Los Angeles.. Bei der 86. Ausgabe der Hollywood-Trophäen beeindruckte die Rede von Cate Blanchett, die gerührte Freude von Lupita Nyong’o und ein Liza-Minnelli-Double. Eine Oscar-Nacht mit großen Gewinnern, großen Verlierern und einem erhebenden Song - und trotzdem eine Nacht, die sich zog wie Kaugummi.

Es gibt eine schöne Wort-Kreation im Englischen, wenn man Enttäuschung mit dezentem Spott ausdrücken will: „underwhelmed“; nicht über- sondern unterwältigt. Für die 86. Leistungsshow der Illusionsindustrie in Hollywood ist das fast noch geschönt. Trotz eines so hochkarätig wie lange nicht gefüllten Teilnehmerfeldes zog sich die Oscar-Nacht wie Kaugummi. Hier der Abspann.

Die großen Gewinner

Die großen Gewinner: Mit „12 Years A Slave“ hat die 6000-köpfige Academy-Jury Geschichte geschrieben. Mit Steve McQueen gewann zum ersten Mal ein schwarzer Regisseur, noch dazu ein Brite, den Preis für den besten Film. Die wahre Geschichte des Afroamerikaners Solomon Northup, der als freier Mann 1808 in New York geboren wurde, dann gekidnappt, entrechtet und als Sklave in den Süden verschleppt wird, setzt ein besonders dunkles Kapital Amerika in Szene. Hollywood zeigt fast 40 Jahre nach Alex Haleys „Roots“ echtes Geschichtsbewusstsein.

Sieben Oscars für „Gravity“

Schwerkräftig, aber auch gewichtig genug? Mit sieben Goldstatuen hat das penibel-akkurate Weltraum-Opus „Gravity“ alle Skeptiker auf den Mond geschossen. Die Geschichte über eine Space-Shuttle-Mission, in der fast alles schief läuft, als das Raumschiff von Weltraumschrott zerstört wird, räumte die meisten Preise in den Handwerkskategorien (Kamera, Musik, Ton etc.) ab. Mit Alfonso Cuarón ehrte die Academy auch den besten Regisseur. Kein Film mit Tiefgang oder Gesellschaftskritik. Aber 700 Millionen Dollar Ticket-Erlöse zeigen, dass die Nasa-Raumfahrtprogramme doch irgendwie vermisst werden.

Die Dankesreden

Die Dankesreden: Cate Blanchett (beste weibliche Hauptrolle in „Blue Jasmine“) erwähnte den unter Missbrauchsvorwürfen stehenden Regisseur Woody Allen nur kursorisch und hielt ansonsten eine furiose Ermutigungsrede an und für Frauen im Filmgeschäft. Matthew McConaughey (beste männliche Hauptrolle in „Dallas Buyers Club“) sprach etwas sehr ausgiebig über den lieben Gott und darüber, dass er bis ans Lebensende selbst sein größter Held sein will. Sein alleinerzogener Mitstreiter Jared Leto, der für das Aids-Überlebenshilfe-Drama als bester Nebendarsteller prämiert wurde, machte den Menschen in Venezuela und in der Ukraine Mut. „Während ihr kämpft, um eure Träume zu verwirklichen und das Unmögliche zu leben, denken wir heute Nacht an euch!“ Wirklich unter die Haut ging aber nur die aus Kenia stammende Lupita Nyong’o aus „12 Years a Slave“ (beste weibliche Nebenrolle). So unbändig froh und im gleichen Moment ehrlich gerührt zu sein, das hat man lange nicht gesehen.

Die großen Verlierer

Die großen Verlierer: „American Hustle“, die mit zehn Nominierungen gestartete Gauner-Farce, ging komplett baden. Das hatten Bradley Cooper, Christian Bale, Jennifer Lawrence & Co. nicht verdient. Auch Martin Scorsese und Leonardo DiCaprio, Erfolgsgespann in Qualität und Umsatz, können machen, was sie wollen. Niemand wollte mit ihrem „Wolf of Wall Street“ heulen.

Die schönsten Momente

Die schönsten Momente am Rande: Spike Jonze gewann den Oscar für das beste Original-Drehbuch in „Her“. Eine hellwache Story über einen kauzigen Mann, der sich in eine künstliche Intelligenz verliebt. Verdient jeden Zuschauer. Weil es einen Vorgeschmack gibt auf künftige Paarprobleme im iPhone-Zeitalter. Und weil der unerreichte Joaquin Phoenix mitspielt. „20 Feet From Stardom“, prämiert als beste Dokumentation, ist die herzerweichende Geschichte großer Background-Sängerinnen. Bei der Übergabe der Trophäe legte Darlene Love, eine der Besten ihres Fachs, eine A-Capella-Version hin, dass es die Gäste im Dolby Theater aus den Sitzen hob: „I sing because I’m happy, I sing because I’m free.“