Straßburg. Die Europäische Union befürchtet einen dramatischen Anstieg von Schweinegrippe-Infektionen. Derzeit sind EU-weit 24.200 Infizierungen registriert - schon im Herbst könnten es eine Million sein, befürchtet Jo Leinen, Vorsitzender des Gesundheitsausschusses im Europaparlament.

Die EU rechnet mit einem dramatischen Anstieg der Schweinegrippe-Fälle auf mindestens eine Million Erkrankte im Herbst dieses Jahres sowie einer deutlichen Zunahme von Todesopfern. Die Schätzung, dass die Zahl der Infizierten von derzeit rund 24.200 im Herbst auf eine Million Kranke in der EU ansteigen könnte, sei «sehr konservativ», sagte der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses des Europäischen Parlaments, Jo Leinen (SPD), der «Neuen Osnabrücker Zeitung» (Samstagsausgabe). «Die Skala ist nach oben offen und kein Land in der EU wird verschont bleiben,» fügte er hinzu. Bereits jetzt sei in einigen spanischen Urlaubsregionen eine «regelrechte Seuche» ausgebrochen.

Steht Impfstoff erst im November bereit?

Laut Leinen sollen 150 Millionen Europäer mit einem Impfstoff gegen das Schweinegrippe-Virus A (H1N1) versorgt werden. «Wir sind sehr beunruhigt, dass die Hersteller des Impfstoffes uns immer wieder vertrösten: erst hieß es, das Serum kommt im September, dann im Oktober und nun scheint er erst im November zur Verfügung zu stehen», sagte der Europapolitiker. Dies wäre allerdings «definitiv zu spät».

Innerhalb der EU würden laut Leinen allein für den Impfstoff für die Massenimpfung Kosten von zweieinhalb bis drei Milliarden Euro entstehen. Die Schweinegrippe werde daher «zum Testfall für die Solidarität unter den EU-Ländern». «Wir haben zum einen nur wenige Pharmahersteller in Deutschland, Großbritannien und Frankreich, die den Impfstoff produzieren können. Zum anderen könnten EU-Mitglieder, die wegen der Weltfinanzkrise finanziell ohnehin schon am Abgrund stehen, nicht in der Lage sein, ausreichende Mengen an Impfstoff zu bezahlen. Hier muss die EU Solidarität zeigen», sagte Leinen.

Sondergipfel der Gesundheitsminister geplant

Durch einen Stufenplan solle die Versorgung mit Impfstoff gewährleistet werden, sagte Leinen. Krankenhausmitarbeiter, Polizei und Risikogruppen wie Schwangere müssten zuerst geimpft werden. Die Verteilung des Impfstoffs dürfe sich nicht nach dem Zeitpunkt von Bestellung und Bezahlung richten. Vielmehr gelte: «Wo die größte Not ist, muss auch die größte Menge an Impfstoff hin.» Leinen sagte, die EU plane einen Sondergipfel der Gesundheitsminister nach der Sommerpause, um eine Strategie zur Bekämpfung der Schweinegrippe festzulegen. Sollte das Schweinegrippe-Virus im Herbst sich mit anderen Viren kombinieren, müsse auch mit einer Verschlimmerung des bislang recht milden Krankheitsverlaufs gerechnet werden, sagte Leinen. (afp)