Rio de Janeiro. . Die Rauchsäulen waren bis ins acht Kilometer entfernte Zentrum Rio de Janeiros zu sehen. Mehrere Busse, Privatautos, Lastwagen und Polizeifahrzeuge brannten, auch Gebäude gingen in Flammen auf. Zwei Monate vor der Fußball-WM in Brasilien greift die Polizei in den Elendsvierteln durch.
Die Rauchsäulen waren bis ins acht Kilometer entfernte Zentrum Rio de Janeiros zu sehen. Mehrere Busse, Privatautos, Lastwagen und Polizeifahrzeuge brannten, auch Gebäude gingen in Flammen auf. Genau zwei Monate vor Beginn der Fußball-WM in Brasilien hat Rio de Janeiro am Wochenende einen weiteren Höhepunkt der anhaltenden Gewalt erlebt.
Die Sicherheitskräfte greifen mit zunehmender Härte in den Elendsvierteln von Rio de Janeiro durch. Bei einem Einsatz gegen mutmaßliche Kriminelle in einem riesigen Komplex unweit des Flughafens erschoss das Militär am Samstag einen Menschen. Bereits am Vortag hatten Hundertschaften der Militärpolizei gewaltsam ein von armen Familien besetztes Gelände in der Nähe des legendären Maracaná-Stadions geräumt.
Molotowcocktails und Tränengas
Am Wochenende warfen Favalabewohner Molotowcocktails und Steine, die Polizei setzte Tränengas ein. Supermärkte und Banken wurden geplündert, später kam es zu Protesten in der Innenstadt. Die Bilanz der stundenlangen Straßenschlachten nach unterschiedlichen Angaben: zwischen sieben und 19 Verletzte, darunter drei Kinder, mehr als 20 Festnahmen und erhebliche Sachschäden.
Dass sich die Zusammenstöße unweit vom WM-Stadion Maracanã zutrugen und in Vierteln, durch die wichtige Verkehrsachsen zwischen internationalem Flughafen, Zentrum und dem ebenfalls nahen Olympiastadion verlaufen, bedeutete einen zusätzlichen Imageschaden für das Gastgeberland der WM und die Stadt der Olympischen Spiele 2016. „Das also geschieht im Land der WM“, zitierte die Nachrichtenagentur AFP Favelabewohner.
Auslöser der erneuten Unruhen war die Zwangsräumung einer illegalen Armensiedlung auf einem Grundstück des Telekommunikationskonzerns Oi. Etwa 5000 Menschen hatten dort kürzlich ein seit Jahren leerstehendes Gebäude besetzt und ringsum Hütten errichtet. Kurz nachdem die Militärpolizei und die berüchtigten Sturmkommandos Bope und Choque am Freitag mit 1650 Kräften angerückt waren, das Gebäude räumten und begannen, die umliegenden Behausungen abzureißen, fingen die Auseinandersetzungen an.
Minuten entfernt vom WM-Stadion
Wenig später griffen diese auch auf benachbarte Favelas und Viertel über, darunter Jacaré, Rocha und Riachuelo. Von dort aus sind es 20 Minuten zu Fuß zum Maracanã. In der Arena finden sieben WM-Spiele statt, darunter das Finale. Vielerorts kam es zu Plünderungen. Wichtige Verkehrsadern mussten gesperrt werden, in sieben Schulen der Umgebung fiel für 3000 Schüler der Unterricht aus.
Am Samstag versuchten Bewohner des Favelakomplexes Maré unweit vom internationalen Flughafen die drei wichtigsten Schnellstraßen der Stadt lahmzulegen. Die Bewohner protestierten gegen die Umstände, unter denen der etwa 20 Jahre alte Mann zuvor am Morgen von Soldaten durch drei Kugeln getötet worden war. Laut Militär hatte der Mann das Feuer eröffnet. Die Bewohner berichteten dagegen, dieser sei auf dem Weg zu seiner Arbeit in einer Autowäsche gewesen und aus Angst vor den Soldaten weggelaufen. „Er war kein Krimineller. Was die Armee hier macht, ist schrecklich“, zitierte „O Globo“ eine Bewohnerin.
Bürgerkriegsähnliche Szenen
Die Zeitung veröffentlichte derweil im Internet ein Video der Straßenschlachten vom Freitag. Es waren bürgerkriegsähnliche Szenen, Stunden der Anarchie. Eine vertriebene Favelabewohnerin, umringt von skandierenden Frauen, hielt ein Plakat in die Kamera. „Dilma, wo bist Du? Wir wollen eine Wohnung“.
Brasilien ist WM-Gastgeber
Gerichtet war dieser Hilferuf an Dilma Rousseff. Die Staatspräsidentin unterstützt allerdings den Kurs der Härte. „Ich weiß, dass das nicht unser Gelände ist, dass wir hier nicht hingehören. Aber was sollen wir machen?“, sagte ein 34 Jahre alter Hilfsarbeiter, der mit seiner Frau, Tochter und Stieftochter auf dem Oi-Gelände gehaust hatte.