Baikonur. Mit einer Videokonferenz nach der Ankunft auf der ISS hat sich der deutsche Astronaut Alexander Gerst bei seiner Familie gemeldet. “Der Flug war fantastisch“, sagte der 38-Jährige bei der Schalte aus 400 Kilometern Höhe. “Ich kann es noch nicht glauben, es ist wie im Traum.“
Als dritter Deutscher hat der Astronaut Alexander Gerst seinen Dienst auf der Internationalen Raumstation ISS angetreten. Nach dem Andocken der Sojus-Kapsel öffneten sich am Donnerstagmorgen um 5.52 Uhr MESZ die Luken der Raumschiffe, und Gerst schwebte als erster rund 400 Kilometer über der Erde an Bord. Begleitet wurde er von dem Russen Maxim Surajew und dem US-Amerikaner Reid Wiseman.
Der 38-jährige Geophysiker Gerst bleibt rund ein halbes Jahr auf der Raumstation und soll mehr als 100 Experimente betreuen. Auch mindestens ein Außeneinsatz im All ist geplant. Die Sojus hatte um 21.57 Uhr MESZ vom Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan abgehoben und den Außenposten der Menschheit nach etwa sechs Stunden erreicht.
«Es ist ein sehr emotionaler Moment, wenn die Luken aufgehen», sagte der deutsche Ex-Astronaut Ulf Merbold (72), der den Start in Baikonur verfolgt hatte. «Eine solche Mission benötigt eine lange Vorbereitung, da ist das Ankommen für alle eine Erlösung», betonte Merbold, der als einziger deutscher Astronaut dreimal im All war.
Vor Gerst war zuletzt als Deutscher Hans Schlegel 2008 im Kosmos. Auf der ISS arbeiten derzeit außer den drei Neuankömmlingen noch der US-Astronaut Steven Swanson sowie die Kosmonauten Alexander Skworzow und Oleg Artemjew.
«Bis denn dann! Würde euch gerne alle mitnehmen...», schrieb der Geophysiker aus Künzelsau (Baden-Württemberg) kurz vor dem Start in der Ex-Sowjetrepublik beim Kurznachrichtendienst Twitter.
Das russische Staatsfernsehen übertrug den Beginn der Mission im Kosmos direkt. Knapp neun Minuten später erreichte die Kapsel nach dem Abkoppeln der dritten Stufe wie geplant den Orbit. «Wir feiern erst, wenn dieser letzte Block abgefallen ist», hatte Frank De Winne von der Europäischen Raumfahrtagentur Esa angekündigt. Das Maskottchen der Crew, eine orange Stoffgiraffe, begann in der Sojus zu schweben und zeigte damit den Beginn der Schwerelosigkeit an.
«Adrenalin steigt etwas, bin aber erstaunlich entspannt», hatte Gerst zuvor getwittert. Vater Hans-Dieter Gerst beobachtete bei wolkenlosem Himmel und milden Temperaturen mit seinen beiden anderen Söhnen das Zünden der Triebwerke von einer rund zwei Kilometer entfernten Ehrentribüne aus. «Ich wünsche Alexander viel Spaß da oben. Und dass er gesund wiederkommt», meinte der 59-jährige Schlossermeister.
Eingeladen waren auch Raumfahrtlegende Sigmund Jähn (77), der 1978 - als DDR-Bürger - als erster Deutscher ins All geflogen war, sowie Merbold.
Gerst hatte eine Reise zu den Sternen stets als «Kindheitstraum» bezeichnet. Er ist der elfte Deutsche im All. Nur die Raumfahrtgroßmächte Russland und USA haben mehr Menschen in den Kosmos geschickt. Auf der ISS waren vor Gerst lediglich die Deutschen Thomas Reiter und Hans Schlegel, der vor sechs Jahren als bisher letzter Deutscher überhaupt im All war.
Die Rückkehr der dreiköpfigen Crew ist für den 11. November vorgesehen. Der Missionsname «Blue Dot» (Blauer Punkt) bezieht sich auf einen Ausdruck des US-Astrophysikers Carl Sagan, der die Erde aus dem Weltraum als «pale blue dot» (blassblauen Punkt) bezeichnete.
Experten fürchten nun, dass auf der ISS bald die Lichter ausgehen könnten
Seit die USA ihre Space Shuttles 2011 einmotteten, können Nasa-Astronauten nur noch in russischen Kapseln mitfliegen. Für jeden Platz in einer Sojus zahlen die USA 50 Millionen Euro, fast ebenso viel soll die Mitfluggelegenheit für Gerst kosten.
Das Schicksal der Raumstation steht allerdings in den Sternen. Russland hat nach mehr als 15 Jahren ein Ende seines Engagements beim fliegenden Labor für 2020 angekündigt. Dabei handelt es sich wohl auch um eine Reaktion auf US-Sanktionen im Ukraine-Konflikt.
Experten fürchten nun, dass auf der ISS bald die Lichter ausgehen könnten. Nach dem kosmischen Wettlauf zwischen der Sowjetunion und den USA im Kalten Krieg gilt die Raumstation heute auch als Symbol der Völkerverständigung. (dpa)