Paris. Das schwere Zugunglück in Frankreich ist vermutlich durch ein gebrochenes Weichenteil verursacht worden. Dies gab am Samstag die Eisenbahngesellschaft SNCF bekannt. Bei der Engleisung eines Intercitys am Bahnhof von Brétigny-sur-Orge waren am späten Freitagnachmittag mindestens sechs Menschen gestorben.

Ein defektes Verbindungsteil an einer Weiche war vermutlich die Ursache des schweren Zugunglücks bei Paris. Das Stahlelement hätte eigentlich zwei Schienenteile zusammenhalten sollen, erklärte ein Bahnverantwortlicher am Samstag auf einer Pressekonferenz. Es habe sich aus noch ungeklärter Ursache gelöst. Nun sollen schnellstmöglich alle vergleichbaren Verbindungsteile im französischen Schienennetz überprüft werden, es sollen rund 5000 sein.

Bei dem Unglück am Bahnhof von Brétigny-sur-Orge waren am späten Freitagnachmittag mehrere Waggons eines Intercity-Zuges aus den Gleisen gesprungen. Mindestens sechs der 385 Reisenden starben. 30 Menschen mussten nach Regierungsangaben stationär in Krankenhäusern behandelt werden, acht mit schweren Verletzungen. Ärzte sprachen zudem von Dutzenden Leichtverletzten.

Lokführer verhinderte mit Geistesgegenwart Schlimmeres

Das schwere Zugunglück im Großraum von Paris ist nach ersten Erkenntnissen nicht durch einen Fehler des Lokführers verursacht worden. Es habe kein "menschliches Problem" gegeben, sagte Verkehrsminister Frédéric Cuvillier am Samstag. Die Ermittlungen konzentrierten sich auf mögliche Defekte am Zug oder einer Weiche. "Der Lokführer hat zum Glück absolut einzigartige Reflexe gezeigt, indem er sofort Alarm ausgelöst hat", erklärte Cuvillier. Dies habe verhindert, dass ein entgegenkommender Zug in die entgleisten Waggons gerast sei.

Bei dem schwersten Zugunglück in Frankreich seit 25 Jahren waren am späten Freitagnachmittag mehrere Waggons eines Intercity-Zuges an einem Bahnhof in Brétigny-sur-Orge aus den Gleisen gesprungen. Mindestens sechs der 385 Reisenden starben. 30 Menschen wurden verletzt, acht von ihnen schwer.

Dass sich weitere Tote in den Trümmern befinden, galt am Samstag weiterhin als nicht ausgeschlossen. "Die Rettungskräfte haben zur Stunde keine neuen Opfer identifiziert, (...) aber wir müssen extrem vorsichtig bleiben", erklärte der Verkehrsminister. Die Bergungsarbeiten seien langwierig und neue traurige Entdeckungen nicht ausgeschlossen. Zur Identität der Todesopfer gab es zunächst keine Angaben.

Zug fuhr mit 137 Stundenkilometer und damit 13 km/h langsamer als erlaubt

Zeitgleich mit den Bergungsarbeiten suchten Expertenteams nach Hinweisen auf die Ursache des Unglücks. Nach Angaben der Regierung sind neben Experten der Bahngesellschaft SNCF auch die Justiz und die staatliche Unfalluntersuchungsbehörde BEA mit der Aufklärung betraut.

Nach den Angaben zum Unfallablauf waren am Freitag um 17.14 Uhr mehrere Waggons des Intercity-Zuges an einer Weiche rund 200 Meter vor dem Bahnhof von Brétigny-sur-Orge entgleist. Während der eine Zugteil weiterrollte, krachte der andere zum Teil auf den Bahnsteig. Es müsse entweder ein Problem mit der Schiene oder den Eisenbahnrädern gegeben haben, sagte Bahnchef Guillaume Pepy am Unglücksort. Der Zug fuhr mit 137 Stundenkilometer und damit 13 km/h langsamer als erlaubt. Über die Weiche vor dem Bahnhof war eine halbe Stunde vor dem Unglück noch ein anderer Zug gefahren - offensichtlich ohne Probleme.

Bahnsteigdach ist eingestürzt., vier Waggons sind total zerfetzt

Augenzeugen an der Unfallstelle bot sich am Freitag ein Bild des Grauens. "Das Bahnsteigdach ist eingestürzt. Vier Waggons sind total zerfetzt", sagte der sozialistische Parlamentarier Michel Pouzol und sprach von einem "apokalyptischer Anblick". Ein 22-Jähriger, der zum Unglückszeitpunkt in der Bahnhofsbar saß, berichtete von dramatischen Szenen. "Es flogen überall Trümmerteile und Schotter herum", sagte er. Teller seien auf den Boden gekracht, eine Frau sei durch die Schockwelle fünf Meter durch die Luft geschleudert worden. Nicht nur im Zug selbst, sondern auch am Bahnhof habe es Verletzte gegeben. Hunderte Rettungskräfte kümmerten sich um die Opfer.

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Der am Freitagnachmittag am Pariser Bahnhof Austerlitz gestartete Unglückszug hätte eigentlich am Abend um 20.05 Uhr in Limoges ankommen sollen. Die Stadt liegt rund 400 Kilometer südlich der Seine-Metropole. Die Strecke blieb zunächst komplett gesperrt. Tausende Reisende, die in Richtung Orléans, Limoges und Toulouse wollten, mussten auch am Samstag auf andere Transportmittel ausweichen oder daheimbleiben.

Ein noch schwereres Unglück als das von Brétigny-sur-Orge hatte sich 1988 am Gare de Lyon in Paris ereignet. An einem Zug versagten damals die Bremsen. Daraufhin bohrte er sich in einen stehenden Triebwagen. 56 Menschen starben. (dpa)