Mexiko-Stadt. . „Diana“ gibt sich als Rächerin der misshandelten Frauen von Ciudad Juárez aus und hält die Millionenstadt in Atem. Am 28. August erschoss sie den ersten Busfahrer, 24 Stunden später den Zweiten. Jetzt fürchtet sie um ihr Leben. Ein weiteres merkwürdiges Kapitel in einer sehr bizarren Geschichte.

Eine Woche nach ihrem letzten Mord hat sich Diana, die Busfahrer-Jägerin, wieder gemeldet. Doch dieses Mal hat die mysteriöse Rächerin der misshandelten Frauen von Ciudad Juárez keinen Menschen ermordet. Sie fürchte selbst um ihr Leben, gab sie in einer E-Mail an eine Radiostation am Wochenende preis.

„Ich habe das Gefühl, dass ich seit ein paar Tagen verfolgt werde, weshalb ich Angst um mein Leben habe“, schrieb die anonyme Mörderin zweier Busfahrer angeblich an das Radio „Radio Grupo Net“. Außerdem behauptet sie, dass die vielen Facebook-Seiten, die in ihrem Namen existieren, nicht von ihr eröffnet wurden.

Diese knappe E-Mail ist ein weiteres merkwürdiges Kapitel in dieser bizarren Geschichte, die seit mehr als einer Woche die Millionenstadt an der Grenze zu den USA in Atem hält.

Ciudad Juárez hat den Ruf "tödlichste Stadt der Welt"

Angefangen hatte alles am 28. August, dem letzten Mittwoch des Monats, als die Rächerin den Busfahrer José Roberto Flores erschoss. Sie steigt an diesem Tag um 7.45 Uhr morgens nahe des Zentrums von Ciudad Juárez in einen Bus der Linie 4, zieht ohne Worte eine Pistole und schießt mehrmals auf den Fahrer. Die Passagiere des Busses sind starr vor Schreck. 24 Stunden später, dieselbe Route, eine andere Straßenecke, die Täterin ist offensichtlich die gleiche, der Fahrer heißt dieses Mal Fredy Zárate. Auch er wird mit mehreren Schüssen getötet.

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Ciudad Juárez, die Millionenstadt an der Grenze zu Texas, hat Erfahrung mit Tod und Terror. Die 1,5 Millionen Einwohner leben seit Jahren mit jeder denkbaren Form von Gewalt — Frauenmorde, Drogenmorde, Krieg zwischen dem Juárez- und dem Sinaloa-Kartell, Massaker an Jugendlichen auf Partys. Zwischen 2008 und 2010 starben rund 6000 Menschen eines gewaltsamen Todes, was Ciudad Juárez den Ruf der „tödlichsten Stadt der Welt“ einbrachte. Seit gut einem Jahr aber war es ruhiger geworden. Doch die beiden Morde haben die Angst in die Stadt zurückgebracht.

Zwei Tage tappen die Ermittler bei der Motivsuche im Dunkeln. Dann erreicht eine erste E-Mail die Redaktionen. In diesem Schreiben gibt sich die Täterin als „Diana, la cazadora de choferes“ zu erkennen. „Diana, die Busfahrer-Jägerin“ erklärt darin die Hintergründe für ihre Tat: „Andere Frauen und ich haben schweigend gelitten, aber wir können nicht länger ruhig bleiben. Wir sind Opfer sexueller Gewalt von Busfahrern, die sich im Schutz der Dunkelheit an uns vergangen haben, wenn wir von der Nachtschicht aus den Maquilas nach Hause fuhren. Ich bin das Werkzeug der Rache für viele Frauen“, droht die Urheberin der E-Mails: „Wenn sie uns nicht respektieren, dann verschaffen wir uns eigenhändig Respekt.“

Behörden präsentierten zwei Busfahrer als Täter

Bevor der Drogenkrieg Juárez berüchtigt machte, war die Stadt weltweit Synonym für Frauenmorde. Lokale Frauenrechtsorganisationen beziffern die Zahl auf 700 Tote zwischen 1993 und 2013. Damals – noch in den Neunzigern – nach den ersten Morden präsentierten die Behörden hastig zwei Busfahrer als Täter. Die Anschuldigungen wirkten konstruiert, die vermeintlichen Mörder wie Statisten, ausgesucht, um die Öffentlichkeit zu beruhigen. Wirklich aufgeklärt sind die Morde bis heute nicht.

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Derweil fehlt von Diana, der Täterin, jede Spur. Die Polizei fertigte ein Phantombild, das sich auf zahlreiche Zeugenaussagen stützt. Demnach ist die Rächerin um die 50 Jahre alt, 1,65 Meter groß. Und sie trug entweder eine blonde Perücke oder hat das Haar hell gefärbt.

Auf der Facebook-Seite „Diana Cazadora de Choferes“ hat unterdessen jemand unter ihr Phantombild in roten Lettern geschrieben: „Achtung, wenn Sie diese Frau sehen, bitte NICHT der Polizei melden. Sie macht die Arbeit, die von den Sicherheitsbehörden in Ciudad Juárez nicht gemacht wird“.