Washington. . Ein Weißer hat im Streit über laute Musik einen schwarzen Jugendlichen getötet. Für die US-Jury war es kein vorsätzlicher Mord, doch ihm droht ewige Haft.
Nach spektakulären Gerichtsverfahren mit rassistischen Untertönen gehen die Reaktionen in Amerika regelmäßig weit auseinander. Im Fall Michael Dunn versus Jordan Davis waren die Sichtweisen am Samstag im Gerichtsgebäude von Duval County, Jacksonville, Florida besonders extrem. Der weiße Angeklagte fühlte sich bis zum Schluss im Recht. Umso schockierter war er über das Urteil, das ihn nach dem Gesetzbuch zwischen 60 und 105 Jahre ins Gefängnis bringen kann.
Vorausgesetzt, angekündigte Einsprüche und ein neuer Prozess führen nicht zu anderen Ergebnissen. Die Eltern des afro-amerikanischen Opfers reagierten dagegen mit Genugtuung darüber, dass der viele noch immer sprachlos machende Tod ihres Sohnes nicht ungesühnt bleibt. Allein schwarze Bürgerrechtsgruppen haderten mit der Tatsache, dass die Geschworenen dem zentralen Punkt der Anklage nicht einstimmig folgten.
Rückblick: Der 47-jährige Software-Entwickler Michael Dunn hatte den 17-jährigen Jordan Davis in einem mit vier schwarzen jungen Männern besetzten Auto vor einer Tankstelle in Jacksonville im November 2012 erschossen. Dem Konflikt war ein Streit um Rap-Musik vorausgegangen, genauer: um die Lautstärke.
Die Waffe, von der Dunn sprach, gibt es nicht
Dunn behauptete, nach einem Wortwechsel, in dem er darum gebeten habe, die Musik leiser zu stellen, sei aus dem Auto der jungen Männer erst unflätig gemeckert und dann eine Waffe auf ihn gerichtet worden. Darum habe er von seinem „Stand Your Ground“-Notwehrrecht Gebrauch gemacht (etwa: „Weiche nicht zurück“) und geschossen. Dunn drückte zehn Mal auf das direkt neben ihm parkende Auto ab, drei Kugeln trafen Jordan Davis. Die anderen Männer blieben unverletzt. Nach der Tat benachrichtigte Dunn nicht die Polizei. Er bestellte eine Pizza und fuhr mit seiner Lebensgefährtin, die während der Schießerei an der Tankstelle Getränke kaufte, einfach nach Hause.
Am Tag darauf wurde er verhaftet. Die Waffe, von der sich Dunn bedroht gefühlt haben will, gab es nach Angaben der Staatsanwaltschaft nie. Trotzdem argumentierte Dunns Anwalt Corey Strolla, sein Mandant habe „um sein Leben gefürchtet“. Chefankläger John Guy widersprach vehement. Dunn fühlte sich sich von den jungen Schwarzen nicht genug respektiert. „Der Angeklagte hat nicht in einen Wagen voll mit Menschen geschossen, um sein Leben zu retten“, sagte Guy, „er hat geschossen, um seinen Stolz zu retten. Jordan Davis hatte keine Waffe, er hatte nur eine große Klappe.“ Im Prozess bekam der Staatsanwalt unerwartete Unterstützung von Dunns Partnerin Rhonda Rouer. Sie erklärte unter Eid, dass Dunn nie von einer auf ihn gerichteten Waffe gesprochen habe.
Die zwölf Geschworenen, vier weiße Männer, vier weiße Frauen, zwei schwarze Frauen, ein Latino und eine Asiatin, konnten sich nicht auf das erforderliche einstimmige Votum zum Hauptanklagepunkt — vorsätzlicher Mord – einigen. Richter Russell Healy blieb keine Wahl, als den Anklagepunkt zu streichen.
„Dunn kriegt mindestens 60 Jahre“
Weil die Jury Dunn bei den restlichen Vorwürfen (dreifacher versuchter Mord mit bedingtem Vorsatz und Benutzung einer Schusswaffe) schuldig sprach, muss der Angeklagte de facto trotzdem mit einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe rechnen. Richter Healey wird am 24. März den Termin für die Verkündung des Strafmaßes bekanntgeben. Aus Justizkreisen in Jacksonville hieß es gestern: „Dunn kriegt mindestens 60 Jahre“.
Davis‘ Eltern, Lucia und Ray, hatten befürchtet, dass Dunn – wie George Zimmermann im Fall Trayvon Martin – freigesprochen wird. In dem Prozess, der 200 Kilometer südlich von Jacksonville spielte, hatte ebenfalls 2012 ein Weißer einen 17-jährigen Schwarzen unter dubiosen Umständen angeblich aus Notwehr getötet.