Cebu. Nach dem Taifun Haiyan haben die Philippinen die Zahl der Toten stark nach unten korrigiert. Doch was bleibt ist das Elend der Überlebenden. Während einige Orte noch immer von der Außenwelt abgeschnitten sind, kritisieren viele Filipinos das Krisenmanagement der Regierung.
Ein leichtes Erdbeben in der Region Cebu und einigen Nachbargebieten erinnerte die Filipinos am Dienstagnachmittag, vier Tage nach der Katastrophe von Taifun „Haiyan“, wie gefährlich die Natur in ihrer Heimat sein kann. Ein tropischer Sturm, der weiter südlich von den zerstörten Provinzen auf Mindanao zusteuert, wird samt Ausläufern neuen Regen bringen – und damit neue Probleme für Hunderttausende von Obdachlosen.
In der Provinz Leyte, deren Hauptstadt Tacloban am schlimmsten unter den Folgen des Wirbelsturms litt, hat unterdessen ein Massen-Exodus eingesetzt. Die einzige Fähre, die drei Mal täglich aus dem Katastrophengebiet von Ormoc nach Cebu kreuzt, verkehrt mit stundenlanger Verzögerung. Das Beladen und Entladen nimmt wegen des Andrangs viel Zeit in Anspruch.
In den besonders heftig betroffenen Provinzen Leyte und Samar sind Regierung und internationale Helfer immer noch dabei, die Lage zu analysieren. Nach wie vor fehlt der Kontakt zu vielen Ortschaften. „Ich habe seit dem Taifun nichts mehr von meinen Eltern gehört“, sagt eine 30-jährige Doktorandin in der Hauptstadt Manila mit großer Sorge. „Aus den Nachbarortschaften von Freunden ja, aber aus dem Dorf meiner Eltern ist nichts zu erfahren.“
Tausende Menschen werden weiterhin vermisst
Mit dieser Ungewissheit müssen immer noch zahlreiche Filipinos auskommen. Alleine in der Stadt Tacloban werden noch Tausende Menschen vermisst. Der Grund für die hohe Opferzahl: Der Taifun presste von zwei Seiten Wasser in die Bucht, in der die 220.000 Einwohner zählende Stadt liegt. Der Ort wurde von einer sieben Meter hohen Flutwelle überrollt, die vor allem das Stadtzentrum mit seinen Betonhäusern und nicht die Armenviertel traf.
„Wir sollen gemeinsam stark sein“, appellieren inzwischen Provinzpolitiker an die Bevölkerung, „und uns keine gegenseitigen Vorwürfe machen.“ Doch diese Appelle verhallen langsam angesichts der lauter werdenden Frage nach den Ursachen der Zerstörung und bringen sogar den populären Staatspräsidenten Benigno Aquino in Bedrängnis.
Die Zahl der Todesopfer ist weiter unklar. Aquino sagte, er rechne mit 2000 bis 2500 Toten. Schätzungen, bei denen von 10.000 Opfern ausgegangen wurde, nannte er „zu hoch“. Die Katastrophenschutzbehörde NDRRMC zählte bislang offiziell 1798 Tote.
Abhängig vom Willen des Gouverneurs
Das südasiatische Land hatte vor Jahrzehnten nach einem verheerenden Wirbelsturm mit Hunderttausenden Toten mittels eines aufwendigen Programms zahlreiche Schutz- und Evakuierungszentren gebaut. Seitdem gibt es kaum Tote bei Wirbelstürmen.
Aber in Cebu wird deutlich, wie sehr die Reaktion auf Katastrophen auf den Philippinen vom Willen und von der Kompetenz der jeweiligen Gouverneure abhängt. Der Norden der Provinz wurde stark beschädig, und es gab vergleichsweise wenige Todesopfer. Der populäre Gouverneur sorgte dafür, dass in Windeseile Straßen repariert wurden und Unterstützung in die betroffenen Gegenden reiste. Inzwischen funktioniert sogar die Fähre zu der nahezu zerstörten Insel Bacayan.
Versäumnisse der Mächtigen
Doch im Hafen von Cebu, Anlaufstelle für ozeangeeignete Frachter, herrscht die gleiche Seelenruhe wie vor der Katastrophe. Dabei bietet die Seeverbindung von Cebu zum gerade zwei Stunden Schifffahrt entfernten Hafen von Ormoc eine ideale Möglichkeit, das Notstandsgebiet mit Hilfsmitteln zu versorgen. Bislang sind freilich nur eine Handvoll Hilfsorganisationen auf die Idee gekommen, die Route zu nutzen.
Weder die Regierung in Manila noch die Vereinten Nationen haben sich dagegen bisher in Ormoc, das ebenfalls heftig betroffen wurde, blicken lassen.