Berlin. Die Amtszeit von Alt-Bundespräsident Christian Wulff war die Geschichte eines steilen Aufstiegs und tiefen Falls. Nun wird der Stoff als Politdrama verfilmt. In den Hauptrollen: Kai Wiesinger als Wulff und Anja Kling als dessen Frau Bettina. Der ehemalige Ministerpräsident zeigte den Filmemachern die kalte Schulter.
Sie hat kein Tattoo an der Schulter, und sie ist auch nicht so groß wie die frühere First Lady, aber den Typ trifft sie genau. Blondierter Pferdeschwanz, braune Kontaktlinsen über den blauen Augen, elegantes Kostüm – die Verwandlung ist verblüffend: Anja Kling spielt Bettina Wulff — in ihren letzten Wochen im Schloss Bellevue, vor dem Rücktritt des Bundespräsidenten. Eine Frau unter Druck, ein Ehepaar in der Krise, eine Republik im Aufregungszustand.
Steiler Aufstieg, tiefer Fall. Solche Stoffe schreien nach einer Verfilmung. Zumal die Geschichte noch nicht zu Ende ist: Der Prozess gegen Christian Wulff beginnt Mitte des Monats, seine Ex-Frau Bettina soll als Zeugin aussagen. Der erste Film zum Fall Wulff ist jetzt abgedreht: Das Sat.1-Doku-Drama „Der Rücktritt“ soll im Frühjahr ins Fernsehen kommen.
„Es hat eine gewisse Tragik“
Ob sie Mitleid hat mit Bettina Wulff? Anja Kling überlegt kurz. „Mitleid wäre das falsche Wort. Es hat eine gewisse Tragik.“ Sie will nicht wissen, wer diese Bettina Wulff wirklich ist – sie interessiert sich für etwas anderes: „Wie demontiert sich dieses Glamour-Paar und wie werden sie demontiert?“ Sicher, die letzten Wochen vor dem Rücktritt am 17. Februar 2012, das Dauerfeuer der Medien – „das hat mir schon leid getan“. Aber es klingt, als sei ihr Bettina Wulff am Ende doch fremd geblieben.
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Kai Wiesinger, der im Film Christian Wulff spielt, haben die Dreharbeiten die Augen geöffnet – vor allem jene Szenen im Flugzeug. Der Bundespräsident ist auf dem Weg zum Staatsbesuch nach Italien, doch die mitreisenden Journalisten interessiert nur der Skandal. Sie fragen, bohren, werden pampig. Wann tritt er endlich zurück? „Das hat mich geschockt“, sagt Wiesinger. „Wie respektlos Menschen miteinander umgehen.“
Anja Kling und Kai Wiesinger sind am letzten Drehtag ins Berliner Logenhaus gekommen. Hier treffen sich normalerweise die örtlichen Bruderschaften, auch die Loge „Zur siegenden Wahrheit“. Regisseur Thomas Schadt hatte sich die noblen Räume als Kulisse ausgesucht für seine filmische Wahrheitssuche, dann aber wieder verworfen.
Doch die Frage bleibt: „Wen interessiert schon, wie es wirklich war?“, sagt Christian Wulff alias Kai Wiesinger im Film. Und gibt es das hier überhaupt – eine gültige Wahrheit? Schadt hat sich deswegen von vornherein beschränkt: „Der Rücktritt“ erzählt nicht das ganze Drama von Aufstieg und Fall – sondern nur einen Ausschnitt. Die 68 Tage bis zum Rücktritt und die Frage, was in dieser Zeit mit den Leuten im Schloss Bellevue passiert.
Jede Filmszene „ist verbürgt“
Für Produzent Nico Hofmann („Der Minister“) ist seine Wulff-Story ein „Sittengemälde der Republik“. 75 Prozent sind fiktional, der Rest ist dokumentarisch. Die Botschaft ist klar: Der Film will seine Hauptfigur nicht einfach lustvoll in den Rücktritt treiben, sondern die Perspektive wechseln: „Wir wollen eine Ahnung vermitteln“, sagt Schadt, „was in Menschen vorgeht, die so etwas durchleben.“
Hofmann hat sich bemüht, Christian Wulff einzubinden und die Rechte an Bettina Wulffs Buch („Jenseits des Protokolls“) zu kaufen – doch die beiden hatten kein Interesse an einer Zusammenarbeit. Regisseur und Drehbuchautor mussten ihr Puzzle ohne die Kronzeugen zusammensetzen – Gesprächspartner und Quellen gab es genug, unter anderem das Buch zweier Bild-Journalisten. Jede Filmszene, heißt es, sei verbürgt. Wulffs Sprecher Olaf Glaeseker, erzählt Schadt, habe im Spaß sogar angeboten, sich selbst zu spielen. Andere Mitarbeiter reagierten gereizt, drohen mit Anwälten.
Bettina Wulff will sich das Ergebnis zumindest mal ansehen. Sie wisse ja, hat sie neulich gesagt, dass solche Filme „im Zweifel nichts mit der Realität zu tun haben“.