Essen. . Ein Frauenmörder als Prediger? Halleluja. Thomas Berger erzählt die Geschichte eines Gewaltverbrechers, der Theologe werden will, glaubwürdig als dramatisches Psycho-Duell. Dem ARD-Film hilft eine starke Besetzung, die bis in die Nebenrollen überzeugt.

Wie hält es die Kirche denn nun wirklich mit Schuld und Sühne und mit der Vergebung der Sünde? Darf ein Frauenmörder das Wort Gottes predigen? Das ist die Ausgangsfrage für einen großen Fernsehfilm, der die Qualitäten eines Thrillers mit dem psychischen Tiefgang einer Debatte verheiratet, die moralische Grundsätze erschüttert. Der Blick in die menschliche Seele lässt ihn in ungeahnte Höhen fliegen. „Der Prediger“ (Mittwoch, ARD, 20.15 Uhr) von Thomas Berger würde allerdings nicht halb so fesselnd daherkommen, lebte er nicht von einer schauspielerischen Wucht bis in die Nebenrollen, wie man sie selten erlebt.

Ein heikler Auftrag für den Bischofsreferenten

Devid Striesow, zuletzt wegen seiner etwas tollpatschigen Auftritte als Saarbrücker Tatort-Kommissar von der Kritik mit Recht arg gerupft, ruft hier wieder sein fabelhaftes Potenzial als Theaterschauspieler ab, dem das Kammerspielhafte der Inszenierung zugute kommt. Striesow spielt den Bischofsreferenten Remberg, ein Einzelgänger, dessen Leben hinter der Arbeit verschwindet, wenn er denn überhaupt eins hat, einer, hinter dessen steif erscheinendem Auftritt ein blitzgescheiter Verstand wacht, ein PR-Profi, der seinen Chef durch die Medienwelt lenkt.

Remberg muss einen heiklen Auftrag erfüllen, nämlich das Gewissen eines verurteilten Mörders ausloten, der im Gefängnis zu Gott gefunden haben will, Theologie studieren möchte und den bischöflichen Segen dazu erbittet. Wie lässt sich das ohne allzu viel Aufsehen verhindern – oder muss man es gar hinnehmen?

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Lars Eidinger, auf Außenseiter abonniert, liefert in der Rolle dieses Jan-Josef Geissler eine Gala-Vorstellung ab und zwingt sein Gegenüber und den Zuschauer aufs dünne Eis, das von Vorurteilen zusammengehalten wird: Blufft dieser teuflisch kluge und glatte Bursche, wenn er über seine Läuterung fabuliert, oder verlangt da nur ein aufrichtig Bereuender etwas, das eine vergebende Kirche ihm nicht versagen dürfte? Fürs Gefängnispersonal ist er ein gewiefter Hochstapler, ein Teil der Gefangenen hält ihn bereits für einen Prediger, der Trost verbreitet, wo keiner mehr erwartet wurde. Ist er am Ende womöglich sogar unschuldig, wie sein Anwalt (stark: Alexander Held) im Kampf um ein Wiederaufnahmeverfahren in ei­nem gewaltigen Plädoyer darlegt, das sogar die Eltern (ebenfalls beeindruckend: Gerhard Liebmann und Caroline Ebner) des toten Mädchens in Zweifel stürzt?

Ein erfrischend weltliches Callgirl

Thomas Berger, der sein eigenes Drehbuch nach wahren Motiven umgesetzt hat, zimmert daraus einen Glaubenskrimi, der die Balance zwischen Erkenntnisdiskurs und Thriller elegant hält und ein wahres Dialog-Feuerwerk abbrennt, bei dem jeder Satz sitzt. Dabei hat er nie nur die Frage von Schuld und Unschuld im Blick, sondern stets den Reifeprozess seiner Figuren, befördert vom Aufeinanderprallen ihrer grundverschiedenen Weltbilder.

Dass ausgerechnet ein erfrischend weltliches Callgirl (Susanne Wolff) und ein bodenständiger Pfarrer (Götz Schubert) den so emotionslos wirkenden Remberg zum wahren Leben verführen und zur Selbstfindung treiben, mag um der Sache willen ein wenig konstruiert erscheinen. Aber es kann der unerhörten Qualität dieses Films nicht wirklich etwas anhaben.