Paris. Die Abschiebung einer 15-Jährigen während eines Schulausflugs hat in Frankreich erneut heftige Diskussionen über den Umgang mit Roma ausgelöst. Selbst Politiker aus dem Regierungslager übten am Mittwoch Kritik am Vorgehen der Behörden. Die Linkspartei forderte gar den Rücktritt von Innenminister Valls.

Die Abschiebung einer 15-jährigen Kosovarin, die während eines Schulausflugs von der Polizei abgefangen wurde, hat Frankreichs Innenminister Manuel Valls in Bedrängnis gebracht. Die Linkspartei forderte am Donnerstag einen Rücktritt des Ministers, auch bei den regierenden Sozialisten wurde Kritik am Vorgehen gegen das Roma-Mädchen laut.

Valls ordnete eine Untersuchung zu den Umständen der Abschiebung des Mädchens an. Er betonte zugleich, es seien "Recht und Personen respektiert" worden. Die Behörden würden die rechtlichen Vorgaben mit "Augenmaß und Menschlichkeit" umsetzen.

Die 15-jährige Leonarda war bereits am 9. Oktober mit ihrer Familie abgeschoben worden, nachdem deren Asylanträge abgelehnt worden waren. Die kosovarische Familie lebte in der ostfranzösischen Ortschaft Levier.

Als Beamte die Familie abholen wollten, war Leonarda nicht anwesend - sie befand sich bei einem Schulausflug und war mit ihren Mitschülern in einem Bus unterwegs. Nach Angaben des Innenministeriums hielt der Bus nach Absprache an, das Mädchen stieg aus und wurde dann von Beamten in Empfang genommen.

Linke werfen Innenminister "unmenschliche Politik" vor

Laut der zuständigen Präfektur wurde kein "Zwang" ausgeübt. Es handele sich auch nicht um "die Festnahme eines jungen Mädchens im Klassenzimmer". Eine Lehrerin bestätigte, dass die Polizisten das Mädchen außer Sichtweite der Mitschüler in Empfang nahmen, nachdem der Bus auf dem Parkplatz einer anderen Schule gehalten hatte. Der Vorfall wurde nun von einer Organisation publik gemacht, die sich für den Verbleib der Kinder etwa von Asylbewerbern an französischen Schulen stark macht.

Der Chef der Linkspartei, Jean-Luc Mélenchon, warf Innenminister Valls nach Bekanntwerden des Vorfalls eine "unmenschliche Politik" vor. Valls lasse Roma "bis in die Schulen jagen". In einer Stellungnahme bezeichnete die Linkspartei Valls als "unwürdig" und forderte seinen Rücktritt. Valls hatte erst vor wenigen Wochen für Empörung gesorgt, als er den Integrationswillen einer Mehrheit der in Frankreich lebenden Roma in Frage gestellt hatte.

Abschiebung wird untersucht

Auch bei den regierenden Sozialisten wurde Kritik an den Umständen der Abschiebung der 15-jährigen Kosovarin laut. Bildungsminister Vincent Peillon sagte am Donnerstag, die Schule müsse "unantastbar" bleiben, das umfasse auch Schulausflüge. "Ich hoffe, dass sich eine solche Situation nicht noch einmal ereignet."

Der sozialistische Parlamentspräsident Claude Bartolone mahnte: "Es gibt das Recht. Aber es gibt auch Werte, bei denen die Linke keine Kompromisse machen wird, sonst verliert sie ihre Seele." Der französische Menschenrechtsbeauftragte Dominique Baudis eröffnete eine Untersuchung zu der Abschiebung.

Frankreichs Staatschef François Hollande mahnte Zurückhaltung bei der Bewertung der Vorkommnisse an. "Wir müssen erst klarer sehen, bevor wir die Ereignisse kommentieren", sagte Hollande bei einer Kabinettssitzung nach Angaben von Regierungssprecherin Najat Vallaud-Belkacem.

Regierungschef Jean-Marc Ayrault sagte in der Nationalversammlung, eine behördliche Untersuchung werde klären, ob es einen "Fehler" gegeben habe. Sollte dies der Fall sein, werde der Beschluss einer Abschiebung der Familie aufgehoben. Die Familie könne dann nach Frankreich zurückkehren, wo der Asylantrag erneut geprüft werde. Ayrault versprach Ergebnisse "binnen 48 Stunden". Der französische Menschenrechtsbeauftragte Dominique Baudis eröffnete eine eigene Untersuchung zu der Abschiebung. (afp)