Essen. 40 Jahre „Wickie“. Genug für einen Mythos? Keineswegs. Die gute, alte Trickfilmserie fährt immer noch ordentliche Marktanteile ein. Der Stoff war so stark, dass Bully Herbig sich an einem Realfilm versuchte. Doch damit nicht genug: Ostern kommt „Wickie“ wieder – in 3 D.
Er ist der erfolgreichste deutsche TV-Export nach „Derrick“. Aber auch zwischen Alpen und Nordsee kennt ihn jedes Kind. Mehr als 20-mal sind seine Abenteuer mittlerweile wiederholt worden. Und noch immer schalten im Schnitt mehr als 67 Prozent der jüngeren Zuschauer ein, wenn er auf Sendung ist. Obwohl sie dann keinen klassischen Helden zu sehen kriegen, sondern einen kleinen Jungen von eher schmächtiger Statur und ängstlichem Gemüt. Fast schon ein Sonderling. Aber extrem clever. Oder „pfiffig“, wie man früher sagte. Heute vor 40 Jahren stach „Wickie“ erstmals in See, mit ihm an Bord waren die „starken Männer“. Zehn Jahre früher war das erste Buch über den kleinen Wikinger erschienen.
Und nur, um das noch einmal klarzustellen: Natürlich ist Wickie ein Junge. Wurde oft angezweifelt. Und auch nicht ganz ohne Grund, wenn man mal ehrlich ist. Lang das Haar, Rock statt Hose und – zumindest nach Wikinger-Maßstäben – ein Weichei. Einer, der sich nicht gerne haut und nachdenkt, bevor er spricht. Wobei er sich stets mit dem Zeigefinger der rechten Hand die Nase reibt: zuerst waagerecht unter der Spitze, dann am linken Flügel. Bis ein „Sternenregen“ kommt und er ruft: „Ich hab’s!“ Macht ja eigentlich kein echter Junge.
Trotzdem ist Klein-Wickie männlich. Nicht nur, weil Papa und Mama ihn manchmal „Sohn“ nennen. Nein, in zwei Folgen ist er kurz nackt zu sehen. Und da sieht er dann nicht mehr aus wie ein Mädchen. Außerdem hat er ja eine Freundin, die Ylvi. Und man kann dem ZDF der 1970er-Jahre viel zutrauen, aber nicht, dass es gleichgeschlechtliche Liebe thematisiert.
Ohnehin ist es schon schwierig genug für Josef Göhlen, damals Chef des ZDF-Kinder- und Jugendprogramms, die Serie ins Programm zu bringen. Eigentlich will er die 1964 erschienene Buchvorlage „Vicke Vicking“ des schwedischen Schriftstellers Runer Jonsson zu einer 13-teiligen Puppentrickserie machen. Schließlich werden es 78 Zeichentrickfolgen, hergestellt in Japan und damit die erste internationale Co-Produktion des Senders.
Schon die gewaltige Zahl der Episoden und der fernöstliche Zeichenstil sind ein Wagnis. Wirklich schlimm aber ist etwas anderes: „Wir wollten einfach nur gute Familienunterhaltung machen“, hat Göhlen später mal erzählt. In einer Zeit, „als alles irgendwie sozialkritisch sein musste“, sei die „heile Wikingerwelt“ im Sender zunächst gar nicht gut angekommen. Auch einige Eltern bemängeln nach den ersten Folgen den „fehlenden pädagogischen Ansatz“, bis sie dem Charme der Reihe erliegen.
Dabei ist es nicht nur der Titelheld allein, der sich in die Herzen der Zuschauer spielt, es sind auch die skurrilen, wunderbar synchronisierten Charaktere in den Nebenrollen. Die ewigen Streithähne Tjure und Snorre, der dicke Faxe, der verhinderte Bänkelsänger Ulme oder der stets entzückte Gorm. Und natürlich ist es auch der Titelsong von Christian Bruhn, dieses ebenso simple wie eingängige „Hey, hey Wickie“, zu dem eine Band namens „Stowaways“ musiziert, die später mal als Bläck Fööss bekannt werden wird.
Ostern kommt der Wikinger in 3D – aber sein Charme soll bleiben
So gut fügt sich eins ins andere, dass die Serie auch im 21. Jahrhundert bei Kindern ankommt, obwohl Tempo und analoger Zeichenstrich längst nicht mehr aktuellen Sehgewohnheiten entsprechen. Selbst ihre Eltern bleiben oft bei Wickie hängen, und sei es nur aus Nostalgie.
Bücher und Hörspiele hat es in all den Jahren gegeben, Comics und natürlich die beiden Kinofilme von Bully Herbig, der mit dieser Serie aufgewachsen ist und sie deshalb so liebevoll für die große Leinwand umgesetzt hat. Wickie ist sich jedenfalls immer treu geblieben. Ein kleiner Angsthase, der Probleme nicht mit Gewalt, sondern Gehirnschmalz löst.
Pünktlich zum 40. Geburtstag der Serie sind nun neue Abenteuer aus dem hohen Norden angekündigt worden, die zur Osterzeit starten sollen. Von „frischer Optik“ ist die Rede und von „3D“. Nach den ersten Bildern, die zu sehen sind, klingt das fast schon wie eine Warnung. Beim ZDF aber wiegelt man ab. „Der charakteristische Charme der altbekannten Protagonisten”, versichert der Sender, bleibe „selbstverständlich erhalten“.