Bonn/Mainz. Das Riesen-Chaos am Mainzer Hauptbahnhof bringt der Bahn reichlich Ärger ein: Ein Vostand musste nun gehen. Das Eisenbahn-Bundesamt hat ein Verfahren eingeleitet, Verkehrsminister Ramsauer schaltet sich ein. Arbeitnehmervertreter und Interessenverbände laufen Sturm. Und die Bahn kriegt die Probleme einfach nicht in den Griff.
Bahnchef Rüdiger Grube reagiert einem Medienbericht zufolge auf das Bahn-Chaos in Mainz mit personellen Konsequenzen. Der Vorstand Produktion der DB Netz AG, Hansjörg Hess, werde von seinen Aufgaben entbunden, berichtet die "Stuttgarter Zeitung". Der Schritt sei schon seit längerer Zeit geplant gewesen, die aktuellen Ereignisse in Mainz hätten die Ablösung jedoch beschleunigt. Hess ist seit Juni 2011 Vorstandsmitglied bei der DB Netz AG. Ein Sprecher der Bahn sagte am Freitagabend, dass das Unternehmen keine Stellungnahme zu Personalien abgebe.
Der Mainzer Hauptbahnhof kann derzeit in den Abend- und Nachtstunden nicht mehr angefahren werden, da die Bahn das Stellwerk dort nicht mehr mit Fahrdienstleitern besetzen kann. Das Eisenbahn-Bundesamt hat wegen der massiven Zugausfälle ein Verfahren eingeleitet. Dabei werde ein möglicher Verstoß der Bahn-Tochter DB Netz AG gegen die Betriebspflicht untersucht, sagte Sprecher Moritz Huckebrink. Mainz ist seit einer Woche abends und nachts weitestgehend vom Fernverkehr abgekoppelt, da knapp die Hälfte der 15 Fahrdienstleiter im Stellwerk krank oder im Urlaub ist. Nun wurde auch noch bekannt, dass es von Montag an auch tagsüber zu enormen Einschränkungen kommen wird.
"Das Eisenbahn-Bundesamt hat sich vor Ort ein Bild von der Situation im Stellwerk Mainz gemacht. Die Behörde erwartet nun eine Stellungnahme der Bahn dazu, mit welchen Maßnahmen sie dafür sorgen wird, dass der sichere Betrieb in Mainz unverzüglich wieder aufgenommen werden kann." Seit Freitag gibt es Einschränkungen, weil sich mehrere Bahn-Mitarbeiter in der Urlaubszeit krank gemeldet haben.
Wegen des Chaos am Mainzer Hauptbahnhof hat sich nun auch Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) eingeschaltet. Die Situation in Mainz hat er zur Chefsache erklärt. Er telefonierte nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa am Freitag mit Bahnchef Rüdiger Grube. Zugleich schrieb Verkehrsstaatssekretär Michael Odenwald nach Ministeriumsangaben einen Brief an die Deutsche Bahn. Er nennt darin die aktuelle Situation "nicht akzeptabel". Er bat die Bahn zu prüfen, ob Mitarbeiter aus dem Urlaub geholt oder von anderen Standorten aus in Mainz eingesetzt werden könnten. Dies hatte die Bahn am Donnerstag verneint mit der Begründung, das Stellwerk in Mainz sei sehr komplex.
Personalmangel sei lange ignoriert worden
Der Personalmangel in Stellwerken der Deutschen Bahn ist nach Gewerkschaftsangaben vom Unternehmen lange ignoriert wurden. Die Arbeitnehmervertreter hätten seit 2011 auf die Unterbesetzung in den Stellwerken hingewiesen, die jetzt in der Rhein-Main-Region zu wochenlangen Zugausfällen führen werden, sagte der Vorsitzende der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), Alexander Kirchner, der Zeitung "Die Welt".
Der Gesamtbetriebsrat habe das Thema in den vergangenen 28 Monaten bei jedem Treffen mit dem Management auf die Tagesordnung gesetzt. Passiert sei nichts. "Sollte sich nun nichts ändern, bleibt uns nichts übrig, als über die Dienstplanregelungen noch stärkeren Druck aufzubauen. Dann wird es dazu kommen, dass die EVG-Betriebsräte die Zustimmung zu Dienstplänen, Verschiebungen von Urlauben oder Änderungen an der Planung für Freischichten verweigern", sagte Kirchner.
Forderung, der Bahn das Geld zu kürzen
Der Fahrgastverband Pro Bahn forderte die Aufgabenträger für den Regionalverkehr in Rheinland-Pfalz auf, der Bahn das Geld zu kürzen. Es könne nicht sein, dass die Bahn Steuergelder für schlechte Leistungen erhalte, sagte der Pro-Bahn-Landesvorsitzende Sebastian Knopf am Freitag in Worms. Wettbewerber der Bahn, die den Mainzer Hauptbahnhof nicht anfahren könnten, sollten die Deutsche Bahn in Regress nehmen.
Der Zweckverband für das südliche Rheinland-Pfalz will der Bahn wegen der Zugausfälle das Geld kürzen. Für Züge, die nicht fahren könnten, werde keine Streckenmaut und keine Stationsgebühr bezahlt, sagte ein Sprecher des Schienenpersonennahverkehrs Rheinland-Pfalz Süd in Kaiserslautern. Ob es Regressforderungen gebe, sei offen. Die Bahn müsse die Kunden entschädigen, vor allem Berufspendler.
Seit einer Woche gibt es Zugausfälle und Umleitungen in Mainz, weil knapp die Hälfte der Fahrdienstleiter im Stellwerk krank oder in Urlaub ist. Die Probleme für Fern- und Regionalzüge werden bis mindestens Ende August dauern und sich ab Montag verschärfen - dann wird es tagsüber Einschränkungen geben und der Pendlerverkehr im Rhein-Main-Gebiet stärker betroffen sein.
Stundentakt statt Halbstundentakt
Die Bahn kann in Mainz ab Montag im Regionalverkehr nur noch einen Stundentakt statt Halbstundentakt anbieten. Im Fernverkehr halten nur noch wenige in Mainz. Das gilt zunächst für Tag und Nacht - bisher war das Problem vor allem der Zugverkehr nachts.
Zugverspätungen wie am Mainzer Hauptbahnhof richten einer Umfrage zufolge massive Schäden bei deutschen Unternehmen an. "Ausgefallene oder verspätete Flüge und Züge sind für Geschäftsreisende nicht nur ärgerlich und verursachen ihnen Stress, sie kosten die Unternehmen auch Geld und gefährden Umsatzziele", sagte der Präsident des deutschen Geschäftsreiseverbands (VDR), Dirk Gerdom, in Frankfurt. Bei einer Umfrage unter Mitgliedsunternehmen hätten 98 Prozent angegeben, in diesem Jahr schon von Beeinträchtigungen bei der Bahn und bei Airlines betroffen gewesen zu sein. 14 Prozent gaben an, dass wichtige Vertragsabschlüsse nicht zustande gekommen seien.
Mehr S-Bahnen zum Bundesliga-Spiel Mainz gegen Stuttgart
Zum Bundesliga-Spiel Mainz 05 gegen VfB Stuttgart am Sonntag sollen zumindest mehr S-Bahnen Richtung Mainz fahren. Das sagte eine Bahnsprecherin am Freitagabend. "Ein Fahrdienstleiter hat sich bereiterklärt, für einen kurzen Zeitraum am Sonntag zusätzlich im Stellwerk zu arbeiten, damit das höhere Reiseaufkommen im Zusammenhang mit dem Fußballspiel besser bewältigt werden kann." Dank des Einsatzes dieses Mitarbeiters sei es möglich, das Stellwerk punktuell am Sonntag zu verstärken. Von 15 Fahrdienstleitern sind zurzeit wegen Krankheit und Urlaubs nur acht im Dienst, weshalb der Mainzer Hauptbahnhof weniger angefahren werden kann.
Die rheinland-pfälzische CDU-Vorsitzende Julia Klöckner hatte zuvor unter Berufung auf ein Telefonat mit Bahnchef Rüdiger Grube mitgeteilt, am Sonntag seien mehr S-Bahnen und Regionalzüge im Einsatz.(dpa)