Paris.

„Sie ist der Mann, der ich immer sein wollte“, hat Gérard Depardieu einmal über Catherine Deneuve gesagt. Die Verblüffung über diese Verneigung von Frankreichs populärstem Schauspieler vor seiner Filmpartnerin in François Truffauts Meisterwerk „Die letzte Metro“ war enorm. Wie bitte? Meinte er wirklich die Deneuve, den Megastar des europäischen Kinos, jene umschwärmte Diva, deren bestechende Schönheit und Eleganz zum Idealbild französischer Weiblichkeit wurde?

Die Antwort lautet: Ja. Dem gestandenen und trinkfreudigen Mannsbild Depardieu, nicht gerade bekannt für seine Komplimente für Schauspielerkolleginnen, war es ernst. Und er ist keineswegs der Einzige, der die Deneuve weniger wegen ihrer Schönheit als wegen ihrer Intelligenz, Selbstständigkeit und Unabhängigkeit bewundert. Doch das öffentliche Bild der Französin, die heute 70 Jahre alt wird, ist ein anderes. Es wird geprägt von der Aura der kühlen Blonden, unnahbar und geheimnisvoll.

An die 140 Filmehat sie gedreht

Es war Louis Bunuels 1966 gedrehter Kultfilm „Belle de Jour“, mit dem dieses Image geboren wurde. Die Rolle der distinguierten Hausfrau, die ihre masochistischen Neigungen als Halbtagsprostituierte in einem Bordell auslebt, schien der Deneuve auf den Leib geschrieben. Anziehend und distanziert zugleich stellte sie mit stets kontrollierter Mimik eine Frau dar, unter deren makelloser Oberfläche die Verruchtheit lodert wie Feuer unter dem Eis.

An die 140 Filme hat die Deneuve in ihrer langen Karriere gedreht. In Frankreich läuft gerade „Elle s’en va“ (Sie haut ab) in den Kinos, ein Roadmovie, in dem sie als Ex-Schönheitskönigin in einem alten Mercedes die Flucht vor ihrem in Trümmern liegenden Leben ergreift. Und 2014 wird „L’Homme que l’on aimait trop“ (Der Mann, der zu sehr geliebt wurde) ihres Lieblingsregisseurs André Techiné herauskommen, mit dem sie u. a. „Diebe der Nacht“ und „Schauplatz des Verbrechens“ drehte.

Seit einiger Zeit versucht die Deneuve, die wenig von Interviews hält, gegen ihr Image anzukämpfen. „Ich bin weder geheimnisvoll noch kühl“, erklärte sie jüngst, „sondern eher ziemlich unvernünftig. Aber diskret!“ Tatsächlich hat die Schauspielerin ihr turbulentes und unkonventionelles Privatleben stets sorgsam vor den Medien abgeschirmt. So war sie zwar von 1965 bis 1972 die Ehefrau des britischen Modefotografen David Bailey, bekam ihre Kinder jedoch von Männern, mit denen sie nicht verheiratet war: Sohn Christian hat den Regisseur Roger Vadim zum Vater, Tochter Chiara stammt vom italienischen Filmstar Marcello Mastroianni.

„Sie ist eben eine Göttin, eine der wenigen Schauspielerinnen, die verstanden hat, dass ein Leinwandstar nicht aus der Welt der Träume in die Straße hinabsteigen darf“, antwortete der US-Regisseur Martin Scorsese auf die Frage, warum sich Catherine Deneuve seit nunmehr 50 Jahren an der Spitze des schnelllebigen Filmgeschäfts halten konnte.

Sie ist Großmutterund steht dazu

Daran stimmt, dass die Deneuve im Gegensatz zu anderen erfolgreichen Kolleginnen nie Theater gespielt hat oder in Fernsehproduktionen zu sehen war. Aber Scorsese würde seinen Augen nicht trauen, wenn er die angeblich so unnahbare Diva in Paris sehen könnte, wo sie regelmäßig ihre Enkel von der Schule abholt. Ja, richtig, Catherine Deneuve ist mehrfache Großmutter. Und sie steht dazu.

Diskretion und Zurückhaltung mögen Markenzeichen der Deneuve sein, doch Starruhm geht bei ihr nicht mit der Verpflichtung einher, aus ihrem Herzen eine Mördergrube zu machen. Obwohl sie bis heute auf der bei Feministinnen verpönten Anrede „Mademoiselle“ besteht, engagierte sie sich 1971 vehement für das Recht auf Schwangerschaftsabbruch. So gehörte sie zu jenen 343 prominenten Französinnen, die in dem „Manifest der Schlampen“ trotz der geltenden Strafandrohung öffentlich bekannten, abgetrieben zu haben.