Essen. . Vor allem in der kalten Jahreszeit schlägt das Norovirus zu. Betroffene werden von einem heftigen Brech-Durchfall heimgesucht. Einen Impfstoff zu finden, fällt den Forschern allerdings enorm schwer. Einzige positive Nachricht: So schnell wie sie kommt, so schnell verschwindet die Krankheit wieder.
In den Wintermonaten werden besonders viele Menschen von einem unangenehmen Virus geplagt: Noroviren führen zu meist starkem Erbrechen und Durchfall. Bisher gibt es weder Impfungen noch antivirale Mittel.
Das nur 35 bis 39 Nanometer winzige Norovirus ist ein überaus zäher Bursche. Es ist sehr robust, extrem potent und mischt sich dabei gerne mit seinesgleichen. Sein Überleben sichert der Mensch, indem er es als Wirt unfreiwillig aufnimmt und weitergibt.
Aufmerksamkeit in den Medien erlangen Noroviren vor allem durch Infektionen auf Kreuzfahrtschiffen oder Jugendfreizeiten, die ein jähes Ende finden, wenn dutzende Menschen mit Erbrechen und Durchfall niederliegen.
Verwandlungskünstler: Es gibt über 50 Typen
Das Virus zu erforschen, Impfstoffe zu entwickeln, fällt Virologen ungemein schwer. „Es gibt über 50 Genotypen (Anm. d. Red.: verschiedene Erbbilder des Virus), die sich mischen können und immer wieder auch gleichzeitig unterwegs sind“, sagt Professor Ulf Dittmer, Direktor der Virologie an der Uniklinik Essen. Anders als bei der Influenza könne man so auch nicht vorhersagen, welcher Typ wann präsent sein wird. „Und einen Impfstoff herzustellen, der alle abdeckt, ist so gut wie unmöglich“, sagt Dittmer. Ein weiteres Problem: Das Virus lässt sich auf Zellkulturen im Labor nicht vermehren. „Irgendetwas fehlt ihm dort, was im menschlichen Organismus vorhanden ist – herauszufinden was, ist zugleich die schwierige und spannende Frage.“
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Die Grundlagenforschung wird dadurch erheblich ausgebremst. Einen Erfolg kann die Universität Lübeck verbuchen. Sie hat zusammen mit amerikanischen und deutschen Laboratorien in einer Studie ein Modell entwickelt, mit dem „erstmals grundlegende Mechanismen der Norovirus-Infektion untersucht und neue antivirale Therapeutika entwickelt und getestet werden können“, heißt es aus Lübeck.
Wirtschaftlicher Schaden ist nicht zu unterschätzen
Bisher sieht Virologe Dittmer noch nicht, dass die Forschung seitens der Pharmaindustrie stark gefördert wird. „Der Markt fehlt einfach“, sagt der Mediziner. Die Fallzahlen sprechen für sich – trotzdem würde die Infektion mit dem Norovirus als ein Übel angesehen, das „man eben durchmache“. Dabei sei der wirtschaftliche Schaden nicht zu unterschätzen, denn immer wieder müssten ganze Stationen in Krankenhäusern und Altenheimen geschlossen werden, weil die Infektion rasend schnell um sich greift. Gefährlich wird das Virus, wenn der Körper den starken Flüssigkeitsverlust nicht ausgleichen kann. „Auch als gesunder Mensch sollte man aufpassen. Wird jede Flüssigkeitszufuhr über längere Zeit direkt erbrochen, hilft nur eine Infusion im Krankenhaus.“
Die zumeist heftige Reaktion des Körpers zeigt, dass unsere Immunabwehr auf das Virus sehr empfindlich und vor allem schnell regiert. „Noroviren vermehren sich unglaublich rasant, das zeigt auch die erhebliche Menge, die wir im Stuhl erkrankter Personen finden“, sagt Dittmer.
Abstand halten, Hände waschen
Das Norovirus ist so stabil, dass es uns das ganze Jahr über umgibt, wobei es gehäuft zu Infektionen ab Herbst und in den Wintermonaten kommt. Woran dies genau liegt, ist noch nicht geklärt. Temperaturschwankungen machen ihm jedenfalls nicht viel aus – es überlebt zwischen minus 20 bis plus 60 Grad. „Das Norovirus kann noch über zehn Tage zum Beispiel auf Türklinken haften“, weiß Ulf Dittmer. Übertragen wird es über diesen Weg als Schmierinfektion, aber auch, wenn so genannte Aerosole, also kleinste Tröpfchen, über das Erbrochene ausgeschieden werden. „Ein handelsüblicher Mundschutz hilft da nicht viel, die Viren sind zu klein“, sagt Dittmer.
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Wer einen Angehörigen zu Hause pflegt, müsste, um ganz sicher zu gehen, einen speziellen Virenfiltermundschutz tragen. Ansonsten gilt: Abstand halten, die Hä nde immer wieder gründlich waschen, desinfizieren und alle Gegenstände reinigen, die vom Kranken angefasst wurden. „Außerdem scheiden erkrankte Personen, auch wenn sie wieder fit sind, noch bis zu 14 Tage das Virus aus“, warnt der Virologe. Betroffene sollten also auch nach Abklingen der Symptome auf besondere Hygiene achten und keine Speisen für andere zubereiten. Das Robert-Koch-Institut empfiehlt zudem, Leib- und Bettwäsche sowie Handtücher mit Vollwaschmittel bei 60 Grad zu waschen.
So schnell wie sie kommt, so schnell verschwindet die Krankheit wieder
So rasch das Norovirus in unserem Körper ausbricht und Symptome hervorruft, so relativ schnell bessert sich der Zustand des Betroffenen aber auch wieder. Nach maximal drei Tagen vergehen die Beschwerden und „Spätfolgen sind nicht zu erwarten“. Wirksame antivirale Medikamente gibt es gegen das Norovirus bislang nicht. „Die Infektion bricht so schnell und ohne große Vorboten aus, dass der Einnahmezeitpunkt wahrscheinlich schon zu spät wäre“, sagt Ulf Dittmer. Einmal durchgemacht und dann Ruhe? Leider nein. Eine Immunität ist so gut wie ausgeschlossen, da die vielen verschiedenen Genotypen so unterschiedlich sind, dass unser Immunsystem keine Chance auf Erkennung hat.
Vergangenes Jahr wurden laut Robert-Koch-Institut deutschlandweit 113.313 laborbestätigte Fälle (NRW: 19.738) übermittelt, die Dunkelziffer dürfte jedoch weitaus höher liegen.