein Beispiel, dass auch Traditionsmarken wie die „Sendung mit der Maus“ bei Jüngeren funktionieren. Das Maus-Video, in dem Fußballfloskeln wörtlich genommen werden, hatte bei YouTube schon über zwei Millionen Klicks innerhalb von zehn Tagen.

Wieder Einspruch! Sie sprechen von Verjüngung – und kündigen eine Neuauflage von „Geld oder Liebe“ an.

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Grewenig: Wir haben das Format wiederaufleben lassen, weil wir mit dem Retro-Gedanken spielen. Retro ist ja auch bei Möbeln oder bei der Kleidung ein Thema, Vergangenheit kehrt wieder, aber in einer veränderten Form. Man spielt mit den Elementen. Wir belassen es bei „Geld oder Liebe“ mit Jürgen von der Lippe aber bei einer einmaligen Ausgabe zum 25-jährigen Jubiläum. Wenn Sie sich die Wirkung von Jürgen von der Lippe angucken, dann hat er heute für die junge Generation der Comedians eine Vorbild-Funktion.

Promis liefern sich Jan Böhmermann aus 

Sie spielen mit der Vergangenheit. Wie sieht’s mit der Zukunft aus?

Grewenig: Wir starten am 20. Juli mit einer neuen Show. Sie heißt „Die unwahrscheinlichen Ereignisse im Leben von...“, zum Auftakt mit dem Gastgeber Frank Elstner. Wir haben diese erste Ausgabe produziert und werden im September/Oktober weitere fünf Folgen drehen. Es ist eine Sketch-Comedy, die zugleich mit Einspielern. Es sind viele unverbrauchte Gesichter dabei, ein tolles Ensemble. Und es gibt eine neue Bildsprache. Dahinter steht eine Firma, die bildundtonfabrik, die dafür bekannt ist, jüngere Zielgruppen anzusprechen.

Das ist für Promis durchaus riskant, zumal wenn ein Spaßvogel wie Jan Böhmermann hinter der Produktion steht. Wie groß ist die Bereitschaft der Prominenz, sich zu beteiligen?

Grewenig: Groß! Alle sind natürlich interessiert, dass ihr Image eine neue Facette erhält. Frank Elstner, beispielsweise, wird von vielen als Oldtimer angesehen. Wenn man aber sieht, mit wie viel Spielfreude er sich den Herausforderungen stellt, kriegt er plötzlich ein Stück Coolness mit.

Olli Dittrich nimmt sich Talkshows zur Brust

Gibt es noch mehr?

Grewenig: Wir werden in den nächsten drei Jahren weiter mit Olli Dittrich zusammenarbeiten. Er macht den „TV-Zyklus“ weiter (eine Parodie öffentlich-rechtlicher Formate; Red.). Nach dem „Frühstücksfernsehen“ kommen die Talkshows dran. Wir werden das im Ersten ausstrahlen, zwischen Weihnachten und Neujahr, im Anschluss an das Jahresrückblicksquiz mit Frank Plasberg. Projekte wie diese der „TV-Zyklus“ laufen im Fernsehen, funktionieren aber auch im Netz.

Und was passiert mit den Traditionsmarken?

Grewenig: Wir pflegen sie weiter und erneuern sie behutsam. Traditionsmarken wie „Zimmer frei“ oder „Mitternachtsspitzen“ bleiben, auch „Das NRW-Duell“. Aber auch dort gibt es immer etwas Neues, damit der Zuschauer immer noch einen Moment der Überraschung hat.