Hannover. Die Staatsanwaltschaft Hannover hat Anklage gegen Ex-Bundespräsident Wulff erhoben. In dem Verfahren geht es um den Vorwurf der Bestechung. Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik muss sich ein Ex-Bundespräsident deshalb vor Gericht verantworten. Im Detail geht es um 770 Euro.

Die Staatsanwaltschaft Hannover hat Anklage wegen Bestechlichkeit gegen den früheren Bundespräsidenten Christian Wulff erhoben. Das teilten die Ermittler am Freitag mit. Hintergrund ist Wulffs Verbindung zu dem Filmproduzenten David Groenewold, den die Staatsanwaltschaft zeitgleich wegen Bestechung anklagte.

Groenewold übernahm die Hotelkosten von über 500 Euro für einen Oktoberfestbesuch des Ehepaares Wulff in München. In der Mitteilung der Staatsanwaltschaft hieß es, es erscheine als hinreichend wahrscheinlich, dass der damalige niedersächsische Ministerpräsident Wulff damit motiviert werden sollte, für ein Filmprojekt Groenewolds bei Siemens um Geld zu werben.

Erstmals Anklage gegen einen ehemaligen Bundespräsidenten

Am Dienstag hatten Wulff und Groenewold ein Angebot der Staatsanwalt zur Einstellung des Verfahrens gegen Geldauflagen abgelehnt. Wulff hätte 20.000 Euro zahlen und damit auch strafrechtliche Verantwortung übernehmen sollen. Darauf wollte er nicht eingehen - der 53-Jährige will es nun lieber auf einen Prozess ankommen lassen.

Jetzt liegt es in der Hand des Landgerichts Hannover, ob es tatsächlich zum Prozess kommt. Eine schnelle Entscheidung zeichnet sich nicht ab. Zunächst werde den Beschuldigten Frist zu einer Stellungnahme gegeben, sagte Gerichtssprecher Martin Grote. Wie lang diese sein werde, sei völlig offen, da es dafür keinerlei gesetzliche Vorgaben gebe. "Es werden wohl mehrere Monate vergehen, bis feststeht, ob es zu einem Hauptverfahren kommt." Grote wollte nicht beurteilen, wie wahrscheinlich es ist, dass es zu einem Prozess gegen Wulff kommen wird.

Im  Detail stützt sich die Anklage auf einen Besuch Wulffs und seiner Familie auf dem Münchner Oktoberfest im Jahr 2008. Groenewold bezahlte den Ermittlungen zufolge Hotel- und Kinderbetreuungskosten von insgesamt 510 Euro sowie ein gemeinsames Abendessen mit Wulff und seiner Frau Bettina für 209,40 Euro. Auch einen Besuch in einem Oktoberfestzelt mit weiteren Gästen soll Groenewold spendiert haben. Die Kosten dafür beliefen sich nach Angaben der Ermittler auf 3209 Euro.

Anklage zu Wulff-Kurzurlaub auf Sylt wurde fallengelassen

"Es erscheint als hinreichend wahrscheinlich, dass dies in der Absicht geschah, den Angeschuldigten Wulff zu motivieren, sich in seiner dienstlichen Eigenschaft als niedersächsischer Ministerpräsident gegenüber der Siemens AG für eine Unterstützung bei der Vermarktung des Films 'John Rabe' einzusetzen", erklärte die Staatsanwaltschaft. Groenewold habe Wulff einen Tag nach dem Oktoberfestbesuch schriftlich gebeten, sich bei Siemens -Chef Peter Löscher für eine Unterstützung einzusetzen. Der damalige Regierungschef habe schließlich in einem Brief vom 15. Dezember 2008 bei Löscher für das Projekt geworben. In dem Film mit Ulrich Tukur in der Hauptrolle geht es um den Siemens-Repräsentanten John Rabe, der in den 30er Jahren in der chinesischen Stadt Nanjing viele Menschen vor japanischen Besatzungstruppen rettete.

Wulff wurde ursprünglich auch verdächtigt, sich einen Kurzurlaub auf der Nordseeinsel Sylt von Groenewold bezahlt haben zu lassen. Dieses Verfahren stellte die Staatsanwaltschaft mangels hinreichenden Tatverdachtes ein.

Die Anklageschrift für das Verfahren umfasst 79 Seiten. Darin sind 25 Zeugen und sieben Aktenordner mit Beweismitteln aufgeführt. Über die Zulassung der Anklage und die Eröffnung des Hauptverfahrens muss noch das Landgericht Hannover entscheiden. Der Vorgang an sich ist einmalig: Noch nie zuvor wurde ein ehemaliger Bundespräsident von der Justiz angeklagt. Nur einen Tag, nachdem die Staatsanwaltschaft am 16. Februar 2012 das förmliche Ermittlungsverfahren gegen Wulff eröffnet hatte, war dieser vom Amt des Bundespräsidenten zurückgetreten. (dpa/afp/rtr)