Essen. . Im Thriller „Trance“ verschwimmen die Grenzen zwischen Wahn und Wirklichkeit. Der britische Regisseur und Oscarpreisträger Danny Boyle kehrt mit seinem Film wieder in die Traumfabrik zurück. Generell ist der Film clever konstruiert, er gibt aber auch mächtig damit an.

Nervenkitzel steht auf dem Programm des neuen Films von Danny Boyle. „Trance – Gefährliche Erinnerung“ ist die Neuverfilmung eines englischen TV-Thrillers von 2001, für die Boyle den Regisseur und Autor des Originals, Joe Ahearne, mit seinem Haus- und Hofschreiber John Hodge an einem Schreibtisch zusammenbrachte.

Simon arbeitete als Sicherheitsmann in einem Auktionshaus, als der Gangster Franck dort einen Raubzug startete. Simon konnte ein wertvolles Gemälde retten, sich selbst leider nicht. Jetzt ist er in Francks Gewalt, doch Simons Gedächtnis hat eine Lücke, die sich auch durch Folter nicht füllen lässt.

Deshalb holt Franck die Psychoanalytikerin Elizabeth ins Boot, die Simons Hirnblockade auf hypnotischem Wege lockern soll. Tatsächlich dringt sie immer tiefer vor und kann verschüttete Erinnerungen erreichen. Allerdings setzt sie damit ein gefährliches Geheimnis frei.

Wieder in der ersten Liga

Der Engländer Danny Boyle rutschte 2008 mit dem Oscar-Triumph „Slumdog Millionär“ erneut in Hollywoods erste Regie-Liga, nachdem er 1996 schon einmal mit „Trainspotting“ für Furore gesorgt hatte. Dass es nicht zur ganz großen Karriere reichte, zeigte sich bei Filmen wie „Lebe lieber ungewöhnlich“, „The Beach“ oder zuletzt „127 Stunden“. Boyle kann zwar mit außerordentlichem visuellem Stilwillen aufwarten und Schauspieler zu beachtlichen Leistungen antreiben, doch neigt er dazu, mit diesen Vorzügen die inhaltlichen Aspekte seiner Filme zu übertünchen. Die Form wird zum Substanzträger.

In erzählerischer Form betreibt Boyle dabei Rückkehr zu seinem ersten Kinofilm „Kleine Morde unter Freunden“ von 1994, in dem eine auf ein Ziel fixierte Gruppe durch individuelle Interessenlagen auseinander bricht und sich gegenseitig an die Gurgel geht. In „Trance“ ist das zentrale Trio, attraktiv besetzt und gespielt von James McAvoy, Rosario Dawson und Vincent Cassel, zunächst klar definiert. Es gibt den Gangster, das Opfer und die Helferin, die bald zwischen die hormonellen Fronten gerät.

Spiel mit beständigen Perspektivwechseln

Aber schon zur Hälfte beginnen die klaren Konturen innerhalb der Konstellation zu verwischen, und der Film steuert in immer neue Wendungen und Verschiebungen, bis er in einem gewalttätigen Finale die wahren Karten aufdeckt und eine Situation eröffnet, die wahrlich nicht absehbar war.

Ob das Spiel mit beständigen Perspektivwechseln auch gutes Filmerzählen ist, ist Geschmackssache. Generell ist der Film clever konstruiert, er gibt aber auch mächtig damit an. Das gilt auch für die virtuose Bildgestaltung mit ihrem inflationären Einsatz von Spiegeln, Fensterscheiben und verkanteten Winkeln sowie die rasante Montage, die das Geschehen aufbricht und wieder verdichtet.

Aber es ist eben vieles Zierwerk, das sich aufdringlich selbstbewusst in den Vordergrund schiebt. Danny Boyle zeigt eben gern, wie gut er das Handwerk beherrscht. Wenn man das mag, findet man hier das Überlebensgroße, das Extreme – im Schönen wie im Schaurigen – für das man sich letztlich vor eine Großbildleinwand setzt, um in eine Geschichte hineingesogen zu werden.