Berlin. Ein 21-jähriger Niederländer ist in Berlin wegen Betrugs angeklagt. Er hatte im Jahr 2011 für Schlagzeilen gesorgt, als er von jahrelangem Leben im deutschen Wald berichtete, bei dem sein Vater gestorben sei. Stattdessen war er ein seiner Familie entlaufener Niederländer. Der Vorwurf: Betrug.

Wirklich glaubhaft war seine Geschichte von Anfang an nicht, doch erst nach neun Monaten kamen die Berliner Behörden dem "Waldjungen Ray" auf die Schliche: Mit einer Mitleid erregenden Lügengeschichte vom jahrelangen Leben im Wald hielt der heute 21-jährige Niederländer Robin v. H. die Öffentlichkeit vor zwei Jahren um Narren. Am Donnerstag steht er vor dem Amtsgericht Berlin. Die Anklage wirft ihm Betrug vor, weil er rund 30.000 Euro an "unberechtigten Leistungen" von der Jugendhilfe erhalten haben soll.

Im September 2011 war Robin v. H. plötzlich am Roten Rathaus, dem Sitz des Regierenden Bürgermeisters, aufgetaucht und hatte um Hilfe gebeten. Er erklärte, er heiße "Ray" und kenne weder seinen Nachnamen, noch seine Herkunft. "Ray" sprach zunächst nur Englisch und behauptete, er habe fünf Jahre lang mit seinem Vater in den Wäldern gelebt.

Parallelen zu Kaspar Hauser gezogen

Sein Vater und er hätten in Höhlen und im Zelt geschlafen, bis der Vater bei einem Sturz gestorben und vom Sohn unter Steinen in einer Grube beerdigt worden sei, fabulierte der junge Mann laut Medienberichten weiter. Sein Vater habe ihm den Rat gegeben, gen Norden zu laufen. So würde er die Stadt erreichen. Ein halbes Jahr sei er mit Kompass und Karte unterwegs gewesen. Er könne sich weder an seinen Nachnamen, noch an seinen Geburtsort erinnern. Nur an seine Mutter, Doreen, die bei einem Autounfall gestorben sei.

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Der Fall des angeblichen "Waldjungen" sorgte für Aufmerksamkeit. Mehrfach wurden Parallelen zwischen "Ray" und Kaspar Hauser gezogen, einem Findelkind, das 1828 in Nürnberg aufgetaucht und berühmt geworden war. "Ray" kam zunächst bei einem Jugendnotdienst unter, später in einer Einrichtung für betreutes Wohnen.

"Rays" Stiefmutter bestätigte seine Identität

Monatelang versuchte die Berliner Polizei, seine Identität zu klären. Eine europaweite Fahndung nach den sterblichen Überresten des Vaters blieb erfolglos. Im Juni vergangenen Jahres stimmte das Jugendamt schließlich zu, dass die Polizei wegen massiver Zweifel an "Rays" Darstellung ein Foto des jungen Mannes veröffentlichte und Medien in Deutschland und den Nachbarländern dieses ausstrahlten.

Als "Rays" Bild im niederländischen Fernsehen gezeigt wurde, erkannte ihn eine Freundin aus dem Ort Hengelo bei Enschede nahe der deutschen Grenze und meldete sich bei der Polizei. Auch "Rays" Stiefmutter bestätigte seine Identität. Daraufhin räumte Robin v. H. ein, sich die Geschichte vom "Waldjungen" ausgedacht zu haben. Das Motiv für seine Lügengeschichte blieb bislang im Dunkeln.

Keine Nachforschungen bei einem 19-Jährigen

Nach Angaben der Polizei in Hengelo hatte der Mann das Haus seiner Eltern im September 2011 verlassen, ohne diesen zu sagen, wohin er gehen wollte. Diese wandten sich daraufhin an die Polizei. "Die Eltern sagten, sie seien beunruhigt", sagte eine Polizeisprecherin damals. Weil Robin v. H. zum Zeitpunkt seines Verschwindens schon 19 Jahre alt war, wurden aber keine Nachforschungen angestellt.

Wenn Robin v. H. am Donnerstag vor Gericht steht, wird der Amtsrichter zunächst entscheiden, ob gegen ihn nach Erwachsenen- oder Jugendstrafrecht verhandelt wird. Das ist besonders für das Strafmaß von großer Bedeutung, das bei Erwachsenen strenger ausfällt als bei Jugendlichen. Laut Gericht wird noch am selben Tag mit einem Urteil gerechnet. (afp)