Moskau. Unfassbar und vielleicht wahr: Die 17-jährige Sofia wurde nach eigenen Angaben von ihrer Mutter vor zwei Jahren nach Sibirien verbannt - tausende Kilometer von ihrer Heimat im US-Bundesstaat Virginia entfernt. Nun wendet sie sich mit Hilferufen an die Öffentlichkeit.

Es ist die kaum fassbare Geschichte einer Verbannung nach Sibirien: Seit mehr als zwei Jahren versucht Sofia, aus Russland in ihre Heimat in den USA zurückzukehren, wie die 17-Jährige sagt. Nach Hause zu ihrer Mutter, nach Chantilly im US-Bundesstaat Virginia. Seit Tagen setzt das Mädchen Hilferufe ab über Medien in den USA und nun auch in Russland. "Meine Mom lässt mich einfach nicht heimkehren. Ich habe alles versucht", sagt Sofia der Nachrichtenagentur dpa am Telefon - in einem Café.

In der Großstadt Nowosibirsk hat sie in einem Hostel Arbeit und einen Schlafplatz gefunden, wie die Verwaltung des Gästehauses bestätigt. In den Vereinigten Staaten griff der Fernsehsender WUSA die krude Story zuerst auf, interviewte das Mädchen per Skype, erhielt Mails von ihrer Mutter Natalia Roberts und dem Stiefvater und sprach mit Freunden, die Sofia bei ihrer Heimkehr helfen wollen. Ja, sie habe schwere Fehler gemacht und bereue, sagt die 17-Jährige.

Eltern klagen über Sofias Wutausbrüche mitten in der Nacht

Aber der wahre Grund dafür, dass die Mutter sie weggeschickt habe, sei wohl ihr neuer Mann, ein auf Migrationsfragen spezialisierter Jurist. Nach der Hochzeit habe ihre Mutter die US-Staatsbürgerschaft erhalten und stehe seither unter dem Einfluss des Ehemanns. "Das Verhalten wurde schlimmer, und wir sahen keinen Ausweg", schreibt Sofias Stiefvater an WUSA und berichtet von Wutausbrüchen um 2.00 Uhr morgens. Die "unkontrollierbare" Tochter habe Drogen genommen und Jungs ohne Erlaubnis mit nach Hause gebracht, schreibt die Mutter. Sofia selbst räumt ein, sie habe als Kind viele Probleme gemacht und ihren Eltern 1000 US-Dollar gestohlen.

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Es war wohl nach diesem Vorfall, dass sich die Mutter entschloss, Sofia nach Sibirien zu schicken. Nicht ohne Grund. "Sie sagte mir, dass ich meinen leiblichen Vater kennenlernen soll. Von drei Wochen war die Rede", erzählt Sofia mit breitem US-Akzent. "Erst, als ich schon hier war, sagte sie mir, dass ich viel länger bleiben würde." Ein Rückflugticket habe sie nicht gehabt. Es sei "keine leichte Entscheidung" gewesen, Sofia ins rund 9400 Kilometer entfernte Nowosibirsk zu verbannen, sagt die Mutter laut WUSA. "Aber es war die richtige Entscheidung."

Vater Igor verstand kein Englisch

Größtes Problem bis heute sei, dass sie nur einen russischen Pass mit dem Namen Sofia Petrowa und damit keinen Nachweis über ihre wahre Heimat habe. Dass ihre Lebensgeschichte nicht einfach zu glauben ist, erschwert die Lage. Auf ihrer Facebook-Seite trägt sie den Familiennamen der Mutter. 1998 habe diese mit einem Studentenvisum Russland verlassen, um mit der Kleinen in den USA zu leben.

Von der Sprache und der Kultur Russlands - dem Leben auf dem anderen Kontinent - hatte Sofia nach eigener Darstellung keine Ahnung, als sie im März 2011 in Nowosibirsk landete und ihren Vater Igor kennenlernte, der kein Englisch verstand. Die Lage sei verfahren, sagte die Chefredakteurin des Portals sib.fm, Iwa Awrorina, der dpa. "Sie spricht nur mit Mühe Russisch, wohl auch weil sie wegen des Traumas die Sprache nicht richtig lernt", meinte Awrorina. Es gebe inzwischen einige Hilfsangebote von Russen.

Sofia hofft auf Hilfe der US-Botschaft in Moskau

Sibirische Medien wie das Portal sib.fm oder "The Siberian Times" greifen die tragische Geschichte des Teenagers auf. Den russischen Reportern erzählte Sofia, dass sie nicht mehr weiter wisse. Mit Mühe sei sie ihrem Vater, der viel trank, in dem Ort Berdsk entkommen, habe sich alleine - bisweilen auf der Straße - durchgeschlagen und nun in dem Hostel Fine O'clock Obdach gefunden.

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In dem Hotel in Nowosibirsk bescheinigen Kollegen Sofia Fleiß und Bescheidenheit. "Sie räumt die Zimmer auf, macht Betten, eben alles, was anfällt. Wenn Ausländer kommen, hilft ihr Englisch", sagte die Administratorin Olga. Sofias eigene Hoffnungen, wie sie sagt, richten sich nun auf die US-Botschaft in Moskau. Doch dort hätten ihr Konsularmitarbeiter gesagt, dass sie mit einem russischen Pass wenig Chancen habe - nur mit einem Anwalt. Und der kostet Geld. Eine US-Botschaftssprecherin in Moskau konnte den Fall angesichts des russisches Passes nicht kommentieren.

Auf Facebook hat sie deshalb einen flehenden Brief an ihre Mutter geschrieben: "Bitte nimm mich zurück. Bitte fass Dir ein Herz, um mir meine Fehler zu vergeben, die ich gemacht habe, als ich noch ein Kind war. Du bist die einzige Familie, die ich habe. Ich brauche Dich." Sie vermisse auch ihre jüngere Schwester Maria. In einem Eintrag vom Juni schreibt sie den Satz: "Jedes Kind verdient einen Elternteil, aber nicht jeder Elternteil verdient ein Kind." (dpa)