Braunschweig. Immer wieder gibt es Meldungen von Ölgeruch in Flugzeugen. Dämpfe in Verkehrsflugzeugen verunsichern Piloten, Stewardessen und Passagiere. Eine neue Studie belegt: Es ist was dran - auch wenn Auswirkungen auf die Flugsicherheit bisher nicht nachweisbar sind.

Knapp zwei Wochen vor der Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung (ILA) in Berlin bieten Deutschlands oberste Flugunfalluntersucher neuen Gesprächsstoff. Sie rücken ein ebenso komplexes wie emotional besetztes Thema ins Zentrum einer Studie, das auch bei Spekulationen um das Verschwinden von Flug MH370 wiederholt auftaucht. Es geht um rätselhafte Dämpfe und Gerüche, die Piloten schwindlig werden und Stewardessen die Nasen rümpfen lassen. Ein Horror-Szenario, das Flugangst befeuert. "Das Thema zu bewerten ist schwierig", gibt ein Sprecher des Bundesverkehrsministerium zu.

Seit dem Jahr 2010 steigt die Zahl der gemeldeten Vorfälle steil an - vor allem in Deutschland. "Unsere Daten belegen, dass sich weltweit jeder fünfte gemeldete derartige Zwischenfall in einem deutschen Flugzeug ereignet", sagt Ilias Maragakis, Sprecher der europäischen Flugsicherheitsbehörde EASA in Köln. Doch warum nur? Deutschland stellt im globalen Rahmen ja keine riesige Flugzeugflotte. Der EASA fehlt bisher eine plausible Erklärung - für sie hat das Thema aber nach eigenen Angaben auch keine Priorität.

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Die Experten der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) in Braunschweig dagegen spürten dem Phänomen in einer aufwendigen Studie nach. Sie fanden heraus: Es ist was dran - auch wenn Auswirkungen auf die Flugsicherheit bei 845 untersuchten Fällen aus den Jahren 2006 bis 2013 kaum nachzuweisen waren. 663 Störungen standen in irgendeinem Zusammenhang mit der Kabinenluft. Davon gab es in 15 Fällen weder Rauch noch Geruch, aber bestimmte gesundheitliche Beschwerden, die eine Verbindung zur Kabinenluft nahelegten.

Auch in der Studie bleiben viele Fragen offen

Ziel der Studie war weniger die Feststellung der Ursachen oder des Verschuldens, sondern vor allem die Frage, inwieweit das Phänomen sich auf die Flugsicherheit auswirkt. "Wir hoffen, dass wir hier einen Beitrag zur Versachlichung des Themas leisten können", erklärt der zuständige BFU-Experte für die Studie, Johann Reuß. Er gibt zu, dass auch nach der Studie noch viele Fragen offen bleiben.

"Wo wir ein großes Fragezeichen haben sind die Langzeitwirkungen - das ist noch offen und sollte eingehend untersucht werden", sagt der Ingenieur. Es sind Fälle wie der schwere Zwischenfall an Bord eines Airbus A319 der Germanwings im Landeanflug auf den Flughafen Köln-Bonn, die die BFU zu ihrer Studie veranlassten. Die Piloten hatten im Dezember 2010 kurz vor der Landung im Cockpit einen "verbrannten" und "elektrischen" Geruch wahrgenommen; sie verspürten dann starke Übelkeit und Schwindel. Beide setzten Sauerstoffmasken auf - aus Sicht der BFU völlig zu Recht.

Ein Kernproblem der Braunschweiger Experten bei ihrer Studie: Sie hatten oft kaum Zugang zu medizinischen Befunden. Zudem blieb im Dunkeln, inwieweit ein Zusammenhang mit derartigen Ereignissen besteht - er ließ sich im Nachhinein oft nicht nachweisen. Hinzu kommt, dass viele Ärzte für dieses wenig erforschte Problem kaum sensibilisiert sind - verlässliche Zahlen sind schwierig zu bekommen.

"Deutliche Hinweise auf gesundheitliche Belastungen"

Aufhorchen lässt in der BFU-Studie aber der Satz: "Es gab deutliche Hinweise, die auf gesundheitliche Belastungen im Sinne der Arbeitsmedizin für Piloten und Kabinenbesatzungen hindeuten." Dabei geht es vor allem um mögliche langfristige gesundheitliche Schäden.

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Im Zentrum der Debatte um die Kabinenluft steht die technische Konzeption der Maschinen. Denn die Kabinenluft wird meist aus den Kompressoren der Triebwerke abgezapft, von wo mitunter Öldämpfe ins Belüftungssystem gelangen können. Und die sind schädlich. Die BFU richtet daher sowohl an die EASA wie auch die Industrie Sicherheitsempfehlungen, die eine bessere Erfassung der Zwischenfälle und auch deren Erforschung ermöglichen. Zudem sollen neue Standards bei der Zulassung von Flugzeugen helfen, Beeinträchtigungen der Kabinenluft von vornherein zu vermeiden.

Für die Passagiere haben die Autoren der Studie allerdings beruhigende Nachrichten: Die meisten untersuchten Fälle hatten ihrer Ansicht nach lediglich Auswirkungen auf den Komfort. "Es sind Meldungen, die zum Beispiel unangenehme aber harmlose Gerüche beschreiben", erklären die Experten. (dpa)