Berlin.. Sein Job war es, Schauspieler gut aussehen zu lassen. Das tat Kamera-Künstler Michael Ballhaus nicht selten mit seinem Markenzeichen, der Kreisfahrt. Der 79-Jährige, der sein Augenlicht verliert, hat ein Buch über seine Arbeit und sein Leben geschrieben: “Bilder im Kopf“.

Michelle Pfeiffer hätte sich eigentlich ausdrücklich bei ihm bedanken müssen. Denn kein Mann hat sie je besser aussehen lassen als Michael Ballhaus. Der umkreiste sie mit seiner Kamera, als sie sich im feuerroten Kleid auf dem Klavier von Jeff Bridges räkelte, 1989 war das, im wunderbaren Film „Die fabelhaften Baker Boys“.

Ballhaus aber, der die Kreisfahrt mit der Kamera populär machte, und der in 46 Jahren 80 Kinofilme gedreht hat mit den Größten der Großen in Deutschland und Hollywood, der macht kein Aufhebens um seine Kunst: „Es ist ja mein Job, sie gut aussehen zu lassen“, sagt er mit seiner sanften, bedächtigen Stimme, als wir an einem Morgen miteinander telefonieren. Ein Künstler seiner Qualitätsklasse spürt die Anerkennung, er braucht keine wortwörtliche Bestätigung.

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Ballhaus, groß geworden in einer fränkischen Theaterfamilie und mittlerweile 79, sitzt in seiner Berliner Wohnung, in der er mit seiner zweiten Ehefrau lebt, der Regisseurin Sherry Hormann. Er hat ein Buch über sein Leben und seine Arbeit geschrieben, es heißt „Bilder im Kopf“ (Deutsche Verlags-Anstalt, 320 Seiten, 22,99 Euro) und es ist vor allem, aber nicht nur für Filmfreunde ein Vergnügen, es zu lesen.

Die Macht des Kameramanns über die Schauspielerinnen

Die Macht des Kameramanns über die Schauspielerinnen, die war ihm stets bewusst. „Wenn man weiß, dass Meryl Streep von links betrachtet eine große Nase hat, dann fotografiert man sie halt nicht von links“, sagt Ballhaus in aller Nüchternheit. Er kennt die Gesichter der Akteure, ihre Stärken und Schwächen, bevor er sie filmt. Beklagt hat sich hinterher keine bei ihm, auch wenn er sich daran erinnert, dass Kelly McGillis („Top Gun“) sich bei den Dreharbeiten zum Krimi „Das Haus in der Carroll Street“ wie „eine Zicke“ aufgeführt habe. „Sie sollte sich für eine Szene obenrum freimachen, was sie in einem anderen Film auch schon getan hatte und machte ein Riesentheater, das dauerte ewig“, erinnert sich Ballhaus. Als sie sich dann überreden ließ, „wollte sie sich überhaupt nicht mehr anziehen, sie lief den halben Tag so herum und hat uns genervt.“

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Die besondere Beziehung des Kameramanns, der sich seines verwegenen Aussehens bewusst war, zu den Schauspielerinnen wurde zuweilen zur Gratwanderung mit Grenzüberschreitungen. „Ja, es gab da ein paar Affären, das hab’ ich zugegeben“, erzählt er, das war, als er noch in Deutschland drehte. „In Amerika ist nichts passiert, meine damalige Frau Helga war bei den Dreharbeiten ja immer dabei.“ Sie starb 2006. Florian, einen seiner beiden Söhne machte er zum Kameraassistenten. Als Aufpasser? „Nein“, sagt Ballhaus und lacht, „so schlimm war’s ja nicht.“

Respekt vor der Schauspielerei

Wenn man sein Buch liest, fühlt es sich an, als sei er mit den Stars der Branche bestens ausgekommen. Dabei gelten Schwergewichte wie Jack Nicholson, Dustin Hoffman, Tom Cruise, Paul Newman oder Robert De Niro nicht als pflegeleicht. Was ist Ballhaus’ Geheimnis? „Es ist meine Demut für den Beruf des Schauspielers, mein ungeheurer Respekt vor dessen Arbeit, ich bin am Theater groß geworden“, sagt er.

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Und natürlich hatte er Erfahrung im Umgang mit Exzentrikern, als er 1982 seinen ersten Film in Amerika machte: Er hatte 16 Filme für Rainer Werner Fassbinder gedreht, der bei der Arbeit gerne hyperventilierte. „Ein Monster“, nennt Ballhaus ihn, von seiner Kreativität schwärmt er allerdings noch heute. Er habe sich aber nicht von ihm vereinnahmen lassen: „Ich wollte unabhängig bleiben“, betont Ballhaus. Fassbinder habe seine Crew wie eine Familie betrachtet, wie sein Eigentum.

Damals lernte der junge Kameramann zielstrebig und schnell zu arbeiten. „Es war ja fast nie Geld da, da musste jede Einstellung sitzen.“ Eine Qualität, die ihm in Hollywood zugute kam, wo ihn unter anderem Martin Scorsese für eine Reihe seiner besten Filme verpflichtete.

Filme schaut er nur noch daheim

Wäre Michael Ballhaus gläubig, müsste er es als zynische Pointe empfinden, dass er mit dem Grünen Star gestraft ist, einer Krankheit, die ihm langsam das Augenlicht raubt. „Das ist eine Katastrophe“, sagt er leise, „aber ich habe es ja lange gewusst und Zeit gehabt, mir Gedanken zu machen. Ich habe so viel Glück gehabt im Leben und nun eine Frau, die mich liebt und die mir hilft. Ich hab’ das Hörbuch entdeckt und damit auch die Weltliteratur.“ Filme schaut Michael Ballhaus fast nur noch daheim, mit Hilfe einer großen Projektion. „Manchmal“, erzählt er, „muss Sherry mir schon sagen, was passiert. Ich kann es leider nicht mehr genau erkennen.“