Essen. Warten auf ein Ereignis - das kann spannend sein. Kann! Nicolas Wackerbarth will in seinem jüngsten Film “Halbschatten“ der dramaturgische Kniff nicht glücken. So wird der Thriller zur Geduldsprobe für den Zuschauer

Als das Radio noch nicht digitalisiert war, mussten Gesprächspausen manuell aus dem Band geschnitten werden; Heinrich Böll spielt auf diese Technik mit dem Titel seiner Erzählung „Doktor Murkes gesammeltes Schweigen“ an. „Halbschatten“ ist sozusagen das filmische Pendant dazu, denn mit fast schon entwaffnender Offenheit sagt Regisseur Nicolas Wackerbarth: „Ich wollte sehen, was passiert, wenn Filmaufnahmen, die für gewöhnlich dem Schnitt zum Opfer fallen, ins Zentrum einer Erzählung rücken.“

Das mag als Idee zunächst ebenso eigenwillig wie originell klingen, doch Böll wusste schon, warum er „Doktor Murke“ als Kurzgeschichte schrieb: Wackerbarths Film, seine zweite Regiearbeit nach „Unten Mitte Kinn“, dauert zwar bloß rund 75 Minuten, stellt aber dennoch eine Geduldsprobe dar. Das liegt noch am wenigsten an Hauptdarstellerin Anne Ratte-Polle, die der Hauptfigur eine reizvolle Abgründigkeit verleiht.

Stummes Selbstgespräch

Wackerbarth bezeichnet sein vom WDR koproduziertes Werk als „Thriller über ereignislose Tage“. Das wirkt zwar wie ein Widerspruch in sich, trifft aber zumindest hinsichtlich der Ereignislosigkeit voll ins Schwarze: „Halbschatten“ handlungsarm zu nennen, wäre noch untertrieben.

Der Inhalt ist daher rasch zusammengefasst: Merle, eine Frau Ende dreißig (Ratte-Polle), ist an der Côte d’Azur mit ihrem Freund verabredet, trifft aber nur seine Kinder an. Man langweilt sich einige Tage, bis Merle wieder abreist. Kein Wunder, dass zwei emotionale Szenen, als sich Merle erst mit einem Bäcker anlegt und später beinahe einem stürmischen Annäherungsversuch des Sohnes erliegt, fast schon wie Fremdkörper anmuten.

Wer schon immer wissen wollte, wie die filmische Umsetzung eines stummen Selbstgesprächs aussieht, wird „Halbschatten“ als Kunstwerk betrachten, das zudem sorgfältig ausgestattet und gestaltet ist. Alle anderen sollten Wackerbarths Einschätzung, die Filmerzählung erwachse „aus der Leere einer Abwesenheit“, als Warnung verstehen.