Rockville. Waffenhändler Andy Raymond bekam Todesdrohungen – weil er eine deutsche Spezialpistole verkaufen wollte. Als erster Händler wollte er die Waffe mit einer Art „Kindersicherung“ ins Sortiment aufnehmen. Doch das war der Waffenlobby zu viel.
Man kann wirklich nicht behaupten, dass Andy Raymond etwas gegen Waffen hätte. Er verdient seinen Lebensunterhalt damit. Wer daran etwas zu mäkeln hat, wird von dem kahlgeschorenen Geschäftsmann rüde Bescheid gestoßen. „Es ist unser verdammtes Recht, es steht in der Verfassung.“ In seinem Laden in Rockville vor den Toren Washingtons verkauft der 34-Jährige vorzugsweise halbautomatische Schnellfeuergewehre. Doch als erster Händler in Amerika wollte er auch eine in Deutschland produzierte Spezialwaffe ins Sortiment aufnehmen. Sie könnte dazu beitragen, die Zahl von jährlich 32.000 Opfern von Waffengewalt in den USA zu senken. Sagt der Hersteller. Vor allem Kinder, die auf Waffen ihrer Eltern stoßen, wären sicherer. Hört sich vernünftig an. Aber was heißt das schon in einem waffenverrückten Land.
Der digitale Mob wütet
Statt Ermutigung bekam Andy Raymond Ende letzter Woche binnen weniger Stunden Hunderte wütende Anrufe und E-Mails. „Ich war geschockt. Ich wurde als Verräter bezeichnet“, erzählt er im Interview an der Ladentheke, „später kamen dann Todesdrohungen dazu und die Ankündigung, mein Geschäft niederzubrennen, wenn ich die iP1 ins Programm nehme.“
Andy Raymond sieht mit seinen Popeye-Unterarmen, auf denen Totenköpfe und Fabelwesen tätowiert sind, nicht so aus, als ließe er sich leicht einschüchtern. „Mann, ich sage Dir, diesmal hatte ich keine Wahl. Ich muss an meine wirtschaftliche Zukunft denken. Und an die meiner fünf Angestellten.“
Waffe funktioniert nur mit Spezialuhr
Auf YouTube machte der bullige Kleinunternehmer einen wortreichen Kotau und versprach, das in Unterföhring bei München ersonnene Schießeisen nicht zu verkaufen. Ähnliches geschah bei einem Händler in Kalifornien. Die iP1 der Firma Armatix ist auf dem lukrativsten Handfeuerwaffen-Markt der Welt ein Schuss in den Ofen. Dabei hatte Ernst Mauch, früher Chefkonstrukteur bei Heckler & Koch, sein „Kind“ schon Vizepräsident Joe Biden und Justizminister Eric Holder vorgestellt.
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Der Trick bei der iP1 ist der: Ohne eine dazu gehörende Spezialuhr, die der Schütze am Handgelenk tragen und vorher mit einem Pin-Code füttern muss, ist die Knarre wertlos. „Sie löst nur aus, wenn man beides hat“, sagt Andy Raymond. Er hatte vor zwei Jahren mit Armatix die Verhandlungen über einen Import begonnen. Raymond war bewusst, dass die Benutzungseinschränkung „keinen Verkaufsschlager produzieren wird“. Zumal sie mit knapp 1800 Dollar fast doppelt so viel kostet wie eine konventionelle Pistole. „Ich finde aber, dass jede Waffe eine Marktchance haben muss“, sagt Raymond, „und wenn man mit so einer Pistole Leute an Waffen gewöhnen kann, dann ist das eine gute Sache.“
Dabei war ihm ein juristischer Haken entgangen, der die Protestwelle maßgeblich ausgelöst hat. Im Nachbarbundesstaat New Jersey gilt seit 2002 ein Gesetz, das in Kraft tritt, sobald eine „smart gun“ (intelligente Waffe) irgendwo in den USA in den Verkauf geht. Demnach sollen binnen drei Jahren sämtliche in New Jersey verkauften Schießprügel eine per Funk gesteuerte Sicherheitstechnik aufweisen, wie Armatix sie anbietet.
„Praktisch wäre das auf Sicht das Ende der traditionellen Waffenherstellung“, heißt es bei der Anti-Waffen-Organisation „Brady Campaign“. Die fünf Millionen Mitglieder starke „National Rifle Association“ (NRA) sah die „Gefahr“ sehr schnell. Funktioniert das Modell in New Jersey, analysierten die beinharten Waffen-Befürworter, werde die Anti-Waffen-Regierung von Präsident Obama den Standard landesweit durchsetzen wollen. Für Andy Raymond wäre das der „Untergang Amerikas“. Dann lieber keine intelligenten Waffen verkaufen, sagt er. „Brutus Beefeater Washington III“, seine Bulldogge, lässt in diesem Moment den riesigen Plastikknochen fallen. Es klingt wie ein Schuss mit dem Schalldämpfer.