Salvador. Bald ist wieder Fußball-WM. Für die deutschen Nationalspieler beginnt sie dieses Jahr in der Küstenstadt Salvador, im Osten Brasiliens. Die Metropole blickt auf eine bewegte Geschichte zurück, in der Sklaverei eine große Rolle spielte. Heute existieren dort zwei Religionen in völliger Harmonie.

Tausende von bunten Stoffbändern flattern am hohen Zaun direkt vor dem schweren Eingangstor der Basilica Igreja do Bonfim. Ein paar Gläubige knien im gelben samtweichen Licht des Sonnenuntergangs auf einer Stufe – und beten leise vor sich hin. Die barocke Wallfahrtskirche liegt auf einem kleinen Hügel, keine halbe Stunde vom hektischen Zentrum Salvadors entfernt. Himmlische Ruhe herrscht hier – noch. Denn am 16. Juni steigt die deutsche Nationalmannschaft hier in Salvador in die Fußball-Weltmeisterschaft ein. Erster Gegner der Löw-Elf ist dann Portugal.

Die Magie dieses Ortes verzaubert aber auch ohne das runde Leder. Robelia Melo bindet den Gästen zwei „Fitinhas“ ums Handgelenk und macht drei Knoten: „Für jeden einen Wunsch.“ Mit ernstem Blick erklärt die streng gläubige Brasilianerin, die Wünsche gingen erst in Erfüllung, wenn die Bändchen von alleine abfallen.

Die heilende Kraft des Senhor do Bonfim

Nicht nur die ehemalige Geschichtslehrerin spricht der Franziskanerkirche heilende Kräfte zu. Sie präsentiert einen winzigen Raum neben dem Altar, es riecht nach süßem Rosenwasser. Die Decke ist über und über mit Plastikarmen und -beinen behangen. An den Wänden kleben Hunderte von Bittbriefen und Fotos von kranken Kindern. Ein Bild von Robelias Sohn ist auch dabei. „Als es ihm schlecht ging, bin ich hergekommen – wir glauben an die Kraft des Heiligen Senhor do Bonfim.“ Die 47-Jährige lächelt sanft und erzählt, dass ihr Sohn jetzt gesund ist und erfolgreich Marketing studiert.

Jeden Januar feiern hier Baiana-Frauen in traditionellen weißen, weiten Spitzenkleidern und hochgebundenen Kopftüchern das heilige Fest „Lavagem de Bonfim“: „Nach einer Prozession kommen sie hierher und waschen die Stufen vor der Kirche. Sie singen, klatschen, tanzen und bitten christliche Heilige, aber auch afrikanische Orixás-Götter herein – und mit ihnen viel positive Energie“, sagt Robelia. In ihren Augen leuchtet diese mystische Kraft. Die Vermischung des afrikanischen Candomblé und des Katholizismus verwischt fast jegliche kulturellen Unterschiede – zumindest innerhalb der Gemäuer des Gotteshauses.

Geister mit Orangenwasser verscheuchen

Und doch ist die Geschichte in Salvador allgegenwärtig: Im Jahre 1550 brachten Portugiesen erstmals Sklaven aus Westafrika an das Ufer der Allerheiligenbucht in der Küstenstadt. Ihre Nachkommen prägen die Dreimillionenstadt noch heute – und machen sie zur kulturell lebendigsten Stadt Brasiliens.

Es geht dahin, wo alles begann: Direkt in den alten Hafen in der Unterstadt, dort liegt der Mercado Modelo: Ursprünglich einer der größten Umschlagplätze für Sklaven in ganz Südamerika. Später wurden hier Früchte und Vieh gehandelt. Heute passieren Besucher afrikanische Götterstatuen, Jesusfiguren, bunte Capoeira-Trommeln und andere afro-brasilianische Mitbringsel. José Santos hat, versteckt in einer Ecke, einen klitzekleinen, vollgestopften Stand. Er verkauft Orangenöle, Rosenparfums, Metallrasseln und andere Instrumente – alles Requisiten für afro-brasilianische Candomblé-Zeremonien, die noch immer regelmäßig in Salvador abgehalten werden. „Mit Orangenwasser werden bei den Riten böse Geister verscheucht“, erzählt José.

Öffentliche Auspeitschungen im 19. Jahrhundert

In der nahen Bar endlich ein bekennender Fußballfan: Frankly Jesus führt die Marktbar seit sechs Jahren und freut sich tierisch auf die WM. „Das ist die Zeit, endlich einmal mehr Geld als sonst zu verdienen“, erhofft sich der Fan des lokalen Vereins EC Bahia. Insgeheim wünscht sich Frankly, das eine oder andere Spiel in der Arena Fonte Nova, dem neuen Stadion Salvadors, live zu sehen – am liebsten das Match der Deutschen. Auch er besucht die Igreja do Bonfim regelmäßig und trägt ein Wunschband am Handgelenk.

Mit dem historischen Elevador Lacerda gleich hinter dem Markt gelangen Besucher in Sekundenschnelle in die Oberstadt. Dort tauchen sie ein ins Centro Histórico rund um den Platz Largo do Pelourinho („Pranger“), an dem bis 1888 Sklaven öffentlich ausgepeitscht wurden. Robelia berichtet, dass fast 800 Bauwerke und 20 Straßenzüge in dem ehemaligen innerstädtischen Favela (Ghetto) aufwendig restauriert wurden. Das Unesco-Weltkulturerbe ist traumhaft schön.

Laut feiernde Trommelgruppen ziehen übers Kopfsteinpflaster, Palmen wehen im warmen Wind. Baianas mit knallig roten Kopftüchern und weiten Blumenröcken sitzen vor pastellfarbenen Kolonialpalästen, an denen bereits die Farbe abblättert. Sie preisen ihre leckeren Acarajés an – in Palmöl frittierte Bällchen aus Bohnenmus und Krabben.

Reise-Informationen

Anreise: Mit Condor ( 01805/76 77 57, www.condor.com) ab Frankfurt nonstop nach Salvador.

Veranstalter: Studiosus ( 00800/24 02 24 02, www.studiosus.com) bietet eine 18-tägige Rundreise mit Salvador ab 6090 Euro pro Person.
Tui ( 0511/56 78 01 05, www.tui.com) bietet eine Woche im Vier-Sterne-Hotel (Frühstück) ab 1107 Euro pro Person.
Fußball-WM: Salvador ist am 16. Juni Spielort der deutschen Nationalmannschaft gegen Portugal. Zur WM wird in der Stadt zum Beispiel Public Viewing im Park Jardim de Alah geboten.

Kontakt: Tourismusbehörde Salvador, www.bahia.com.br

Tourismusministerium Brasilien, www.turismo.gov.br

Der Glaube verbindet Schwarz und Weiß

In der Nähe der prunkvollen Klosterkirche Igreja de São Francisco weht einem der Geruch salzigen Kalbfleischs entgegen. Aus dem urigen Lokal „Alaide do Feijão“ winkt Mama Alaide die Gäste heran: „Kommt rein und probiert mein Feijoada!“ Die Köchin bereitet seit 50 Jahren das brasilianische Nationalgericht – deftiger Bohnen-Eintopf mit Fleischeinlage, Knobi und Minze – in ihrer Küche zu. Köstlich.

Nach dem Essen rät sie zum abendlichen Gottesdienst in der blau getünchten Rokokokirche am Largo do Pelourinho. Das Gotteshaus wurde im 18. Jahrhundert von Sklaven erbaut, da diese die Kirche der Weißen nicht betreten durften. Die Igreja N.S. do Rosário dos Pretos ist proppenvoll. Eine mystische Atmosphäre liegt über den Gläubigen: Dunkelhäutige und weiße Brasilianer beten jetzt zusammen. Der tiefe Glauben verbindet hier Katholiken und Candomblé-Anhänger, egal welcher Hautfarbe. Beeindruckend. Robelia sagt: „Du kannst an beide Religionen glauben – und dir daraus deine Energie schöpfen.“