Washington. Die amerikanische Fernseh-Legende Oprah Winfrey wird am Mittwoch 60 Jahre alt. Sie ist Selfmade-Frau, Milliardärin und Beichtmutter der Fernseh-Nation. Auf ihrer Couch haben die Großen aus Sport, Kultur und Politik ihre intimisten Geheimnisse verraten.

Ob sie nicht nur über Männer, sondern auch über gesundes Essen gesprochen haben, neulich im Weihnachtsurlaub auf der Veranda ihres Ferienhauses auf Hawaii, ist offiziell natürlich nicht bekannt. Wenn man die jüngsten Bilder von Oprah Winfrey sieht, verschwitzt und mit Stirnband im Fitness-Studio in Los Angeles, liegt aber die Vermutung nahe, dass die überaus sportliche Michelle Obama hinter der Schweißarbeit steckt.

Amerikas erste schwarze Milliardärin und bekannteste Fernseh-Frau, notorisch unerfolgreich mit den Pfunden ringend, ist nämlich nicht nur Ratgeberin, Motivationstrainerin und Beichtmutter der Nation. Sondern auch ein lebenslang lernender Mensch, der beim Streben nach Selbstoptimierung und Glückseligkeit auch auf eine Präsidenten-Gattin hört, die ihr zur guten Freundin geworden ist. Heute wird Oprah Winfrey 60 Jahre alt.

Amerika zieht den Hut vor einer Frau mit Jahrhundert-Format. Hätte aber auch alles ganz anders kommen können.

Von ganz unten bis an die Spitze

Oprah Gail Winfrey wird zu Zeiten der Rassentrennung in der Kleinstadt Kosciusko im Bundesstaat Mississippi geboren. Vater bei der Armee, Mutter putzt. Oprah wird bei den Großeltern groß. Arme Leute. Statt mit Haustieren spielt das Kind mit Küchenschaben, sie heißen Melinda und Sandy. Kerle aus der Nachbarschaft, ein Cousin und ihr Lieblingsonkel, vergehen sich an ihr. Beim ersten Mal ist sie neun.

Mit 15 durchleidet sie eine Fehlgeburt. Dann kommt das Kokain. Später studiert sie Theater. Und startet danach in Chicago eine der der strahlendsten Karrieren, die das schwarze Amerika je gesehen hat. Die „Oprah Winfrey Show“ wird zum integralen Bestandteil des weiblichen Werktags der 25- bis 50-Jährigen. Anfangs sehen in der Woche über 40 Millionen zu. Als sie im Mai 2011 aufhört, haben sich fast 150 Länder eingekauft.

Von Michael Jackson bis Barack Obama 

Dazwischen liegt ein Vierteljahrhundert Fernsehgeschichte, das mit dem Etikett Talkshow nicht richtig beschrieben ist. Es war Gefühlsferforschung am lebenden Menschen. Kaputte Ehen, Fettleibigkeit, Verschuldung, Drogensucht, Inzest, Karriereknicks und spirituelle Krisen. Kein Thema, das Oprah Winfrey mit ihren Promi-Gästen von Michael Jackson und Tom Cruise bis zu Liz Taylor und Barack Obama auf der Couch nicht durchdekliniert hätte. Oft tränenreich. Und stets, wie Oprah Winfrey sagt, „um die Welt ein bisschen besser zu machen“.

Fernsehen kann das nicht allein. Also mussten andere Plattformen her. Ein Bücherklub, ein Radiokanal, eigene Magazine, Internetdienste. Die Marke Winfrey ist ein 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr präsentes Ein-Frau-Imperium, das der rastlosen Chefin mitunter 300 Millionen Dollar im Jahr einbrachte. Dann kam der Wechsel unter das Dach des Discovery Channels mit ihrem eigenen Unternehmen OWN. Anfangs ein Reinfall. Die Einschalt-Quoten stürzten ins Bodenlose.

Das auf drei Milliarden Dollar (2,2 Milliarden Euro) geschätzte Vermögen schmolz geringfügig ab. Bis Oprah selber wieder die Zügel in die Hand nahm und absichtsvoll Furore produzierte. Vor einem Jahr massierte sie weltexlusiv den Doping-Lügner Lance Armstrong wie eine gütige Zofe zum Teilgeständnis vor laufender Kamera.

Leiden kann Oprah Winfrey gut

Für anderes, als Leute zu öffnen, war nie Zeit. „Wenn ich Kinder hätte, würden sie mich hassen“, sagte sie neulich dem Hollywood Reporter. „Sie würden in einer Talkshow über mich herziehen, weil irgendjemand in meinem Leben zu leiden gehabt hätte, und das wären wahrscheinlich sie gewesen.“

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Leiden kann die Winfrey gut. Im Kino. Von Spielbergs „Die Farbe Lila“ aus dem Jahr 1985 bis „The Butler“ reicht ihre filmische Schaffenskurve. Das aktuelle Werk von Lee Daniels, in dem sie an der Seite von Forest Whitaker als Frau eines schwarzen Dieners im Weißen Haus brilliert, beschreibt eine Herzensangelegenheit: die Geschichte der Afro-Amerikaner. Ihr bleibt sie treu.

Zum 50. Jahrestag des blutigen Marsches von 600 schwarzen Bürgerrechtlern von Selma nach Montgomery im Bundesstaat Alabama im März 1965 produziert Oprah Winfrey gemeinsam mit Brad Pitt einen Kino-Film über Martin Luther King. Sehr politisch, schwere Kost. Passt aber. In den USA ist es keine Nischen-Meinung, dass Oprah Winfrey beste Chancen auf eine Karriere als Senatorin in Washington hätte. Vielleicht sogar auf mehr.

Sie ist ja erst 60.