Missoula. Ein 17-jähriger Austausch-Schüler aus Hamburg ist in den USA von einem Hausbesitzer mit einer Schrotflinte erschossen worden. Der Schütze soll den Jungen angeblich für einen Einbrecher gehalten haben. Der Hausbesitzer ist offiziell des vorsätzlichen Totschlags beschuldigt.
Der tragische Tod eines 17-jährigen deutsch-türkischen Austauschschülers aus Hamburg im US-Bundesstaat Montana geht nach erster Einschätzung von Ermittlern auf den vorsätzlichen Tötungswillen eines schießwütigen Hausbesitzers zurück.
Wie die WAZ aus Justizkreisen in Missoula erfahren hat, wollte der in Untersuchungshaft sitzende Täter, Markus Hendrik Kaarma (29), dem männlichen Wesen, dass er Sonntagnacht via Überwachungskamera in seiner absichtsvoll offen stehenden Garage erwischte, gar keine Chance lassen. „Er sah ihn auf dem kleinen Bildschirm im Haus, ging mit seiner Schrotflinte raus zur Garage und schoss viermal. Ohne Vorwarnung. Und ohne den Versuch, die Situation nicht eskalieren zu lassen“, sagte ein mit den Ermittlungen vertrauter Beamter auf Anfrage. Kaarma erklärte bei der Vernehmung, die Polizei sei unfähig, Täter auf frischer Tat zu schnappen.
Opfer erlag im Krankenhaus seinen Verletzungen
Zwei Kugeln trafen Diren Dede, der seit August vergangenen Jahres auf der Big Sky High School in Missoula die 11. Klasse als Austauschschüler absolvierte und dort laut Schulleitung nicht nur wegen seiner sportlichen Fähigkeiten „sehr beliebt und erfolgreich war“, am Kopf und am Arm. Der für den SC Teutonia 1910 in Hamburg-Altona spielende Amateur-Fußballer erlag kurz darauf im Krankenhaus seinen schweren Verletzungen.
In Montana gilt, wie anderswo auch in den USA, ein Gesetz, das Hauseigentümern (bei gerichtlich nachprüfbarer Gefahr für Leibe und Leben) das Recht gibt, sich im Notfall auch mit tödlicher Waffengewalt gegen Einbrecher zu verteidigen. Darum gingen viele Leser-Kommentare auf den Internetportalen der 68 000 Einwohner-Stadt acht Stunden Autofahrt östlich von Seattle zunächst von Notwehr aus.
Staatsanwalt Andrew Young glaubt aber nach Informationen dieser Zeitung nicht, dass die sogenannte „Castle Doctrin“ in diesem Falle zieht. Kaarma sei weder angegriffen noch bedroht worden, heißt es in Justizkreisen. Der Hausbesitzer ist darum seit Montagnachmittag offiziell des vorsätzlichen Totschlags beschuldigt. Im Falle einer Verurteilung drohen ihm 10 bis 100 Jahre Gefängnis. Am 12. Mai wird sich entscheiden, ob die Anklage zugelassen wird und es zum Prozess kommt.
„Ich warte nur darauf, endlich einen verdammten Bengel zu erschießen“
Manches deutet darauf hin, dass Kaarma die Situation gleichsam einer Strafaktion herbeigesehnt hat. „Ich warte nur darauf, endlich einen verdammten Bengel zu erschießen“, soll der Angeklagte laut einer Zeugin beim Friseur gesagt haben, meldete der TV-Sender NBC. Wie die Polizei bestätigt, wurde in der jüngsten Vergangenheit zweimal bei Kaarma und dessen Partnerin Janelle Pflager eingebrochen. Das Paar entschied sich deshalb eine Falle zu basteln. In der mit Bewegungssensoren, einer Überwachungskamera und einem Babyfon ausstaffierten Garage, die bewusst halb offen gelassen wurde, war eine Handtasche als „Beute“ deponiert. Bei Beitreten ging ein Alarm los - das Ende ist bekannt.
Kaarma versuchte, den ihm unbekannten und unbewaffneten Schüler, der nur wenige Minuten entfernt bei seiner Gastfamilie lebte, nicht zur Rede zur stellen oder in Schach zu halten. „Es gab keine Hände-hoch-Warnung“, sagte ein Ermittler. Noch rief der Schütze die Polizei zur Hilfe. „Er schoss einfach ins Dunkle.“ Obwohl Dede ihn weder angegriffen oder auch nur bedroht habe. Von einem Gebrauch des Notwehrrechts auf heimischem Grundstück könne darum wohl nicht zwingend die Rede sein.
Wie es aus Polizeikreisen heißt, war Diren Dede mit einem anderen Austauschschüler unterwegs, der sich vor dem fatalen Ende davon machte. Bei seiner Vernehmung lieferte der Junge Aufschluss bei der Frage, was Diren eigentlich in der Garage suchte: „Etwas zu trinken.“ Markus Hendrik Kaarma fühlt sich nach Angaben seines Anwalts Paul Ryan "schrecklich". Dass man ihn de facto des Mordes anklage, verstehe sein Mandant allerdings nicht.