London. . Einst war sie als Heldin gefeiert, nun gilt sie als Top-Favoritin für den Friedensnobelpreis. Doch nicht nur in ihrer Heimat Pakistan ist das junge Mädchen umstritten. Wie viel von Malalas Engagement ist Tapferkeit, wie viel der Ehrgeiz eines Vaters, der den Ruhm seiner Tochter geschickt steuert?
Globale Inspiration, Ikone – für Millionen Mädchen in Pakistan verkörpert Malala Yousafzai Hoffnung. Doch ihre Geschichte ist auch die einer Tochter, die vom Vater früh zur telegenen Heldin, zum Lautsprecher seiner Anti-Taliban-Kampagne erzogen wird. Bis Fundamentalisten dem Mädchen nach der Schule auflauern und ihm aus Rache ins Gesicht schießen. Heute nun könnte Malala den Friedensnobelpreis bekommen. Doch hat sie die Auszeichnung überhaupt verdient?
Dass Malala sich jeden Morgen die Schuluniform der Edgbaston Highschool in Birmingham überzieht und mittlerweile sogar David Beckham und Justin Bieber kennt, ist ein großes Glück. „Die Uniform beweist, dass ich lernen darf“, sagt sie stolz. Und dass sie lernen kann, möchte man hinzufügen. Denn vor einem Jahr hätte die heute 16-Jährige einen Mordversuch der Taliban in Pakistan fast nicht überlebt. Die Männer fingen Malala und ihre Schulfreundinnen nach dem Unterricht im Swat-Tal ab, schossen auf sie. Malala überlebte schwerverletzt, wurde zur Behandlung nach Großbritannien ausgeflogen. Ein Happy End, wie gemacht für Fernsehkameras.
Sie hat das Zeug zum Star
Das Zeug zum Star hat Malala: Sie ist schlagfertig, spricht fließend Englisch und engagiert sich für Ziele, die im Westen populär sind – den von Taliban 2007 verteufelten Schulbesuch für Mädchen etwa. Ungeachtet der Risiken befördert auch die BBC sie schon mit elf Jahren zur Bloggerin in Pakistan. Im Online-Tagebuch beschreibt sie jahrelang in schonungsloser Offenheit, wie ihre Heimat unter Islamisten lebt und leidet.
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Unter Anleitung ihres Vaters Ziauddin tritt Malala sogar öffentlich auf, spricht und schreibt gegen den Fundamentalismus – eine Gratwanderung in einem gefährlichen Umfeld. Immer wieder gibt es Morddrohungen gegen sie und ihren Vater. Doch der Lehrer und leidenschaftliche Anti-Taliban-Aktivist ermuntert seine Tochter, weiterzumachen. Ihre „Freimütigkeit“ und „abwertenden Worte“ führen die Taliban nach ihrem Mordanschlag auf Malala schließlich in einem Bekennerbrief als Grund an.
Wie viel von Malalas Engagement ist eigene Tapferkeit, wie viel der Ehrgeiz eines Vaters, der den Ruhm seiner Tochter geschickt steuert? Fakt ist, dass Malala nie ohne Ziauddin an ihrer Seite auftritt, wenn sie für die Alphabetisierung von Mädchen in Pakistan kämpft. Dabei ist fraglich, wie sehr ihre eigene Familie diese noblen Ziele selber lebt: Malalas Mutter kann noch immer nicht lesen oder schreiben; öffentlich äußert sie sich grundsätzlich nicht, da, wie Ziauddin Yousafzai in einem Fernseh-Interview erklärt, „Ehefrauen im Haus und nur die Männer nach außen wirken.“
Dass er allein seine Tochter auf Konfliktkurs mit den Taliban und damit in Lebensgefahr gebracht hat, weist er energisch zurück: „Niemand hätte erwartet, dass sie Kinder töten, dass sie keine Moral, keinen Ehrenkodex mehr haben.“ In ihrer Heimat ist Malalas Ruhm allerdings höchst umstritten: Viele werfen der Familie vor, ihre Tochter um jeden Preis und aus Egoismus zum Star machen zu wollen statt sie zu schützen. Dass der Vater, der mit ihr nach England ausgewandert ist, nun einen Job als Bildungsattaché im pakistanischen Konsulat von Birmingham bekommen soll, sehen viele als Bestätigung ihrer Vorwürfe.
Perfekt einstudierter Auftritt
Malala will Politikerin werden, ganz nach dem Geschmack des Vaters. Ihre Auftritte sind schon jetzt perfekt studiert: Ihre Rede vor den Vereinten Nationen wurde mit stehenden Ovationen gefeiert. In wenigen Wochen darf sie die Queen im Buckingham Palace treffen, David Beckham hat ihr vergangene Woche die Hand geschüttelt. Das alles meistert sie mit dem Format einer Staatspräsidentin – so selbstbewusst, fehlerfrei und telegen, dass man leicht vergisst, dass Malala mit 16 noch ein Teenager ist.
Ihr selbst ist die Verwandlung manchmal nicht geheuer: „In Pakistan bin ich zehn Jahre in dieselbe Schule gegangen und war dort einfach Malala“, sagt sie gegenüber dem „Guardian“, „in England bin ich als das Mädchen berühmt, das die Taliban töten wollten. Die alte Malala ist verschwunden und ich kann sie nicht mehr finden.“