Berlin. . „Jetzt nicht“, „später“: Eine Allensbach-Umfrage zeigt, dass viele Eltern kaum noch Gelegenheit zum reden, zuhören und vorlesen haben. Der Grund ist häufig die enorme Belastung im Beruf - von Vater und Mutter. Doch vor allem Väter haben wenig Zeit für den Nachwuchs.
„Keine Zeit.“ „Jetzt nicht.“ „Später.“ „Vielleicht am Wochenende.“ In vielen Familien herrscht Zeitdruck – und die Unzufriedenheit darüber ist bei allen Beteiligten groß: Mütter und Väter klagen über Zeitmangel, Teenager fühlen sich vernachlässigt, nur jedes vierte Vorschulkind bekommt täglich vorgelesen. Mehr Zeit für die Familie – warum das alle wollen, aber die wenigsten hinkriegen. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Was sagen die Kinder?
Sechs von zehn Teenagern finden, dass ihre Eltern zu wenig Zeit für sie haben. „Stimmt!“, sagen die – und finden die Lage sogar noch schlimmer. In einer Allensbach-Umfrage im Auftrag von Jacobs Krönung beklagen fast 70 Prozent der Väter und Mütter von 14- bis 17-Jährigen, dass sie oft nur wenig Zeit für ihre Kinder haben.
Zuhören, nachfragen, trösten? Eltern kümmern sich um vieles – für elementare Bedürfnisse von Heranwachsenden reicht die Zeit oft nicht mehr aus. Im Gefühlswirbel der Pubertät kann das schnell missverstanden werden: „Die interessieren sich doch gar nicht für mich!“
Was ist mit den Familien los?
Der Druck ist hoch: Die Mehrheit der Mütter von älteren Kindern ist längst wieder berufstätig, viele Väter träumen zwar vom 30-Stunden-Job, im Alltag aber sind eher Überstunden die Regel. Etliche berufstätige Eltern bringen Arbeit mit nach Hause – wo nicht nur Hausaufgaben kontrolliert und Freizeittermine koordiniert werden müssen, sondern auch noch der Haushalt wartet.
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In vielen Familien ist das Abendessen der erste Moment am Tag, wo alle in Ruhe zusammenkommen. Das war nicht immer so: In ihrer eigenen Kindheit haben die heutigen Eltern deutlich mehr Zeit mit der Familie verbracht – zumindest erinnern sie das heute so. Laut Umfrage klagt nur ein knappes Drittel rückblickend über zu wenig Zeit mit den Eltern.
Ist der Beruf den Eltern heute wichtiger als das Kind?
So würde das niemand sagen. Doch Umfragen zeigen, wie ernst besonders die Väter ihren Beruf nehmen: In einer Umfrage für den „Monitor Familienleben“ des Bundesfamilienministeriums gab immerhin jeder vierte Vater an, dass er bei Zeitproblemen am ehesten Abstriche bei den Kindern machen würde – und als letztes beim Beruf. Das hat Gründe: Als Haupternährer der Familie ist der Job für viele Väter der Taktgeber des Alltags – ob sie wollen oder nicht.
Wer hat denn noch Zeit zum Vorlesen?
Zwei Drittel der Eltern schaffen es. Nicht täglich, aber zumindest regelmäßig. Für 70 Prozent der Kinder zwischen zwei und acht Jahren ist Vorlesen ein gewohntes Ritual. In jeder siebten Familie allerdings wird überhaupt nicht vorgelesen, wie die aktuelle Vorlesestudie der Stiftung Lesen zeigt.
Insgesamt gilt: Mütter lesen häufiger vor als Väter, je höher der Bildungsgrad der Eltern ist, desto mehr wird in der Familie gemeinsam gelesen. Hoffnung macht, dass die Zahl der vorlesenden Eltern, vor allem auch der Väter, in den letzten sechs Jahren leicht gestiegen ist. Auf eine tägliche Portion Literatur müssen allerdings immer noch drei von vier kleinen Kindern verzichten.
Scheitert das tägliche Vorlesen am Zeitmangel?
Nicht nur. Etliche Eltern finden laut der Studie regelmäßiges Vorlesen nicht wichtig genug. Der Zusammenhang zwischen Vorlesen und Bildungserfolg ist ihnen oft fremd. Zwar wünschen sich die allermeisten Eltern gute Lesefähigkeiten für ihre Kinder, doch nur die Hälfte der Eltern glaubt, dafür die Liebe zum Buch und zum Lesen wecken zu müssen.
Doch auch Zeitmangel spielt eine Rolle: Die aktuelle Vorlesestudie zeigt, dass berufstätige Eltern ihren Kindern nicht ganz so oft vorlesen, wie Mütter und Väter, die tagsüber zu Hause sind.